Mächtige Säulen werfen lange Schatten im fahlen Licht. An den Wänden sammeln sich dicke Wassertropfen. Stuttgarts vielleicht geheimnisvollster Ort im Untergrund ist von außen kaum zu erkennen.
Kein Sonnenstrahl dringt in die Tiefe. Stattdessen tauchen die wenige Lampen den Raum in diffuses Dämmerlicht. Der Boden ist glitschig. Von irgendwoher ist ein Rauschen zu hören. Von wo genau, ist nicht zu orten. An der Decke des unterirdischen Gewölbegangs, der an die Kasematte einer mittelalterlichen Festung erinnert, hängen daumendicke Wassertropfen. Schritte setzt man hier unten ganz von allein mit Bedacht.
Ein paar Treppenstufen tiefer öffnet sich eine der großen nachtdunklen Hallen: Kammer eins von insgesamt drei. Den rund 5000 Kubikmeter großen Raum tragen 77 mächtige Säulen, die mit Rundbögen verbunden sind. Jede knapp vier Meter hoch. Ein riesiger unterirdischer Resonanzkörper, in dem jedes Wort vielfach widerhallt.
Einst der größte Behälter zur Trinkwasserversorgung
„Der Hochbehälter wurde um 1880 gebaut und war damals der größte in Stuttgart“, sagt Werner Pfahler, der Teamleiter für Bauwerke bei Netze BW ist. Es genügt hier zu flüstern, lauter wird es ganz von selbst. Nach knapp 140 Jahren ist der einst größte Behälter zur Versorgung Stuttgarts mit Trinkwasser vor fünf Jahren stillgelegt worden. Direkt neben Kammer 1 befindet sich im Untergrund am Daniel-Stocker-Weg auf einer Anhöhe im Stuttgarter Osten eine zweite, gleichgroße Kammer. Dahinter noch eine größere, die 1925 hinzugekommen ist. „Alles in allem Platz für 20 000 Kubikmeter Wasser.“
In Zukunft ein Kolumbarium?
Die Säulen werfen im fahlen Licht lange Schatten über den Steinboden. Die Luft in den Hallen ist klar, aber kalt. „Konstant acht Grad“, sagt Pfahler. Was mit der denkmalgeschützte Anlage in Zukunft passieren soll? Es gibt die Idee, aus dem verlassenen Ort ein Kolumbarium zu machen, eine Art letzte Ruhestätte für Graburnen. Zur gruftähnlichen Atmosphäre, die hier unten herrscht, würde das passen.
Doch entschieden ist nichts. „Letztes Jahr bespielte testweise die Freie Tanz- und Theaterszene die Hallen“, erzählt Pfahler. Kunst in der Echokammer – schöne Vorstellung.
Kein Hinweis auf den Ort im Untergrund
Nach knapp einer halben Stunde unter der Erde wieder Tageslicht. Die Helligkeit schmerzt in den Augen. Oben, im Freien, fällt auf dem Gelände nur das alte Maschinenhaus aus Backsteinen auf. Ein Hinweis, dass hier Stuttgarts vielleicht geheimnisvollster Ort im Untergrund liegt, findet sich nirgends.