In Stuttgart wollen jährlich 700 bis 800 Eltern eine andere Grundschule wählen. Foto: Sigerist

Die Grundschule können sich Eltern nicht aussuchen. Sie wird nach Wohnort zugewiesen. Wenn Eltern trotzdem eine andere Schule wählen wollen, brauchen sie überzeugende Argumente. Ein Beispiel aus Stuttgart-Birkach.

Filder - Semra Röhlich muss nun bis Ende Mai hoffen. Dann stellt sich heraus, ob sich ihr Wunsch erfüllt: dass ihre Tochter von Herbst an die Grundschule Birkach besucht. Genau das will Semra Röhlich, deshalb hat sie vergangene Woche bei der Anmeldung – zu der alle Erstklässlereltern an staatlichen Schulen müssen – zusätzlich einen Antrag auf Schulwechsel gestellt. Das klingt kompliziert, ist es aber aus Sicht von Semra Röhlich nicht. Sie leben im Steckfeld und sind deshalb der Körschtalschule zugewiesen. Weil aber der Schulweg nach Birkach sicherer sei und der kleine Bruder in den Kindergarten gleich neben der Schule gehe, ist für sie die GrundschuleBirkach erste Wahl.

Semra Röhlich ist nicht die Einzige, die sich in einen Schulwechslerantrag gefuchst hat. Die Wünsche der Eltern stimmen nicht immer mit den von der Bürokratie gezogenen Grenzen überein. Zwischen 700 und 800 Anträge gingen im vergangenen Jahr ein, sagt Almuth Windisch, die Schulamtsdirektorin beim Staatlichen Schulamt. Es sei nicht mehr oder weniger geworden in den vergangenen Jahren, vor fünf, sechs Jahren sei die Zahl nach oben gegangen, nun verharre sie dort recht konstant. Die Gründe der Eltern müssen überzeugend sein, sagt Windisch. Der Ruf der Schule, die Klassenkameraden oder der Lehrer können jedenfalls keine Argumente sein. Was hingegen zählt, ist, wenn eine Familie umzieht, wenn ein Geschwisterkind bereits auf der gewünschten Schule ist oder wenn sich jemand aus dem anvisierten Schulbezirk um das Kind kümmert, nachweislich. Und natürlich werde berücksichtigt, ob die Eltern eine Ganztagsschule brauchen, diese aber in ihrem Bezirk nicht angeboten wird.

Der Ruf der Schule dürfe kein Argument sein

In den Stadtbezirken unter dem Fernsehturm sind die Grundschulen, was die Betreuung angeht, gut aufgestellt. Wenn auch ganz unterschiedlich. Es gibt so gut wie keine Grundschule in Birkach, Plieningen, Degerloch und Sillenbuch, die keine Nachmittagsbetreuung anbietet. Unter vielen Eltern sei Ganztagsbetreuung gar nicht unbedingt die beliebteste Form, sagt die Rektorin der Riedenberger Grundschule, Daniela Noe-Klemm: „Immer mehr Eltern wünschen sich eine flexible Betreuung, sodass die Kinder beispielsweise an zwei Tagen bis 17 Uhr betreut werden und an den anderen Tagen nachmittags zu Hause sind.“ Generell würden Schulwechsleranträge aufgrund des jeweiligen Betreuungsangebots zunehmen.

Schulamt habe sich nie gegen die Entscheidung der Rektoren gestellt

Neu ist, dass sich die Schulen künftig selbst um die Schulwechselanträge kümmern. Man habe das Verfahren regionalisiert, sagt Windisch. Nun würden sich Schulen untereinander abstimmen, ob Wechselwünsche klappen. Das Staatliche Schulamt schaltet sich nur ein, wenn es Probleme gibt, die die zuständige Schule nicht lösen kann. Die Rektorin der Riedenberger Grundschule findet das gar nicht schlecht: „Wir Schulleiter der drei Grundschulen im Bezirk Sillenbuch setzen uns zusammen, sprechen über die jeweiligen Gründe der Eltern und entscheiden gemeinsam“, sagt Noe-Klemm. Allerdings sei der Verwaltungsaufwand für die Grundschulen gestiegen: Die Grundschulen sammeln nun alle Umschulungsanträge, recherchieren die jeweiligen Gründe, beraten sich und teilen den Eltern die Entscheidung mit. „Auch früher haben die Schulleiter dem Staatlichen Schulamt gemeldet, ob sie dem Wechselantrag zustimmen oder nicht. Das Schulamt hat sich nie gegen die Entscheidung der Rektoren gestellt – aber das Schulamt hat die Briefe an die Eltern geschickt, ob dem Wechselantrag zugestimmt wird oder nicht. Das machen nun wir.“

Ob bei Semra Röhlich alles glatt geht, das soll sich bis Ende Mai herausstellen. Dann gehen in der Regel die Bescheide an die Eltern raus. Im vergangenen Jahr bekamen mehr als 90 Prozent grünes Licht.