Gianis Varoufakis' sollte bei Günther Jauch zu seiner Stinkefinger-Geste aus dem Jahr 2013 Stellung nehmen. Foto: I&U TV Produktion GmbH & Co. KG

Ob Peer Steinbrück oder Stefan Effenberg - dass der Stinkefinger Pech bringt, ist hinlänglich bekannt. Deshalb besteht Griechenlands Finanzminister auch darauf, ein entsprechendes Video sei nicht echt. Doch, sagt die Redaktion von Günther Jauch.

Berlin/Athen - So erlebt man Gianis Varoufakis selten. Über Stunden absolute Funkstille beim populären Finanzminister nach dem vermeintlichen Stinkefinger-Gate bei Günther Jauch. Der smarte Grieche ist einfach abgetaucht. Seine Gemütslage dürfte unschwer zu erraten sein.

Wurde der Grieche, wie er es selbst sieht, bei seinem ersten großen Live-Auftritt im deutschen Fernsehen in die Pfanne gehauen - oder verlor er vor 5,22 Millionen Zuschauern schlicht die Nerven und log, was seiner angekratzten Reputation im Kreis der Euro-Minister den Rest geben könnte?

Varoufakis nennt Video "getürkt"

Steif und fest behauptete der aus Athen zugeschaltete Varoufakis am Sonntagabend im ARD-Talk, ein von Jauch eingespieltes Youtube-Video, auf dem er den Deutschen symbolisch den Mittelfinger zeigt, sei eine Fälschung. Die Geste sei hineinmontiert worden. „Das ist getürkt. Das hat es nicht gegeben“, schimpft er. Er schäme sich, dass ihm so etwas zugetraut werde.

Jauch schaute ziemlich perplex. Seine Redaktion und die Twittergemeinde warfen noch in der Nacht die Recherchemaschine an. Am Montag verschickte Jauchs Produktionsfirma diese Mitteilung: „Nach bisherigem Kenntnisstand kann die Redaktion von Günther Jauch keinerlei Anzeichen von Manipulation oder Fälschung in dem während der Live-Sendung gezeigten Video feststellen.“ Mehrere Netzexperten seien aber noch an der Sache dran.

Später meldet sich Varoufakis doch noch zu Wort. Er bleibt bei seiner Darstellung. „Es ist der beklagenswerte Versuch, eine TV-Show zu torpedieren, in der ich versucht habe, dem deutschen Publikum eine Hand der Freundschaft anzubieten“, zitiert „Spiegel Online“ den Minister. Es sei unvorstellbar, dass die Jauch-Leute nicht gewusst hätten, „dass das Video gefälscht wurde“.

Kritik an Jauchs Sendung

Im Netz drehte sich die Debatte nicht nur um die Echtheit des Videos vom Mai 2013, sondern auch um die redaktionelle Einbettung des Beitrags. So meinte nicht nur der Medienkritiker Stefan Niggemeier, Varoufakis’ Aussage sei durchaus verfälscht worden, weil für die Zuschauer der Kontext nicht klar erkennbar gewesen sei. Varoufakis hatte damals auf einer Bühne in Zagreb als Wissenschaftler die eigenen Politiker in Athen attackiert.

An deren Stelle hätte er 2010 sein Land, nach dem Vorbild Argentiniens, noch vor dem ersten Hilfspaket in die Pleite geschickt, und damit Deutschland letztlich den Mittelfinger nach dem Motto gezeigt: „Ihr könnt das Problem jetzt allein lösen“, sagte Varoufakis.

Im Beitrag, wo nur kurz das Datum „Mai 2013“ eingeblendet wurde, und bei Jauchs Überleitung kam das anders rüber. Wer flüchtig zuhörte und zuschaute, konnte womöglich glauben, es sei eine aktuelle Aussage: „Der Stinkefinger für Deutschland, Herr Minister. Die Deutschen zahlen am meisten und werden dafür mit Abstand am meisten kritisiert. Wie passt das zusammen?“, fragte Talkmaster Jauch seinen Stargast. NDR-Chefredakteur Andreas Cichowicz twitterte: „Dass er (Varoufakis) sich auf 2010 bezog, hätte man allerdings sagen sollen.“

Der Stinkefinger kann nach hinten losgehen

Mit dem Stinkefinger sind schon einige Promis auf der Nase gelandet.

Beispiel Stefan Effenberg: Im WM-Spiel 1994 in den USA gegen Südkorea wird der „Tiger“ ausgebuht und ausgewechselt - beim Abgang vom Platz zeigt er deutschen Fans, was er von deren Kritik hält. Effenberg fliegt aus dem Kader.

Beispiel Peer Steinbrück: Im Wahlkampf 2013 weiß der frustrierte SPD-Kanzlerkandidat längst, dass das Rennen ums Kanzleramt verloren ist. So erscheint er wenige Tage vor der Wahl auf dem Titel des Magazins der „Süddeutschen Zeitung“ in grimmiger Stinkefinger-Pose.

Bitter für Varoufakis wäre die Sache, weil er bei Jauch, wo noch zwei Journalisten und Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) saßen, Chef im Ring war. Geschmeidig umschiffte er alle Fragen nach leeren Kassen, gebrochenen Versprechen und inszenierte sich als überzeugter Europäer im Rockstar-Format. Bei Jauch wollte er eigentlich sein neues Buch promoten. Dazu kam es dann nicht mehr.

An Varoufakis würde kleben bleiben, dass er gelogen hat - es sei denn, es tauchen Belege für seine Fälschungsthese auf. Hätte der Grieche kühlen Kopf bewahrt und Jauch erwidert, das sei doch ein alter Hut aus seiner Vor-Ministerzeit und habe mit der aktuellen Schuldenkrise rein gar nichts zutun, wäre er wohl einigermaßen aus der Nummer herausgekommen. Oder er hätte sich auf Erinnerungslücken berufen. Mit einem Rücktritt wegen des Fingers rechnet in Athen vorerst niemand - jedoch könnte Varoufakis irgendwann für Syriza-Premier Alexis Tsipras den Sündenbock geben, um die Gläubiger zu besänftigen.