Weil ein Polizeibeamter die Anzeige einer 23-Jährigen nicht aufnehmen wollte, ist er am Freitag vom Amtsgericht wegen versuchter Strafvereitelung im Amt verurteilt worden.

Stuttgart - Weil ein Polizeibeamter die Anzeige einer 23-Jährigen nicht aufnehmen wollte, ist er am Freitag vom Amtsgericht wegen versuchter Strafvereitelung im Amt verurteilt worden. Der Prozess wirft auch einen Schatten auf das Innenstadtrevier.

Ein Mittwochabend im Oktober 2008, Berufsverkehr auf der B 10. Ein schwarzer Mercedes kommt wie aus dem Nichts herangeschossen und fährt so dicht auf, dass Maren H. vor Schreck beinahe ins Schleudern gerät. Als der Drängler vorbeizieht, zeigt ihr die Beifahrerin auch noch den Vogel. Die 23-Jährige fährt aufgebracht zum Polizeirevier in der Hauptstätter Straße, um Anzeige zu erstatten. Was dort geschieht, darüber gehen die Angaben auseinander.

 

"Ich hatte das Gefühl, ein Kaffeekränzchen zu stören", sagt Maren H. Der Beamte habe "provokativ gelangweilt im Stuhl gelümmelt" und behauptet, das Revier sei nicht zuständig, sie solle nach Esslingen gehen. Eine Anzeige sei zwecklos, "das interessiert den Staatsanwalt nicht". Als sie erkannt habe, bei dem Polizeihauptmeister nicht weiterzukommen, habe sie in Tränen aufgelöst das Revier verlassen. "Wer hilft einem denn, wenn nicht die Polizei?" Die hilft ihr später doch: Auf dem Revier Gutenbergstraße, wo die Kauffrau eine halbe Stunde später vorspricht, wird ihre Anzeige aufgenommen. Es folgt ein Ermittlungsverfahren wegen Nötigung.

Ulf V., der angeklagte Polizist, schildert die Vorfälle anders. Maren H. sei hereingekommen, er sei aber aus gesundheitlichen Gründen sitzen geblieben. Als er nach dem Hergang gefragt habe, sei die Stimmung plötzlich gekippt. "In welchem Ton haben Sie denn nachgehakt?", will Amtsrichterin Gabriele Nast-Kolb wissen. "Ganz normal" sei sein Tonfall gewesen, sagt der 49-Jährige. Die junge Frau sei für ihn überraschend in Tränen ausgebrochen und habe das Revier verlassen.

Zeugen für den Wortwechsel gibt es nicht. Günter R., am fraglichen Abend ebenfalls im Dienst, kann sich an den Vorgang nicht erinnern. Er habe wohl im Nachbarzimmer am Funk gesessen. "Kann es sein", fragt die Richterin, "dass bei Ihnen auf dem Revier ein etwas rauer Ton herrscht?" So etwas sei ihr schon öfter zu Ohren gekommen, ganz unabhängig von diesem Verfahren. Der Polizeihauptkommissar verneint: "Angemessen" beschreibe den Tonfall besser.

Dass dieser Vorfall vor Gericht kommt, liegt an der Dienstaufsichtsbeschwerde, die Maren H. zwei Tage nach der vergeblichen Anzeigenerstattung eingelegt hatte. Die Staatsanwaltschaft ermittelte und stellte dem Polizeihauptmeister einen Strafbefehl wegen Strafvereitelung im Amt zu - wogegen dieser Einspruch einlegte.

Sein Anwalt vertritt die Auffassung, dass es keine Rechtsgrundlage für den Vorwurf gebe: Schließlich sei das Verfahren wegen Nötigung im Straßenverkehr gegen den vermeintlichen Drängler eingestellt worden. Wegen der Beleidigung sei Maren H. empfohlen worden, Privatklage zu erheben, worüber noch nicht entschieden sei. Es liege demnach gar keine rechtswidrige Vortat vor - was aber Voraussetzung sei, um eine Strafe zu vereiteln.

Dieser Argumentation folgt die Richterin nicht: Sie verurteilt Ulf V. zu 100 Tagessätzen à 50 Euro. "Ob etwas eine Straftat ist, liegt nicht im Ermessen der Polizei, sondern der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts", erklärt sie. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, drohen dem Beamten auch disziplinarrechtliche Konsequenzen. Die reichen von einem Verweis bis zu einer Degradierung. Seinen Job wird er nicht verlieren.