Als der Usain Bolt seinen Sieg bereits feiert, kommt der eine oder andere TV-Zuschauer eben erst aus dem Bett. Foto: EPA

Olympia bei Nacht ist Mist – gerade wenn bei den Spielen historische Erfolge gefeiert werden. Zu diesem Schluss kommt Redakteur Jürgen Löhle in seiner Glosse.

Stuttgart - Wer zahlt, schafft an. So ist das nun mal und da ein amerikanischer Fernsehsender sehr viel Geld für die olympischen Senderechte bezahlt hat, wurden die großen Finals der Leichtathleten in der US-Prime-Time angesetzt. Das ist dann in Rio von 22 Uhr an und bei uns – nun ja um drei Uhr geht es los mit den Big Events, wie man das nennt. Das ist ungefähr die Zeit, die Menschen im Post-Club-Alter höchst selten wach und wohl gar nie wach und gleichzeitig stocknüchtern erleben. Aber Usain Bolt als Aufzeichnung im Frühstücksfernsehen – das geht gar nicht. Also Wecker auf 3.19 Uhr, das Rennen beginnt sechs Minuten später, das müsste für die paar Meter zum Fernseher reichen.

3:19 Uhr – das Smartphone bellt in die Dunkelheit. Das Hirn im Stand by Modus sendet Panikbotschaften. Was ist los? Erdbeben? Plötzliche Erblindung? Langsam wird klar – nichts davon. Bolt läuft gleich, exakt in vier Minuten. Auf dem Weg zum Wohnzimmer fällt der Blick aus dem Fenster auf die Häuserfronten. Alles dunkel, scheint keiner wach zu sein. Seltsame Falter umschwirren die Laternen, das war es auch. Die Stadt schläft. Noch schnell einen Espresso. Jetzt aber zur Glotze. Wer um alles in der Welt hat die Fernbedienung versteckt und vor allem wo? Endlich, die Kiste läuft, Usain Bolt erscheint, er hat sich in eine Fahne gehüllt und winkt ins Publikum. Es ist exakt 3.28 Uhr, das Rennen seit ein paar Sekunden Geschichte.

Warten auf die Wiederholung, des „historischen Erfolgs“, wie der Kommentator sagt. Aber das zieht sich, weil Herr Bolt auf seiner Ehrenrunde alle Zeit der Welt hat. Olympia bei Nacht ist irgendwie Mist, die Augen fallen zu. 4:45 Uhr: Lärm hinter der Haustür. Der Austräger hat die Zeitung in den Briefkasten gesteckt. Guter Mann.