Theodor-Heuss-Figur in Brackenheim Foto: Albers

Am 31. Januar 2014 wurde Theodor Heuss vor 130 Jahren in Brackenheim geboren: ein Museum erinnert an ersten Bundespräsidenten.

Brackenheim - Natürlich sind die Brackenheimer stolz auf ihren Theodor Heuss. Aber eine Entscheidung des Bundespräsidenten – eigentlich eine sehr bescheidene – bedauern sie heute doch. 1951 ließ die Gemeinde sein Geburtshaus abbrechen, um der Winzergenossenschaft eine neue Kelter zu bauen. Vorsichtshalber fragte man aber noch einmal bei Theodor Heuss nach. Er war einverstanden: Weinbau sei wichtiger als „romantischer Ruhm auf Vorrat“.

Natürlich würden die Brackenheimer den Ruhm ihres bedeutendsten Bürgers heute lieber in einem Haus, in dem er gelebt hat, präsentieren – aber die Alternative ist architektonisch gesehen auch nicht schlecht: Jetzt ist das Obertorhaus, lange das Brackenheimer Gefängnis, Ort der Erinnerung an einen Mann, der laut einer Umfrage die Rangliste der populärsten Nachkriegs-Politiker anführt. Allerdings entschwindet sein Name immer mehr ins Ungefähre des „irgendwie schon mal gehört“ – wenn er denn überhaupt, vor allem bei Jüngeren, noch ein Begriff ist. Im Museum, das alles andere als eine verstaubte Gedenkstätte ist, kann man sehr gut sehen, warum sich lohnt, das Leben dieses Mannes nachzuerleben: Weil in seiner Person sich die Geschichte der deutschen Politik besonders exemplarisch bündelt - vom Kaiserreich über die Weimarer Republik und die Hitlerzeit bis zu den Anfängen der Bundesrepublik.

Keine beweihräuchernde Devotionaliensammlung

Dabei kommt dem Museum ein Mangel zugute. Theodor Heuss’ Stuttgarter Haus, sein letzter Wohnort, beherbergt den Nachlass. An originalen Erinnerungsstücken hat das Brackenheimer Museum nur wenige: vor allem den Präsidentenstuhl, solide und aus schwäbischer Produktion, in dessen Lederbezug Theodor Heuss den Bundesadler hat einprägen lassen. Aber auch Bücher, Reproduktionen von Heimatgemälden – Heuss zeichnete bis ins hohe Alter gerne und gut – oder Heuss-Souvenirs. Dieser für ein Museum eher unbefriedigende Ausgangszustand hat aber eine beweihräuchernde Devotionaliensammlung, in diese Falle gehen Gedenkstätten ja gerne, verhindert. Stattdessen nutzt das Museum die Kraft der Bilder. Was es an Ikonen der Heuss-Fotos gibt, ist mit vielen Zitaten und kurzen Texten zu sehr informativen Stellwänden kombiniert, zudem beleuchten drei Filme sein Leben.

Im hohen Gewölbekeller wird dabei das Fundament des Heussschen Lebens vorgestellt: Seine Kindheit in Brackenheim. Ein unbeschwertes Landleben und ein intellektuelles Haus. Der Bücherschrank des Vaters, der bald Tiefbauamtsleiter in Heilbronn wurde, war gefüllt, und der junge Theodor las wissbegierig. Unter den Büchern, die ihn prägten, ist übrigens auch eine Kunstgeschichte von Cornelius Gurlitt – dem Großvater jenes Cornelius Gurlitt, der jetzt mit seinen hunderten von Gemälden in die Schlagzeilen gekommen ist. Vor allem aber verschlang Heuss politische Literatur. Der Großvater war Hauptmann bei den Revolutionären von 1848 gewesen, der Vater politisierte gegen die autoritäre Obrigkeit: Er habe, sagt Heuss später, vermittelt, „dass die Worte Demokratie und Freiheit nicht bloß Worte, sondern lebensgestaltende Werte sind.“ Dieser väterliche Einfluss sei „unendlich wichtiger gewesen als die Schule“. Und bringt ihn auf die politische Laufbahn. Er schloss sich den Liberalen an und wurde Abgeordneter im Reichstag, verlor das Mandat wieder und kehrte noch einmal zurück – als die Liberalen nur ein Häuflein und die Nationalsozialisten ein mächtiger Block waren.

Am Kriegsende war Heuss 61 und ohne Job

Theodor Heuss stritt nicht nur als Politiker für die Demokratie, sondern auch als Hochschuldozent und als Journalist. Das Schreiben für Zeitungen und von Büchern war sogar die meiste Zeit seine Haupttätigkeit. „Er war ein sehr facettenreicher Mann“, sagt Susanne Blach, die das Museum leitet. „Ich beschäftige mich schon seit 13 Jahren mit ihm und lerne jeden Tag etwas Neues hinzu.“ Susanne Blach führt das Haus als Museum der offenen Tür. Wenn sie da ist, lässt sie auch Besucher außerhalb der offiziellen Eintrittszeiten hinein. Sie hat viel zu erzählen und macht auch die Führungen. Dann zeigt sie zum Beispiel die Courage, aber auch die Grenzen des Politikers Heuss auf, der 1932 ein Anti-Hitler-Buch schrieb und in seiner letzten Reichstagsrede eine Stunde lang so sehr mit den Nationalsozialisten abrechnete, dass das Protokoll zahlreiche wütende Zwischenrufe verzeichnet. Der aber auch wie so viele im Bürgertum die tödlichen Konsequenzen der nationalsozialistischen Ideologie nicht begriff und der dem Ermächtigungsgesetz zustimmte, was er sein Leben lang als Makel empfand.

61 Jahre alt und ohne Job war Heuss am Kriegsende. Sein Leben schien keine große Zukunft mehr zu haben. Aber dass man im Museum für seine letzte Lebensphase ins oberste Stockwerk steigt, symbolisiert auch Heuss’ Lebensweg. Die Amerikaner hatten ihn auf ihre weiße Liste unbelasteter Personen gesetzt: „Unbeugsamer Demokrat“, stand da. Sie geben ihm eine Zeitungslizenz, machen ihn in Stuttgart zum Kultminister. Heuss wird Landtagsabgeordneter, arbeitet mit an der Verfassung der neuen Bundesrepublik und gilt als Vater des Grundgesetzes. Typisch Heuss, wie er diese Bezeichnung abwehrte: „Höchstens ein kleiner Geburtshelfer.“ Die Krönung seines Lebens war die Wahl zum Bundespräsidenten. „Nicht solche Töne!“, wehrt Heuss solch eine Wertung ab. Und seufzt über die repräsentativen Zumutungen des Amtes: „Von München, Kiel bis Neuss - keine Feier ohne Heuss.“

Heuss repräsentiert das liberale, andere Deutschland, das von Hitler ausgeschaltet wurde, so sehr, dass seine Präsidentschaft die neue Demokratie festigt und ihr Respekt verschafft. „ Der „Anwalt für Deutschland“, so ein Stelltafel-Titel genießt parteiübergreifend Zustimmung, Wie sagt es auch der „Vorwärts“, die SPD-Parteizeitung: „Ein ganz seltener Glücksfall der Geschichte.“