Szene aus „Endless Cycles" Foto: Regina Brocke

Dreiecksbeziehungen und Bücher auf dem Kopf: Gauthier Dance mit „Out of the Box 5“ im Theaterhaus Stuttgart

Was verbirgt sich dieses Mal in Eric Gauthiers mysteriösem Überraschungspaket „Out of the Box“? Zum fünften Jubiläum des Choreografen-Formats hat Gauthier Dance am Samstagabend acht Uraufführungen auf die Bühne des Theaterhauses gezaubert. Dabei freut es Eric Gauthier besonders, dass er Stücke von gleich mehreren Tänzerinnen präsentieren konnte: „Es gibt zu wenige weibliche Choreografen“, meint er.

Den Anfang macht Maria Prat Balasch mit „Endless Circles“. Die Tänzer treten hier im Ensemble und ganz in Weiß auf. Sie verkörpern ständig instabile Atome im Tanz des Universums, wanken, vollführen archaische Bewegungen und zucken im Schwarzlicht. Der Einstieg kommt beim Publikum gut an.

Vage Dreierkonstellationen

Fragen werfen die nächsten beiden Stücke auf: Alessio Marchini befasst sich in „Exchange“ mit dem Unterschied zwischen gesunder Selbstliebe und Egozentrik; als Höhepunkt des Stücks tauschen die Tänzer ihre Kleidungsstücke aus. Wie kann man lernen, geliebte Menschen gehen zu lassen?, fragt sich Alessandra La Bella in „Not in Vain“. Beide Choreografen zeigen also Dreierkonstellationen – aber die Stücke gestalten sich zu vieldeutig und vage, um großen Eindruck zu hinterlassen.

Ein Zug oder eine U-Bahn ist Schauplatz des nächsten Stücks „Clickety-Clack, down the Track“ von Anna Süheyla Harms: Zwei Bilder mit verwischten Formen bilden die Fenster, Stühle die Sitze. Tänzer steigen ein und aus, begleiten sich oder bewegen sich gegen den Strom. Sie sind den anderen voraus oder bleiben zurück, je nachdem. Regenschirme fungieren in dieser Choreografie als ein reizvolles Requisit für Bewegungsimpulse, und Antonin Dvoráks dramatisch-malerische Klänge kontrastieren spannungsvoll mit der alltäglichen Situation.

Hüpfen von Bücherinsel zu Bücherinsel

In Nora Browns kurzem Stück „Untitled“, das sich um eingebildete und tatsächliche Grenzen dreht, spielen die Requisiten sogar die Hauptrolle: Die Tänzer balancieren Bücher auf dem Kopf. Nur die Solistin Anna Süheyla Harms wirft sie ab und testet ihren Bewegungsspielraum aus – um zum Schluss erneut eingeengt von Bücherinsel zu Bücherinsel zu hüpfen. Dann ist Nora Browns choreografische Caprice aber auch schon wieder vorbei.

Die Liebe steht in Rosario Guerras „Goodbye Prince“ und Jonathan dos Santos’ „A.M.O.R.“ im Mittelpunkt. In Guerras Stück treten Luke Prunty und Alessio Marchini als Paar auf den Plan, ihre weißen Masken geben dabei Rätsel auf. Geht es um eine Erinnerung, eine Vorstellung oder eine aktuelle Situation? Alles in allem ist es ein eher enigmatischer Abend, der große Höhepunkte und einen prägnanten choreografischen Stil vermissen lässt, gleichwohl aber einige interessante Ansätze bietet.

Tänzerisch gegen Vorurteile angehen

Jonathan dos Santos schwärmt in „A.M.O.R.“ mit Sandra Bourdais und Maria Prat Balasch von der Liebe. Die drei umgarnen zu schmachtenden Songs tänzerisch ein Bett und eine Parkbank unter der Laterne und rufen so im Publikum Schmunzeln hervor.

Ganz anders im Charakter präsentiert sich David Rodriguez’ „Some People“: Die Choreografie, so Rodriguez, sei seinen diskriminierten Brüdern und Schwestern gewidmet, „die noch immer jeden Tag für das kämpfen müssen, was sie sind“.

Die Vorurteile, die hier angesprochen sind, können vielfältig sein; Sandra Bourdais, Alessandra La Bella, Luke Prunty und Rosario Guerra stellen sich ihnen tänzerisch energisch entgegen. Liza Minnellis ausgelassener Broadway-Song „Some People“ nach dem Original von Jule Styne setzt dabei einen überzeugenden Schlusspunkt.