Der bekehrte Gru soll mit der ebenso schlagfertigen wie chaotischen Agentin Lucy einen mysteriösen Fall lösen. Foto: Verleih

Den Animationsfilmern Pierre Coffin (F) und Chris Renaud (USA) ist ein Kunststück gelungen: Sie sind sich in jeder Hinsicht treu geblieben und schreiben aus einem Guss die Geschichte um den hin- und hergerissenen Gru fort.

Den Animationsfilmern Pierre Coffin (F) und Chris Renaud (USA) ist ein Kunststück gelungen: Sie sind sich in jeder Hinsicht treu geblieben und schreiben aus einem Guss die Geschichte um den hin- und hergerissenen Gru fort. Wieder reizen sie die Möglichkeiten der Animation aus, arbeiten mit grandioser Überzeichnung und Deformation, und wieder mischen sie munter die Genres, was sonst selten gutgeht – Agententhriller-Persiflage und Familienkomödie verschmelzen hier zur untrennbaren Einheit.

Der geläuterte Ex-Schurke Gru stellt in seinem Bösewicht-Labor nun Marmelade her, was niemanden so richtig befriedigt: Die Minions, absolut schmerzfreie Helferlein, machen nun ausschließlich Unfug und lassen sich noch leichter vom Wesentlich ablenken, das verrückte Genie Dr. Nefario möchte lieber Weltbeherrschungsapparaturen entwickeln und lässt sich abwerben – Grus Imperium in seiner dunklen Villa droht zu zerfallen.

Er selbst versucht sich als Agent, der detektivisch eine Bedrohung in der Einkaufs-Mall aufspüren soll. Dabei gerät er an die latent übermotivierte Kollegin Lucy, die dazu neigt, andere zu vermöbeln und übers Ziel hinauszuschießen, dabei aber hinreißend liebenswert bleibt. Auch dann noch, als Gru in der Tarn-Konditorei ein Torte ins Gesicht bekommt. Eduardo, der Besitzer eines mexikanischen Restaurants, weckt Grus Misstrauen, und kurz darauf taucht El Macho wieder auf, ein maskierter Schurke mit einer Geheimwaffe, die aus jedem Dr. Jekyll dauerhaft einen Mr. Hyde macht.

Parallel kümmert Gru sich um die drei Waisenmädchen, die er bei sich aufgenommen hat: Liebevoll organisiert er einen Kindergeburtstag für die kleine Agnes, und weil die Fee nicht kommen kann, schlüpft er eben selbst ins Tüllkleid. Margo verliebt sich zum ersten mal, ausgerechnet in den Eduardos Sohn, was Gru überhaupt nicht gefällt. Und eine halbdebile Nachbarin versucht penetrant, ihn mit Single-Frauen mittleren Alters zu verkuppeln, eine unmöglicher als die andere. In einem besonders schlimmen Fall im Restaurant ist es Lucy, die ihn erlöst – natürlich äußerst unorthodox in James-Bond-Manier.

Mancher Figur wird hier übel mitgespielt, mal bleibt ein Kopf in der Tür hängen und der Hals längst sich gefährlich, mal spielen die Minions Wilhelm Tell, was natürlich schiefgeht, mal rasen Gru und Lucy auf einer Rakete durch die Lüfte, dass sich die Gesichtszüge verzerren. Tonfall und Bildsprache bleiben dabei stets kindgerecht komödiantisch und verlassen das Cartoon-Universum nie – hier gibt es nicht den geringsten Zweifel, dass niemandem ernsthaft etwas passieren kann. Das verleiht Freiheit.

Die nuancenreich animierten Charaktere sind allesamt grandiose Karikaturen, in deren stark überzeichnetem Verhalten sich typisch menschlicher Alltagswahnsinn spiegelt. Jede kleine Geste wirkt genau im richtigen Maß übertrieben, ob Gru nun mit den Minions schimpft oder Eduardo in Latino-Großspurigkeit die Gummiarme ausbreitet.

Die zitatenreiche Agenten-Thriller-Persiflage ist in vielem näher an Bond als der heutige Bond selbst, vom konspirativen Treffen auf einem U-Boot bis zum futuristischen Superfahrzeug. El Macho karikiert als übergewichtiger Möchtegern-Superheld noch ein weiteres Genre, und in der Familienkomödie stimmen Emotionen und Reaktionen der Figuren bis ins kleinste Detail. Die Minions schließlich huldigen der reinen Anarchie – sie spiegeln ihre Schöpfer, denen eine Liebeserklärung an den Animationsfilm an sich gelungen ist.

Mit diesem turbulenten, intelligenten Kinospaß für alle Altersgruppen positioniert sich Universal als ernstzunehmende Konkurrenz für den Branchenprimus Disney/Pixar. Bereits 2014 soll ein Film in die Kinos kommen, in dem die Minions im Zentrum stehen und ihre Suche nach einem Bösewicht, dem sie dienen können. Das haben die hedonistischen Plagegeister wirklich verdient. Zu erwarten ist noch höherer Blödsinn, auf den sich Freunde gehobener Animationkunst jetzt schon freuen dürfen.

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