Mehr Frauen sollen in der öffentlichen Verwaltung Führungspositionen übernehmen, wenn es nach Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) geht. Foto: ginae014/Fotolia

Grün-Rot will die 35 Landkreise sowie Städte ab einer Einwohnerzahl von 50 000 gesetzlich zur Bestellung von hauptamtlichen Frauengleichstellungsbeauftragten verpflichten. Überdies soll die Frauenbeauftragte nach dem Willen der Sozialministerin mehr Rechte und Einflussmöglichkeiten erhalten.

Der Plan

Grün-Rot will die 35 Landkreise sowie Städte ab einer Einwohnerzahl von 50 000 gesetzlich zur Bestellung von hauptamtlichen Frauengleichstellungsbeauftragten verpflichten. Überdies soll die Frauenbeauftragte nach dem Willen der Sozialministerin mehr Rechte und Einflussmöglichkeiten erhalten. Will sie beispielsweise eine Personalentscheidung beanstanden, so muss die Dienststellenleitung darüber schriftlich innerhalb einer bestimmten Frist entscheiden. Geschieht das nicht, wird laut Pressemeldung der Beanstandung automatisch entsprochen.

Nicht nur innerhalb der Behörden, auch gegenüber der Öffentlichkeit sollen die Frauenbeauftragten wirken und zu wichtigen Themen auf Kreisebene vernetzt sein. „So soll eine Art öffentliche Diskussionsplattform entstehen, die Frauen beispielsweise ermutigt, Einfluss zu nehmen und sich für Führungspositionen zu bewerben“, erklärt ein Sprecher des Sozialministeriums. Zu den Kosten der geplanten Maßnahmen könne er noch nichts sagen.

Die Eckpunkte des Gesetzes befinden sich derzeit in der Abstimmung mit dem Finanz- und dem Innenministerium. Aus dem Staatsministerium habe man aber bereits grünes Licht erhalten, so der Sprecher. Anders als beim Landesbehindertengleichstellungsgesetz im vergangenen Jahr: Damals hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) gegen das bereits mit allen Ministerien abgestimmte Gesetz sein Veto eingelegt. Das soll dieses Mal nicht passieren.

„Sicherlich haben einige Männer nun Angst davor, dass sich Frauen auf Staatskosten Vorteile verschaffen könnten“, so der Sprecher des Sozialministeriums. „Doch das geplante Gesetz markiert nicht in erster Linie einen Kampf gegen Männer, sondern einen Kampf für Frauenrechte“, betont er. Darum solle das neue Gesetz auch explizit „Frauengleichstellungsgesetz“ heißen.

Status quo

Doch wie ist die derzeitige Situation der Frauengleichstellungsbeauftragten im Land? Dem baden-württembergischen Städtetag zufolge wären 22 Städte von der Neuregelung betroffen. Von diesen verfügen 19 bereits über hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte. Deren Zuständigkeiten sind allerdings unterschiedlich ausgestaltet.

In Stuttgart beispielsweise gibt es eine Abteilung für individuelle Chancengleichheit von Frauen und Männern, die sich außer um Frauenrechte unter anderem auch um die Rechte Homosexueller kümmert. Wie geht es mit der Förderung dieser Gruppen weiter?

„Wenn das neue Gesetz in Kraft tritt, gibt es keine Chancengleichheitsbeauftragten mehr, sondern nur noch Frauengleichstellungsbeauftragte, deren Fokus aber klar und eindeutig darauf gerichtet ist, die Förderung der Frauen innerhalb und außerhalb der Dienststelle voranzubringen“, antwortet das Sozialministerium auf Anfrage. An wen sich dann etwa Homosexuelle wenden können, lasse sich aus den momentan vorliegenden Eckpunkten nicht ableiten. „Dazu müssen wir den ausgearbeiteten Gesetzentwurf abwarten“, sagt der Ministeriumssprecher.

Was die 35 Landkreise betrifft, sind dort zur Zeit 15 Frauenbeauftragte hauptamtlich beschäftigt, einige davon auch in Teilzeit. Sowohl in den Städten als auch in den Landkreisen haben die Gleichstellungsbeauftragten bereits Aufgaben innerhalb der Verwaltung und nach außen hin.

Gleichberechtigung?

„Die Frauenbeauftragten, die es schon gibt, sind gut etabliert und akzeptiert“, sagt Christa Heilemann vom Landkreistag. Das bestehende Chancengleichheitsgesetz biete zahlreiche Ansätze zur Gleichberechtigung, die aufgrund der unterschiedlichen Größe der Landkreise jeweils verschieden umgesetzt würden. Dass die Stellen der Verantwortlichen sehr unterschiedlich ausgestaltet sind, bestätigt auch Diana Bayer, Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Frauenbeauftragten Baden-Württemberg.

Ihrer Meinung nach werden die Frauenbeauftragten jedoch immer wieder in Frage gestellt, so wie jüngst in Sigmaringen. Dort sollte die Stelle nach 20 Jahren gestrichen werden. „Der Abbau von Benachteiligungen darf nicht auf freiwilliger Basis geschehen“, fordert Bayer. Denn noch zählen die Stellen zu den kommunalen Freiwilligkeitsleistungen – und können daher Sparzwängen zum Opfer fallen.

Trotzdem betrachtet man das Vorhaben Altpeters auch beim Städtetag skeptisch: „Mir stellt sich die Frage, ob ein neues Gesetz wirklich notwendig ist“, sagt die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin Stefanie Hinz und verweist auf die bereits vorhandenen Gleichstellungsbeauftragten, die unter dem Stichwort Diversity arbeiten und sich – wie in Stuttgart – nicht nur um Frauen, sondern um unterschiedlichste gesellschaftliche Gruppen kümmern. „Wir sind da schon auf einer anderen Schiene unterwegs“, erklärt Hinz.

Finanzierung, Selbstverwaltung, Bedenken

Finanzierung

Die Vertretungen der Landkreise und Kommunen beteuern, man müsse die genaue Ausgestaltung des Gesetzes noch abwarten, bevor man klar Position beziehen könne. Der Gemeindetag äußert sich daher noch gar nicht zu den geplanten Maßnahmen.

Die großen Streitpunkte zeichnen sich bereits ab – etwa die Frage der Finanzierung. Von Seiten des Sozialministeriums heißt es, die Tätigkeiten der Frauengleichstellungsbeauftragten gegenüber der Öffentlichkeit könnten möglicherweise unter das Konnexitätsprinzip fallen – das würde bedeuten, dass das Land dafür zahlt. Im Doppelhaushalt sind für Frauenförderung im kommunalen Bereich für 2015 und 2016 jeweils 2,5 Millionen Euro vorgesehen, erklärt das Finanzministerium.

Für einige Kommunen ergäbe sich sogar ein Mitnahmeeffekt – für Leistungen, die sie bereits selbst finanzieren, erhielten sie dann Geld des Landes. „Es müssen alle gleich behandelt werden“, mahnt der Landkreistag in diesem Zusammenhang. „Dass es eine strukturelle Mehrbelastung geben könnte, sehen wir kritisch“, sagt Stefanie Hinz.

Selbstverwaltung

Doch das ist nicht der einzige Reibungspunkt. Dass einer Beanstandung der Frauenbeauftragten nach Ablauf einer bestimmten Frist automatisch entsprochen werden soll, greife in die kommunale Selbstverwaltungshoheit und gegebenenfalls auch in die Befugnisse der Bürgermeister und des Gemeinderats ein, erklärt Hinz. Mit einer entsprechend kurzen Frist seien Kommunen mit wenig Personal schlicht überfordert. „Die müssen ja auch noch das Tagesgeschäft bewältigen“, gibt sie zu bedenken. Auch Christa Heilemann vom Landkreistag findet die Frist „grenzwertig“, weil sie massiv in die Rechte der Personalvertretung eingreife.

Bedenken

Die Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Frauenbeauftragten hat andere Bedenken. „Wir fragen uns, was in Städten wie Fellbach passieren wird, die unter 50 000 Einwohner haben.“ Dort, so die Befürchtung, könne das neue Gesetz Gelegenheit bieten, die Frauenbeauftragte abzuschaffen – nämlich mit der Begründung, dass sie ja erst ab 50 000 Einwohnern vorgeschrieben ist. Um ihre Wächterfunktion richtig ausüben zu können, müsse die Frauengleichstellungsbeauftragte außerdem in der Verwaltungsspitze angesiedelt sein.

Auch die Qualifikation spiele eine wichtige Rolle – „ein Hochschulstudium ist eine grundlegende Voraussetzung für effiziente Arbeit in dieser Position“, sagt Sprecherin Diana Bayer. Generell sei die gesetzliche Verankerung aber ein richtiges Signal, insbesondere im ländlichen Raum. Stefanie Hinz vom Städtetag sieht das anders: „Ob die Arbeit der Frauenbeauftragten fruchtet, hängt vom Umfeld ab. Wo sie von der Verwaltungsspitze ausgebremst wird, ändert auch eine gesetzliche Verankerung nichts.“

In der Opposition will man abwarten, was die Ressortabstimmungen ergeben. Nur so viel: „Wir haben Vertrauen in unsere Kommunen. Sie haben das bisher eigenverantwortlich gut geregelt“, erklärt ein Sprecher der CDU-Land- tagsfraktion. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP, Jochen Haußmann, ist weniger zurückhaltend. Er kritisiert einen „unnötigen Bürokratieaufbau“, der „2,5 Millionen Euro Steuergelder“ koste und fordert stattdessen konkrete Maßnahmen, etwa Modelle zur erfolgreichen Rückkehr auf einen qualifizierten Arbeitsplatz nach der Familienphase.