Als ob ein Fluch über der Einmündung beim Steinheimer Kaufland hinge: Es gibt dort immer wieder Tote. Der Unfallschwerpunkt hat es in sich.
Allmählich dürfte sich Unbehagen bei den Verantwortlichen für den Straßenverkehr im Landkreis Ludwigsburg ausbreiten. Immer wieder sterben an der Einmündung der Steinbeisstraße in die Landesstraße 1100 in der Nähe des Kaufland-Marktes in Steinheim auf tragische Weise Menschen: Zuletzt gab es vor wenigen Wochen zwei Tote, bereits zuvor starb dort ein Mann. Beide Unfälle waren zwar durch medizinische Notfälle bedingt, aber inzwischen mehren sich die Stimmen, dass die Einmündung entschärft gehört.
Außer einem Stopp-Schild nach einem verheerenden Unfall im Jahr 2019 hat sich im Laufe der Jahre wenig an der Stelle geändert. Tempo 70 auf der Landesstraße zwischen Steinheim und Großbottwar gilt als ausreichend – obwohl viele Autofahrer Toleranzen ausnutzen und nicht selten bis zu 90 Kilometer pro Stunde fahren. Die Sicht aus der Einmündung in beide Richtungen ist frei, dennoch haben manche Abbieger Probleme, die Geschwindigkeit von Fahrzeugen einzuschätzen, die sich dem Knotenpunkt nähern. Gleichwohl wollen die Verantwortlichen den Verkehrsfluss aufrechterhalten. Auf der Straße sind viele Berufspendler aus dem Bottwartal unterwegs. Zwar flammten nach schweren Unfällen die Diskussionen um mehr Sicherheit stets auf, doch ebbten sie mit der gleichen Regelmäßigkeit wieder ab.
Im Landratsamt und bei der Polizei wird penibel Buch geführt
Der behördliche Blick auf Straßen und ihre Sicherheit unterscheidet sich grundlegend vom emotional geprägten Handlungsdruck, den Betrachter beim Anblick von Unfallbildern verspüren. Die Entscheidung, ob eine gefährliche Einmündung etwa mit Tempolimits, stationären Blitzern, einer Ampel oder einem Kreisverkehr entschärft wird, treffen Beamte in den unteren Straßenverkehrsbehörden des Landratsamtes Ludwigsburg im Zusammenspiel mit Unfallkommissionen. Dort ist auch die Polizei vertreten, die penibel Buch führt. Schafft es eine notorische Unfallstelle binnen drei Jahren nicht über den Wert von 15 Punkten, sehen die Planer keinen Grund, etwas zu verändern.
Keine auffälligen Ergebnisse bei den Messungen von Geschwindigkeiten
Mantraartig verwies das Landratsamt in den vergangenen Jahren auf regelmäßige Geschwindigkeitskontrollen. Die dort erzielten Resultate galten als Beleg dafür, dass die Fahrer auf der Landesstraße sich größtenteils an das Tempolimit halten. „Die Ergebnisse ergeben keine besonderen Auffälligkeiten“, teilt Andreas Fritz, Pressesprecher des Landratsamtes Ludwigsburg, mit. Hohe Geschwindigkeiten hätten – mit Ausnahme eines Unfalls vom Februar 2022 – bei den Zusammenstößen keine Rolle gespielt.
Jahrelang war die Steinheimer Einmündung unter der gesetzlich festgelegten Schwelle von 15 Unfallpunkten geblieben. Das hat sich im Jahr 2023 geändert. In der Summe ist damit, juristisch gesehen, zu viel passiert. Fünf Punkte gibt es für einen Zusammenstoß, der einen Toten oder Schwerverletzten zur Folge hat, zwei Punkte für einen Unfall mit einem Leichtverletzten. „Die Unfallkommission wird sich mit dem Knoten befassen“, kündigt Andreas Fritz an. Was genau verändert werden könnte – dazu könne man noch nichts Genaues sagen.
Der Murrer Bürgermeister schlägt Tempo 50 vor
Tatsächlich scheint es so, als ob die Geschwindigkeitsanalyse eine Art Totschlagargument gegen jede mögliche Veränderung an der Kreuzung darstelle. Ob die gute Überschaubarkeit der Strecke auch dazu führt, dass Autofahrer Radarfallen rechtzeitig erkennen, bleibt reine Spekulation. Der Murrer Bürgermeister Torsten Bartzsch hält zwar den Knotenpunkt für „sehr übersichtlich und gut einsehbar“, plädiert aber für Maßnahmen. „Tempo 50 könnte nicht so sicheren Einbiegern helfen – sie könnten die Geschwindigkeit der Entgegenkommenden besser einschätzen.“ Auch würden sich die Bremsdauer und das Unfallrisiko reduzieren. Das Landratsamt kündigt an, auch diesen Vorschlag zu prüfen.
Hört man sich unter den Gemeinderäten in Steinheim und Murr um, stößt man auf Stimmen, die präventiv mehr Sicherheit erreichen wollen. Ein schnellstmögliches Vorgehen fordert etwa der Murrer CDU-Kreistagskandidat Giorgio Monteleone, der auch eine Ampel oder einen Kreisverkehr erwägt. Letzteres wäre der Favorit der Murrer Grünen Ellen Mohr-Essig, die damit – im Unterschied zu einer Ampel – den Verkehrsfluss erhalten sieht. Ob ein Kreisverkehr überhaupt an der Stelle möglich ist, müsse nicht nur rechtlich, sondern auch topografisch geprüft werden, erklärt das Landratsamt Ludwigsburg.
Der Steinheimer Bürgermeister warnt vor einer Fixierung auf das Tempo
Auch auf Steinheimer Seite äußerten sich Stadträte besorgt und plädierten für eine Ampel oder einen Kreisverkehr. Der Steinheimer Bürgermeister Thomas Winterhalter warnt davor, in der Unfallstatistik „alles über den Tempokamm zu scheren“. Die beiden jüngsten tödlichen Unfälle hätten medizinische Gründe gehabt. Selbst an Ampeln ereigneten sich bei schnellem Durchfahren Zusammenstöße. Tempo 50 sollte man prüfen, die Experten sollten sich zu den damit verbundenen „Temposprüngen“ äußern.
Wäre Tempo 50 möglich?
Rechtslage
Tempo 50 außerhalb geschlossener Ortschaften kann dann angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage bestehe, teilte die baden-württembergische Landesregierung einer FDP-Abgeordneten auf deren kleine Anfrage im Jahr 2020 mit.
Gefahrenlage In der Antwort geht das grüne Verkehrsministerium auf die Gefahrenlage näher ein. Sie müsse das allgemeine Risiko, Rechtsgüter des Straßenverkehrs zu beeinträchtigen, erheblich übersteigen. Zu diesen Gütern zählten Sicherheit und Ordnung des Verkehrs sowie der Schutz vor Lärm und Abgasen. Die Bewertung der Gefahrenlage obliege der vor Ort zuständigen Verkehrsschaukommission unter Leitung der Straßenverkehrsbehörde.