Teilnehmer einer Demonstration ziehen im Rauch von Pyrotechnik durch die Innenstadt. (Archivbild) Foto: dpa/Andreas Rosar

Der Krieg in der Ukraine könnte Linksextremisten zu neuer Gewalt animieren. Die Sicherheitsbehörden berichten bereits von einer Schwerpunktverschiebung innerhalb der Szene.

Regierungsparteien, die Bundeswehr und Rüstungskonzerne geraten im Zuge des Ukraine-Kriegs nach Ansicht von Innenminister Thomas Strobl zunehmend ins Visier von gewalttätigen Linksextremisten. Es sei davon auszugehen, dass „alle, die aus Sicht der linken Szene als Kriegstreiber angesehen werden, auch gefährdet sind, Opfer eines Anschlags zu werden“, sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. „Hierzu zählen insbesondere die Regierungsparteien, die Bundeswehr und Unternehmen mit Bezügen zur Rüstungsindustrie.“ Man werde die Entwicklung sorgfältig beobachten.

Strobl sagte, mit Beginn des russischen Angriffskriegs spiele in der hiesigen linksextremistischen Szene neben dem „Antifaschismus“ zunehmend auch der „Antimilitarismus“ wieder eine Rolle. In diesem Zusammenhang seien bereits einige Straftaten in Baden-Württemberg verübt worden - bislang vor allem Farbanschläge. „Wenn sich die Lage in der Ukraine und die Auswirkungen auf Deutschland zuspitzen, müssen wir allerdings auch hier damit rechnen, dass sich diese Szene radikalisiert.“

Fassade des Stuttgarter SPD-Büros mit Farbe beschmiert

Ende April wurde nach Angaben des Landesverfassungsschutzes die Fassade des Stuttgarter SPD-Büros mit roter Farbe beschmiert. Damit sollte die Partei „als Kriegstreiber markiert“ werden, heißt es in einem Schreiben auf der von Linksextremisten genutzten Internetplattform „de.indymedia.org“. Durch die Tat sei „das Blut der Arbeiter:innen der Welt, das durch ihre Waffen zweifelsohne fließen wird, symbolisch an die Fassade“ gebracht worden. Am Ende des Beitrags wird dazu aufgerufen, antimilitaristisch aktiv zu werden, die „Kriegsindustrie“ zu stören, Waffenexporte blockieren und revolutionär für ein anderes System zu kämpfen.

Nur einen Tag später wurden die Fenster einer Filiale der Deutschen Bank in Waiblingen mit dem Schriftzug „Kriegsprofiteure“ versehen. Im Mai wurde in einem Stuttgarter Einkaufszentrum ein Informationsstand der Bundeswehr mit Farbe beschädigt. Anfang April wurden auf „de.indymedia.org“ zudem unter der Überschrift „Rüstungsindustrie angreifen!“ Adressen von Unternehmen veröffentlicht.

„Antimilitarismus“ gewinnt als Motiv an Bedeutung

Der „Antimilitarismus“ gewinnt in der Szene als ideologisches Motiv an Bedeutung. Die Radikalisierung im Bereich des „Antifaschismus“, vor allem in Teilen der gewaltorientierten Szene des Großraum Stuttgart, hätte sich zuletzt hingegen nicht verstetigt, so das Innenministerium.

Linksextremistische Angriffe nahmen 2021 im Südwesten insgesamt deutlich zu. Der Geheimdienst verzeichnete im vergangenen Jahr 659 entsprechende Straftaten im Land, 2020 waren es noch 455 - eine sprunghafte Steigerung von knapp 45 Prozent. So steht es im neuen Verfassungsschutzbericht, den Innenminister Strobl am Donnerstag in Stuttgart vorstellte. Die Gewalttaten in dem Bereich stiegen von 59 auf 62 Fälle im vergangenen Jahr. Der linksextremistischen Szene in Baden-Württemberg werden derzeit 2790 Personen zugerechnet, darunter 860 gewaltbereite.

Straftaten im ersten Quartal wieder zurückgegangen

Allerdings geht das Innenministerium davon aus, dass der sprunghafte Anstieg der Straftaten mit den Wahlen im vergangenen Jahr zusammenhängt - und damit nur ein vorübergehendes Phänomen darstellt. Das bestätigen auch neue Zahlen zu linksextremer Kriminalität, die der dpa vorliegen. Demnach sind die linksextremistischen Straftaten im ersten Quartal 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum wieder deutlich zurückgegangen - die Zahl der Fälle hat sich von 191 auf 97 fast halbiert. „Der deutliche Rückgang linksmotivierter Straftaten ist vor dem Hintergrund des deutlichen Anstiegs dieser Straftaten im letzten Jahr im Kontext der Wahlen zu bewerten“, heißt es aus dem Ministerium. Dagegen lag die Zahl der Gewaltdelikte mit 10 (2021: 4) Fällen in den ersten drei Monaten über dem Vorjahresniveau.