Mancher Autofahrer parkt in den Notfallbuchten, um das Bauwerk zu fotografieren– die erlaubte Höchstgeschwindigkeit wird sofort begrenzt. Foto: Schütte

Seit einer Woche atmet das Remstal auf: Der neue Gmünder Einhorn-Tunnel funktioniert technisch perfekt. Als Unsicherheitsfaktor in Deutschlands modernster und teuerster Ortsumfahrung zeigt sich allerdings der Mensch. Die Polizei staunt und warnt.

Seit einer Woche atmet das Remstal auf: Der neue Gmünder Einhorn-Tunnel funktioniert technisch perfekt. Als Unsicherheitsfaktor in Deutschlands modernster und teuerster Ortsumfahrung zeigt sich allerdings der Mensch. Die Polizei staunt und warnt.

Schwäbisch Gmünd - Die ausgefeilte Überwachungstechnik mit fast 100 Videokameras und einer komplexe mechanischen, thermischen und visuellen Sensorik hat in der ersten Woche des Tunnelbetriebs in Schwäbisch Gmünd mehrfach Alarm ausgelöst. Schon fünfmal drehten Autofahrer im Tunnel einfach um,

Der 2,2 Kilometer lange und 280 Millionen Euro teure Gmünder Einhorn-Tunnel kann mit seinen 300 Kilometer langen Nervensträngen (zum Beispiel Kontaktschleifen, Glasfaserkabel) und Computergehirn fühlen und denken wie kein anderes Straßenbauwerk im Land. Und so wundert er sich über manch menschliche Schwäche, die er nun in den ersten sieben Tagen seines Betriebs erlebt hat.

Schon fünf Mal sind in der relativ engen Gegenverkehrsröhre Autofahrer mitten im Tunnel auf die Bremse gestiegen, um halsbrecherische Wendemanöver einzuleiten. Weil normalerweise 80 Stundenkilometer erlaubt sind und der Tunnel viele Kurven hat, sind solche Manöver lebensgefährlich. Autofahrern, die umdrehen, drohen zudem Führerscheinentzug (ein Monat) und eine empfindliche Geldstraße (200 Euro). Der automatische Tunnelalarm drosselt sodann umgehend das Tempo vor und im Tunnel. Sollten die Sensoren eine Schleuderfahrt oder gar einen Unfall registrieren, wird der Tunnel automatisch gesperrt. Diese Informationen gelangen unverzüglich zur Verkehrsleitzentrale und damit zur Polizei.

Eindrücke des Bauwerks auf sich einwirken lassen

Ostalb-Polizeisprecher Bernhard Kohn hat für die seltsamen Wendemanöver nur eine Erklärung parat. „Die vielen in den Fahrzeugen eingebauten Navigationsgeräte kennen den neuen Tunnel im Remstal noch nicht. Wenn dann die strenge Computerstimme dem vermeintlich vom Kurs abgekommenen Autofahrer sagt, er möge doch sofort wenden, folgen manche Fahrzeuglenker dieser Anweisung – auch im Tunnel.“ Das sei aber mit gesundem Menschenverstand nicht nachvollziehbar. Das Einfachste und Sicherste sei, einfach bis zum anderen Portal weiterfahren, um sich dann an den dortigen Straßenverteilern wieder in die andere Fahrtrichtung einzuordnen. Dann kann sich das Navi am anderen Tunnelende wieder orientieren.

Tunnelmanager Peter Bauer (Verkehrsbehörde Landratsamt Ostalbkreis) staunt auch über eine weitere Verhaltensweise. Offenbar sei der Tunnel eine solche Attraktion, dass Autofahrer immer wieder in die Nothaltebuchten hineinfahren, um die Eindrücke des Bauwerks auf sich einwirken zu lassen. Doch auch das löse sofort einen Alarm aus, weil die Tunneltechnik dann ein liegen gebliebenes Pannen- oder Unfallfahrzeug registriert.

Fahrradfahrer verirren sich

Man tröstet sich bei den Behörden mit Legenden über eine Spezialität niederländischer Wohnwagenreisender, die die Alpen überqueren wollen: Wenn’s Wetter schlecht ist, heißt es, dann fahren sie mit ihren Gespannen in den trockenen Tunneln gerne rechts ran, um dort ihre Vesperpause einzulegen.

Im Gmünder Einhorn-Tunnel musste die Polizei in der ersten Woche zudem schon einschreiten, weil sich Fahrradfahrer dort hinein verirrt hatten. Entweder versehentlich oder auch, um einfach das Bauwerk hautnah zu besichtigen. Bei den Pedalrittern blieb es bisher bei strengen Ermahnungen, doch auch da dürfte es nach einer Woche nun Schluss mit lustig sein. Ansonsten heißt es beim Tunnelmanager für die neue, kreuzungsfreie Verbindung im Zuge der B 29 zwischen den Regionen Stuttgart und Ostwürttemberg: „Wir sind sehr zufrieden. Der Tunnel funktioniert problemlos und erzielt auch die erhoffte Wirkung aufs gesamte Verkehrsgeschehen in Schwäbisch Gmünd und Umgebung.“ Die Hoffnung von allen Beteiligten richtet sich nun auf einen zügigen Ausbau des restlichen Teilstücks dieser Verkehrsader von Gmünd bis nach Aalen.