Vor der dynamischen Kulisse des Kirchheimer Güterbahnhofs stimmt der Sepp auf Anhieb einen schmissigen Jodler an. Foto: Michael Steinert

Das Reisen war schon immer sein Ding. Doch gleich danach kam und kommt für den 74-Jährigen die Musik. Statt des Watzmanns eignen sich für spontane Kostproben der Jodelkunst die Treppenhäuser von Einkaufszentren.

Kirchheim - Seinen bürgerlichen Namen hält der rührige Mittsiebziger für nicht so wichtig, denn man kenne ihn in der Gegend ja kurz und bündig als Taxi-Sepp. Seit 15 Jahren steht er in den Diensten der Bissinger Taxiunternehmerin Beate Romagnoli. Und sie nennt der Sepp seine Lieblingschefin, schließlich weiß er aus seiner aktiven Zeit als Musiker noch zur Genüge um die Bedeutung von Komplimenten, besonders der Damenwelt gegenüber – und prompt schickt der Kavalier alter Schule auch gleich seiner Teamkameradin Monika die schmeichelhafte Titulierung einer Lieblingskollegin hinterher.

Der Sepp stammt aus dem bayrisch-schwäbischen Harburg bei Donauwörth, was für eine Jodelkarriere auf jeden Fall schon mal eine wichtige folkloristische Starthilfe ist. Gelernt hat er Werkzeugmacher, als Monteur für unterschiedlichste Transportanlagen konnte er in bald 30 Jahren sein Reisefaible pflegen und Europa von Kopenhagen bis Madrid, von Genf bis Skopje kennenlernen.

Jodeln an der Echowand

Entfacht worden ist Sepps Musikleidenschaft in jungen Jahren durch Lieder wie „Brennend heißer Wüstensand“ oder die sentimentale Hymne vom Pferdehalfter an der Wand. Dazu hat er sich das Gitarren- und Mundharmonikaspiel selbst beigebracht und ist mit einer trommelkundigen Freundin durch Gasthäuser getingelt. Um später bei den Countrysongs und speziell den Johnny-Cash-Hits den rechten Ami-Slang zu treffen, mischte sich der Sepp eigens unter die G.I.s – sei es in Bars und Barracks, Mess-Halls und NCO-Clubs.

Zu seinen Glanzzeiten, er selbst spricht lieber von „Lehrjahren“, ist der Jodelfreund in den 1980er-Jahren per Schiff über den Königssee getuckert und hat an der berühmten Echowand, ganz in der Nähe des Watzmanns, seine Kunst quasi mehrstimmig hochleben lassen – begleitet von einem Musiker an der steirischen Ziehorgel. Wieder an Land, diente dem Sepp zeitweise ein silbergrauer Jaguar XJ6 mit blaugetönten Scheiben und Teakholzarmaturen zur Fortbewegung – bei einem Spritverbrauch von schlappen 23 Litern auf 100 Kilometer, wie er sich mit Schmunzeln erinnert .

Gern blickt der 74-Jährige auch auf die Begegnung und Zusammenarbeit mit dem Jodlerkönig Franzl Lang zurück. Der habe zwar einem gemeinsamen Bühnenauftritt zunächst etwas skeptisch entgegengesehen, hinterher aber sei der Franzl mit dem Sepp hoch zufrieden gewesen und habe sein Lob in ein knappes „Passt scho!“ verpackt. Zudem gab der Jodlerkönig seinem Bühnenkompagnon einige wichtige Tipps mit auf den Weg.

Seit 1978 wohnt der Sepp in Göppingen, sein Ankerplatz mit dem Taxi ist aber der Kirchheimer Bahnhof. Von dort aus geht er immer an den Wochenenden auf Tour. 80 Prozent seiner Stammgäste, so sagt er, schätzten seine Dienste nicht zwingend wegen der Musik und der Jodlerei, sondern weil man sich mit ihm über vielerlei Themen austauschen könne.

Taxifahrt mit Gesangseinlage

Bei der Fahrt mit vier Amerikanern vor kurzem nach Frankfurt habe das Stimmungsbarometer freilich rasch nach oben gezeigt und so Klassikern wie „Ring of Fire“, „Cotton Fields“ und „Gypsy Woman“ zum unüberhörbaren Durchbruch verholfen. Und der Abschied von einem Chinesenquartett in Stuttgart fiel einmal so innig aus, dass die Polizei einschritt, weil sie ein gegenseitiges Erwürgen befürchtete.

Weit unspektakulärer, aber gleichwohl herzlich fiel ein spontaner Jodelauftritt Sepps zusammen mit der Seniorenband Herbstwind in einem Kirchheimer Altenheim aus. Sepp im Rückblick: „Die Leutchen schmissen ihre Gehhilfen weg und haben getanzt wie der Lump am Stecken.“

Hat der 74-Jährige längst die Watzmannwand mit den echotauglichen Treppenhäusern schwäbischer Einkaufszentren vertauscht, um spontane Kostproben seiner Jodelkünste zu geben, so treibt ihn dennoch ein ganz spezifischer Wunschgedanke um: Dass er nämlich, flankiert von jeweils drei Chorsängerinnen und begleitet vom Ziehharmonikaspieler Robert aus Fellbach, vom Kirchheimer Rathausturm herab seine gejodelten „Bergvagabunden“ weithin erschallen lässt.