Der Enkel des Hauptbahnhof-Architekten Paul Bonatz, Peter Dübbers, wird die Bahn verklagen. Er will verhindern, dass die Seitenflügel des alten Bahnhofs abgerissen werden.

Stuttgart - Der Enkel des Hauptbahnhof-Architekten Paul Bonatz, Peter Dübbers, wird die Bahn verklagen. Er will verhindern, dass die Seitenflügel des alten Bahnhofs dem beschlossenen Neubau des Tiefbahnhofs zum Opfer fallen. Bei der Bahn AG liegen die Nerven blank.

"Ich bin im Kontakt mit meinem Rechtsanwalt in Köln und stimme mich ab. Es ist sicher, dass ich eine Urheberrechtsklage einreichen werde", sagte der 70-Jährige Dübbers am Freitag auf Anfrage der Stuttgarter Nachrichten.

Tags zuvor hatten Bahn-Chef Rüdiger Grube, Ministerpräsident Günther Oettinger und OB Wolfgang Schuster die letzten finanziellen Hürden für den inzwischen auf 4,1 Milliarden Euro taxierten Neubau von Bahnhof und 57 Kilometer Strecke überwunden. Die absehbare Klage-Gefahr sprach Grube in der Pressekonferenz nach der Sitzung des Stuttgart-21-Lenkungskreises offen an.

"Wenn Bonatz mein Großvater wäre, würde ich auch Urheberrechte anmelden. Die Erben sind stolz. Solche Ansprüche sind nicht selten bei solchen Projekten", zeigte Grube zunächst Verständnis. Dann sprach er eine unverhohlene Warnung aus: Jeder müsse sich überlegen, ob er klage. Wenn der Kläger keine einstweilige Verfügung erreiche, werde die Bahn AG einen Schadenersatzanspruch gegen ihn geltend machen.

Grube, der bis dahin sachlich die Fakten zu Stuttgart 21 vorgetragen und die Gründe für die Baukostensteigerung von 3,1 auf 4,1 Milliarden Euro referiert hatte, wurde dann plötzlich persönlich. Wegen der Klage werde es keinen Baustopp geben, sagte er. Und weiter: "Ich mache dieses Spiel nicht mehr mit. Wir planen seit 17 Jahren. Sie wissen gar nicht, was dieses Projekt an meiner Managementkapazität bindet! Wir haben uns für ein Ja entschieden!" Mit dem Vorschlag, eine Bonatz-Gedenkstätte einzurichten und eine Stiftung mit Geld auszustatten, habe die Bahn "Verständnis und guten Willen dokumentiert".

Die Erregung des Bahn-Chefs zeigt, wie sehr die Klage an Grubes Nerven zerrt. Das hat einen einfachen Grund: "Eine Urheberrechtsklage dauert in der Regel mindestens zwei Jahre", sagt die Berliner Fachanwältin Denise Himburg. Wenn ein Gericht die Klage annehme und außerdem eine einstweilige Verfügung gegen den Abriss von Nord- und Südflügel des Bonatz-Baus aussprechen würde, könnte das den gesamten Zeitplan für den Neubau des Tiefbahnhofs und der anschließenden Tunnel treffen. Die finanziellen Folgen für das auf Kante kalkulierte Projekt sind nicht absehbar.

Bei Urheberrechtsfragen müsse zunächst, so Himburg, grundsätzlich geprüft werden, ob der genannte auch der tatsächliche Urheber sei. Hat also Bonatz den Bahnhof entworfen? Und welche Rechte hat er während des Baus oder danach abgegeben? "Der Erbe ist in der Beweispflicht", so die Anwältin. Da die Bahn AG bereits mit Dübbers über eine Stiftung und eine Gedenkstätte verhandelt hat scheinen diese Grundsatzfragen geklärt.

Dübbers hatte sich bereits 2002, bei der öffentlichen Erörterung des Bahnhofs-Neubaus, gegen den Abriss der Seitenflügel gewandt, zu Städtebau und Denkmalschutz gesprochen. Das Thema Urheberrecht war laut den Akten des Regierungspräsidiums damals kein Thema. "Dass er Bonatz-Nachfahre ist war bekannt", sagt ein Sprecher der Behörde.

Warum hat Dübbers so lange mit seiner Entscheidung gewartet? Bis Donnerstag, sagt der Architekt, sei der Bau von Stuttgart21 unsicher gewesen. Noch im Frühjahr habe er Sorge gehabt, einen Rechtsstreit "gegen eine so große Gesellschaft wie die Bahn AG zu führen". Inzwischen aber habe er mit dem Stuttgarter Kunsthistoriker Matthias Rosers einen Mitstreiter und viele Unterstützer. Die "Erkenntnis, den Rechtsstreit führen zu müssen, ist langsam gereift", sagt Dübbers, der sich gestärkt fühlt. "Ein Vergleich mit der Bahn ist nicht mein Ziel. Ich will auch kein Denkmal für meinen Großvater, das wäre völlig abwegig. Das Denkmal ist der Hauptbahnhof", sagt Dübbers.

Aus Dübber Sicht könnten der neue Tiefbahnhof gebaut und dennoch die Flügel des Altbaus erhalten werden. Christoph Ingenhoven, der Schöpfer des Tiefbahnhofs, hat dieser Darstellung bei einer Veranstaltung unserer Zeitung widersprochen.