Hier sind einige kleine Hunde mit der Pflegerin Petra Veiel zu sehen – gefunden hatte man jedoch mehr als 60 von ihnen, und das auf auf engstem Raum. Foto: Tierheim

Das Bewusstsein für das Leid von Haustieren nimmt ab, beklagen Experten. Der jüngste Fall von fast hundert geretteten Katzen und Hunden zeigt einmal mehr: Auch mitten in Wohngebieten wird tierschutzwidrig gezüchtet.

Die gute Nachricht vorweg: den fast einhundert Hunden und Katzen, die vor gut drei Wochen von der Polizei und der städtischen Tierschutzbehörde beschlagnahmt und ins Botnanger Tierheim gebracht wurden, geht es gut, ihre Vermittlung läuft gut an. „Einige haben bereits ein tolles Zuhause gefunden, einige sind gerade kurz vor dem Umzug. Es gibt hier schon für einige ein Happy End“, sagt Petra Veiel, die Sprecherin des Tierheims. Sie ist für die Vermittlung des unerhofften Zuwachses zuständig und berichtet, dass es „keine ernsthaften Krankheiten“ unter den geretteten Tieren gegeben habe.

Tierzucht in Mehrfamilienhäusern

Die Frage bleibt, wie es in so einem dicht besiedeltem Gebiet wie Stuttgart möglich ist, dass so viele Tiere auf engem Raum gehalten werden konnten. Die Details geben zu denken: Fall eins, die Zucht und Haltung von 18 Katzen, fand in einer zentral gelegenen Vier-Zimmer-Wohnung von etwa 80 Quadratmetern statt. Zwei Zimmer davon waren für die Katzen nicht zugänglich. Fall zwei mit neun Katzen war in einer bewohnten Erdgeschosswohnung eines Mehrfamilienhauses mit Gartenanschluss in einer Randlage der Stadt. Und die 68 Hunde wurden in einem bewohnten Einfamilienhaus mit Garten in Stadtlage gefunden. „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass alle drei Haltungen in bewohnten Wohnungen beziehungsweise Häusern in ,normaler’ Nachbarschaft anzutreffen waren“, berichtet der Stadtsprecher Harald Knitter.

Die Behörden haben schnell gehandelt: Fall eins wurde am 11. Januar gemeldet, am 12. Januar wurden die Katzen vom Vollzugsdienst von diesem Ort weggenommen. Auch im Fall zwei mit neun Katzen wurde im Januar binnen eines Tages gehandelt. Bei den Hunden dauerte es sechs Tage, da hier eine tierschutzrechtliche Erlaubnis für eine Hundezucht vorlag.

Meldungen über schlechte Tierhaltung nehmen zu

„In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Tierhaltungen, welche gravierende Mängel aufweisen und in denen Tiere fortgenommen oder auch beschlagnahmt werden mussten, stark zugenommen“, berichtet Knitter. Sehr viele Tierhalter besäßen nicht die erforderliche Zuverlässigkeit und Sachkunde, ihre Tiere betreffend. Mit der „Ware Tier“ könne eben viel Geld verdient werden, sagt er. Um solchen Fällen nachzugehen, ist die Stadt auf die Hilfe der Bürger angewiesen. „Die Stadt nimmt Meldungen über tierschutzwidrige Tierhaltungen sehr ernst und geht konkreten Hinweisen immer nach“, sagt Knitter. Außerdem sei die Stadt bestrebt, sobald wie möglich die Situation und die Tierhaltung vor Ort durch Amtsveterinäre oder den städtischen Vollzugsdienst prüfen zu lassen. Häufig könnten Missstände auch schon mit Auflagen unterbunden werden. Deren Einhaltung müsse jedoch überprüft werden: „Das geht nur im Rahmen der vorhandenen beschränkten Personalkapazitäten. Eine Aufstockung konnte bisher nicht erreicht werden, wird aber angestrebt.“

Wenig Bewusstsein für das Leid der Tiere

Ein eigenes Thema sind Qualzuchten in dem Sinne, dass krankhafte Entwicklungen und Gendefekte aus der Zuchtfolge sogar noch gestärkt werden. Katzen mit Knickohren, Hunde mit sehr kurzen Schnauzen und großen Kinderaugen – das finden einige Leute schick und bezahlen dann sogar einiges mehr für so ein Tier. Entsprechend verlockend ist deren Weiterzucht. „In der Bevölkerung ist das Bewusstsein für Defektzuchten und das damit verbundene Leiden der Tiere wenig vorhanden“, sagt Knitter, „viele informieren sich vor dem Kauf eines Tieres nicht über die Erkrankungen, die mit den Rassen verbunden sein können.“

Vermittlung läuft gut an

Das Tierheim ist für all diese Tiere ein sicherer Hafen, es ist sogar verpflichtet, Fund- und Verwahrtiere aus Stuttgart aufzunehmen. Dafür gibt es einen Verteilerschlüssel: Pro Einwohner und Jahr überweist die Stadt derzeit 87 Cent, insgesamt sind das etwas mehr als 530 000 Euro. Viel zu wenig, um damit allein die Routinearbeiten stemmen zu können, geschweige denn solche Herausforderungen wie aktuell. Deshalb ist die Freude groß über jede Hilfe, seien es Geldspenden, Hundegeschirr, Futter oder ehrenamtliche Unterstützung.

Erfreut registriert man im Tierheim auch das große Interesse an den einhundert Hunden und Katzen. Die Tierheimsprecherin Veiel bittet Interessenten, ihre Anfrage per Email zu stellen: „Am Besten mit einer kurzen Schilderung der jeweiligen Lebenssituation. Auch ältere Menschen können sich gerne melden“, empfiehlt sie. Schließlich solle es ja von Anfang an passen. Ein schüchternes Tier sei in einer kinderreichen Familie nicht wirklich gut aufgehoben, umgekehrt fühle sich auch manches Tier am wohlsten, wenn es mit seinem Menschen auf einem Sofa sitzen und den Tag genießen könne.