Der Preisverfall bei Getreide hat einem Agrarunternehmen das Geschäft verhagelt. Jetzt stehen die Chefs wegen Betrugs vor dem Landgericht Stuttgart. Foto: dpa

Die beiden Chefs eines Landhandelsunternehmen, das unter anderem mit Dünger und Getreide Geschäfte machte, haben vor dem Landgericht Stuttgart gestanden, sich Millionen erschlichen zu haben. Sie hätten die Firma retten wollen, so die Angeklagten.

Stuttgart - Nein, die beiden 68 und 49 Jahre alten Männer, die sich vor der 10. Strafkammer des Landgerichts verantworten müssen, sind sicher keine Profi-Kriminellen. Die ehemaligen Chefs eines Agrarunternehmens aus dem Kreis Heidenheim wollten vielmehr ihre Firma und die Arbeitsplätze retten – sagen sie jedenfalls. Dabei sind sie, wie sie am Mittwoch gestanden haben, sehenden Auges zu Betrügern geworden.

Die Angeklagten, Kaufleute mit landwirtschaftlichem Hintergrund, hatten 2005 das Landhandelsunternehmen gegründet. Die Geschäfte liefen gut, doch die Finanzmarktkrise 2008 führte zu einem massiven Preisverfall bei Getreide und Düngemitteln, den Haupteinnahmequellen der Firma. „Die Preise hatten sich halbiert, die Lagerkosten blieben hoch, wir konnten keine Gewinne mehr erzielen“, sagt der 68-jährige Angeklagte. Die Eigenkapitaldecke der jungen Firma sei einfach zu dünn gewesen. „Wir hatten gehofft, die Marktschwäche überstehen zu können“, ergänzt der 49-Jährige. Ein Trugschluss.

Firma war schon 2009 pleite

Bereits 2009 seien die GmbH und die KG pleite gewesen, so der Staatsanwalt. Insolvenzantrag hatten die Kaufleute erst viel später gestellt. Um schnell an Geld zu kommen, wandten sich die Unternehmer an eine Finanzierungsgesellschaft mit Sitz in Stuttgart. Man schloss sogenannte Factoring-Verträge ab. Was im Wirtschaftsdeutsch mit Debitor, Factor, Kreditor, Delkredere- und Veritätsrisiko kompliziert umschrieben wird, ist eigentlich ganz simpel. Eine Firma liefert an einen Kunden Waren oder erbringt Dienstleistungen. Weil die Firma klamm ist und nicht warten will oder kann, bis die Rechnung bezahlt wird, verkauft sie ihre Forderung an eine Factoring-Gesellschaft – selbstverständlich gegen Gebühr. Das Factoring-Unternehmen begleicht die Rechnung mit Abschlag und treibt das Geld beim Kunden wieder ein.

Ein völlig legales Geschäft. Allerdings sollten den Rechnungen auch gelieferte Waren oder Dienstleistungen gegenüberstehen. Das soll bei den Angeklagten nicht der Fall gewesen sein. Sie sollen der Stuttgarter Firma Rechnungen für Düngemittel, Braugerste, Winterweizen und lose Dinkelkerne verkauft haben, die sie nie an Kunden geliefert hatten – Luftrechnungen. So sei der Factoring-Gesellschaft ein Schaden von 988 000 Euro entstanden, sagt der Staatsanwalt.

Richter signalisieren Bewährungsstrafen

Da diese Masche nicht ausreichend Geld in die bankrotte Firma spülte, sollen sich die Männer zusätzlich bei einer Bank ein Darlehen in Höhe von rund zwei Millionen Euro erschlichen haben. Der 68-Jährige soll die falsche Bilanz einer „wirtschaftlich gesunden“ Firma vorgelegt haben. Als Sicherheit boten die Unternehmer vier Millionen Kilogramm Düngemittel an, die in Wirklichkeit gar nicht mehr vorhanden waren. Denn das Material war bereits anderen Banken sicherheitsübereignet gewesen.

Als er vor den Scherben seiner beruflichen Laufbahn stand – immerhin hatte er 33 Jahre bei derselben Firma gearbeitet, ehe er sich voller Elan selbstständig machte –, versuchte sich der 68-Jährige 2010 umzubringen. „Ich habe schwere Fehler gemacht. Ich bereue mein Fehlverhalten zutiefst“, so der Angeklagte.

Die Richter haben bereits signalisiert, dass die zwei geständigen Männer mit Bewährungsstrafen rechnen können.