Ambulante Pflegedienst sollen helfen, häusliche Gewalt an älteren Frauen frühzeitig zu erkennen. Foto: dpa

Frauen, die im Alter von ihren Männern misshandelt werden, suchen selten Hilfe. Sie schämen sich und haben Angst, ihren Partner zu verlassen. Der Ludwigsburger Verein Frauen für Frauen möchte den Frauen helfen, von ihren gewalttätigen Männern wegzukommen. Über die Mitwirkung von ambulanten Pflegediensten.

Ludwigsburg - Es gibt ältere Frauen, die seit mehr als 30 Jahren unter ihrem gewalttätigen Partner leiden. Schlimmer noch, mit fortschreitenden Alter spitzt sich die Gewalt oft zu. Adelheid Herrmann, Leiterin eines Beratungszentrum für misshandelte Frauen in Ludwigsburg, kennt solche Schicksale. Erschreckend sei zudem, dass sich nur die wenigsten der gepeinigten Frauen Hilfe suchen – sei es aus Angst oder aus Scham. Was nicht selten die Dramatik solcher Fälle erhöht, wenn zur Gewalt im hohen Alter noch Pflege- und Hilfsbedürftigkeit hinzukomme.

Der Verein Frauen für Frauen, der in Ludwigsburg auch ein Frauenhaus leitet, möchte auf diese bisher wenig beachtete Gruppe aufmerksam machen. Daher hat der Verein mit der Ludwigsburger Polizei, dem Klinikum Ludwigsburg und dem Landkreis Ludwigsburg eine Arbeitsgruppe zum Thema „Häusliche Gewalt im Leben älterer Menschen“ gegründet.

Ein Resultat dieser Initiative ist ein Fragebogen, mit dem ambulante Pflegedienste misshandelte Frauen schneller erkennen sollen. Vermuten die Altenpfleger, dass eine ältere Frau von ihrem Mann geschlagen wird, tragen die Pfleger ihre Beobachtungen ein und werten den Fragebogen mit ihrer Leitung aus. Teilt diese den Verdacht, wird der Verein Frauen für Frauen alarmiert. Der Verein meldet sich dann bei den betroffenen Frauen und bietet Hilfe an.

Viele Frauen wollen ihren Mann nicht verlassen

„Wir gehen zu den Frauen und sprechen über ihre Möglichkeiten, der Gewalt ein Ende zu setzten“, sagt Herrmann. Die Reaktionen der Frauen seien meist defensiv. Oft hätten sie die Beziehung zu ihren Kindern für ihren gewalttätigen Mann geopfert. Ihn jetzt zu verlassen sei meist keine Option, denn so wäre das jahrelange Ringen dann umsonst gewesen.

Viele der Frauen könnten es sich nicht vorstellen, als geschiedene Frau zu leben. Das passe nicht zu ihrer Vorstellung vom eigenen Leben. Eine räumliche Trennung hingegen, bei der beispielsweise einer der beiden ins Pflegeheim geht, sei ein Kompromiss: Die Frauen blieben verheiratet und wahrten damit ihr Gesicht in der Öffentlichkeit. Gleichzeitig seien sie von ihrem Partner getrennt.

20 Anzeigen im Landkreis Ludwigsburg

Wie viele ältere Frauen von ihren Männern geschlagen werden, darüber gibt es keine Erhebungen. 20 Fälle häuslicher Gewalt an Frauen über 60 Jahren wurden laut der Polizei kreisweit im Jahr 2015 angezeigt. Tendenz steigend. „Die Dunkelziffer der betroffenen Frauen ist groß. Viele ältere Frauen erstatten keine Anzeige gegen ihren gewalttätigen Partner“, sagt Karin Stark von der Polizei Ludwigsburg, Umso wichtiger sei es, Gewalt frühzeitig zu erkennen – auch vom Pflegepersonal, sagt Stark.

Der Fragebogen der Arbeitsgruppe ist ein erster Schritt zur Prävention. Er hilft jedoch nur Betroffenen, die einen ambulanten Pflegedienst nutzen. Für weitere Projekte fehlen Konzepte. „Das liegt daran, dass wir dafür vom Land keine verlässliche Finanzierung erhalten“, sagt Herrmann.