Stadtrat Christian Stähle (links) und Oberbürgermeister Guido Till haben ihre Dauerfehde beendet. Foto: StZ

Der Oberbürgermeister Guido Till und der Stadtrat Christian Stähle haben nie Getanes getan: Sie haben miteinander geredet.

Göppingen - Vielleicht wird es im Großen Sitzungssaal im Göppinger Rathaus demnächst ganz unsagbar langweilig. Vorbei die Zeiten, in denen Journalisten, Rathausmitarbeiter und Zuschauer donnerstags zu den Sitzungen des Gemeinderats pilgerten und sich schon Stunden vorher mit einer Mischung aus Vorfreude, Sensationslust und leichter Panik fragten, was sie wohl heute wieder erleben würden. Der Oberbürgermeister Guido Till (CDU) und der Linke-Stadtrat Christian Stähle haben das Kriegsbeil begraben. In Zukunft wollen sie sich auf die Sachpolitik konzentrieren und trotz häufig unterschiedlicher Ansichten friedlich bleiben.

Die Stadt verliert ein Alleinstellungsmerkmal

Für die Stadt Göppingen bedeutet das den Verlust eines Alleinstellungsmerkmals. Neun Jahre hatte sie angedauert, die Dauerfehde zwischen dem Konservativen und dem Linken. Seit der Wahl Stähles in das Gremium kannte man die beiden nur im Dauerclinch. Es hatte stellenweise hohen Schauwert, wenn letzterer sich im großen Sitzungssaal mal wieder in Rage redete, wenn ersterer genervt die Augen rollte oder demonstrativ weghörte und, statt zuzuhören, mit dem Baubürgermeister plauderte. Oder wenn bei der Besprechung kleinster Bauprojekte die Fetzen flogen. Wenn in der Region Stuttgart bisher in politischen Kreisen von Göppingen die Rede war hieß es gerne, „ach, die nette Stadt unterm Hohenstaufen, in der immer so viel gezankt wird...“. Wenn nun die Sachpolitik den Vorrang hat, ist es vermutlich vorbei mit der Berühmtheit.

Schuld daran ist der CDU-Fraktionschef Felix Gerber. Der bekennende Katholik hat sich als Friedensengel betätigt, einen Kontakt zwischen den Kontrahenten vermittelt und sich beim ersten persönlichen Gespräch der beiden, das überhaupt je stattgefunden hat, als Vermittler zur Verfügung gestellt und damit letztlich einen Vorschlag aufgegriffen, den vor Jahren bereits Stähles Fraktionskollege Michael Freche (Piraten) gemacht hatte.

Friedensgespräch im französischen Pessac

Dieser hatte bereits in seiner ersten Haushaltsrede eine Mediation zwischen den beiden empfohlen, was zunächst jedoch ungehört verhallte. Er sei, so berichtet Gerber jetzt, „im Gespräch mit Stähle darauf gekommen, dass es zielführend wäre, wenn die beiden ihre Dauerfehde beenden.“ Auch bei Till sei die Bereitschaft dagewesen, den Zwist zu beizulegen.

Auf der Suche nach neutralem Boden für ihr Friedensgespräch einigten sich die drei schließlich, eine Delegationsreise in die französische Partnerstadt Pessac zu nutzen. Dort setzten sich Till und Stähle zusammen mit Gerber an einen Tisch und waren am Ende selbst ganz überrascht, wie gut sie trotz ihrer unterschiedlichen Ansichten miteinander zurecht kamen.

„Das Gespräch war sehr konstruktiv“, berichtet Christian Stähle. „Es ist sehr gut verlaufen“, sagt auch Guido Till. Der Sozialist bescheinigt dem Konservativen „menschlich viel angenehmer“ zu sein als erwartet, der Konservative sagt über seinen Kontakt zu dem Linken: „Ich bin überzeugt, dass wir trotz unterschiedlicher Ansichten und Inhalte künftig fair miteinander umgehen werden.“ Stähle habe ihm die Hand gereicht, um die Vergangenheit zu begraben, und er habe die Hand gerne ergriffen.

Die Vergangenheit, das betonen beide, sei ad acta gelegt. Nun wolle man Sachpolitik machen und man sei zuversichtlich, dass dies gelinge. Mit dem Komödienstadel am Donnerstag ist es nun also erst mal vorbei. Mal sehen, ob, wann und zu welchem Stück, sich der Vorhang erneut hebt.