Die Islandponys auf der Jugendfarm Elsental sind umschwärmt Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Jugendfarmen und Aktivspielplätze müssen ihre Angebote der neuen Schullandschaft anpassen. Sie sollen Ganztagsschülern Natur nahebringen und Teilzeitschülern Betreuung bieten. Die Grünen im Gemeinderat wollen diese Entwicklung beschleunigen.

Stuttgart - Die Island-Ponys auf der Jugendfarm Elsental sind die Stars: Duldsam, nicht zu hoch, beständig im Gang und verschmust dazu. Die Kinder lieben sie und säubern ohne Murren ihren Unterstand. Kinder mit Beeinträchtigungen dürfen auf den Rücken der Inselpferde Therapiestunden verbringen. Schulklassen lernen im Elsental nicht nur, was man aus der Wolle der Schafe alles machen kann, sondern auch, wie man Karotten sät, pflegt, erntet und zu einem wohlschmeckenden, gesunden Essen verarbeitet. Ohne die Privatinitiative Thyra und Edgar Boehms hätte es diese deutschlandweit erste Jugendfarm nicht gegeben.

Ohne ehrenamtlich Engagierte würde es auch die anderen 21 Jugendfarmen und Aktivspielplätze in Stuttgart nicht oder nicht mehr geben, die jeweils täglich von 40 bis 70 Kindern besucht werden. Sie finden dort Naturnähe, einen Erlebnisort, offene Angebote. Doch jetzt, nach rund 40 Jahren, steht die Angebotsstruktur zur Diskussion.

Die Debatte ist in den autonom agierenden Vereinen bisher eher geräuschlos abgelaufen, durch einen Antrag der Grünen-Fraktion erreicht das Thema die Öffentlichkeit. In Weilimdorf, so das Beispiel der Grünen, hat die Wolfbuschschule für das kommende Schuljahr einen Ganztageszug mit Unterricht bis 17 Uhr eingerichtet. Dadurch sinkt die Nachfrage nach freien Stunden auf der Jugendfarm.

Andererseits suchen die Eltern, die sich für den Teilzeitzug entschieden haben, jetzt nach einem Ersatz für das Mittagessen und die Nachmittagsbetreuung, die bisher an der Schule stattfand. Für die Teilzeitschüler entfällt dieses Angebot im Herbst. „Wir wissen aber nicht, was die Jugendfarmen wollen, welche Farm für Schülerbetreuung ausgestattet ist und wie die Nachfrage sich entwickelt hat“, sagt Gabriele Nuber-Schöllhammer, Stadträtin von den Grünen.

Wunsch ihrer Fraktion ist darüber hinaus, dass die Jugendfarmen als Träger für Ganztagsangebote aktiv werden, ähnlich wie Sportvereine und die Musikschule. Die Grünen verlangen nun einen Bericht des Jugendamts, aus dem hervorgeht, welchen Bedarf die Schulen haben und welche Jugendfarmen den Bedarf decken wollen und dies räumlich und personell auch können.

Weil jeder Trägerverein autonom agiert und sich seine Entscheidungsfreiheiten auch nicht beschneiden lassen will, wird jede Jugendfarm und jeder Aktivspielplatz künftig ein eigenes Modell entwickeln, „abhängig davon, ob sie wollen und ob sie die Kapazität haben“, sagt Christian Dettweiler, der Bildungsreferent des Bundes der Jugendfarmen und Aktivspielplätze. Nicht jede Jugendfarm habe eine Küche, um die Schüler mittags zu verköstigen, und mit lediglich zwei vollen Personalstellen pro Farm, die von der Stadt bezahlt werden, seien die Einrichtungen bei bis zu 70 Besuchern am Tag ohnehin schon am Limit. Wenn jetzt noch das Mittagessen, die Nachmittags- und Hausaufgabenbetreuung sowie eine ausgedehnte Ferienbetreuung hinzukämen, sollte das Personal wenigstens um eine Stelle aufgestockt werden.

Damit steht Dettweiler nicht allein: Auch im Bürgerhaushalt rangiert die bessere finanzielle Ausstattung für Jugendfarmen auf Rang Zehn der Prioritätenliste, unter anderem deshalb, weil sich die Farmen mehr als bisher dem Inklusionsauftrag stellen sollen. Christian Dettweiler sieht die Farmen außerdem in einem Zielkonflikt: „Wir sind eher Verfechter des offenen Angebots, die Kinder sollen sich frei entfalten können, Kreativität und Fantasie entwickeln. Schulen würden aber gern Module buchen.“ Praktikabel sei eine Kooperation dennoch, wenn sich die Schüler beispielsweise in Listen eintragen und so rundherum alles kennenlernen können.

In diesen Fällen übernehmen die Lehrer die Aufsichtspflicht, die normalerweise beim Jugendfarmpersonal liegt. Ungeklärt bleibt freilich, wer Aufsicht über die Teilzeitschüler führen müsste, die nicht von Lehrern begleitet werden: „Wir schließen unser Gelände ja schließlich nicht ab“, sagt Christian Dettweiler. Letztendlich ist diese Frage Sache eines Betreuungsvertrags, den die Farmen mit den Eltern der Teilzeitschüler abschließen.

Je nachdem, wie groß der Anteil der vertraglich geregelten Betreuung wird, desto näher rücken die Farmen an das bisherige Hort-Modell heran. „Wegen des Grundsatzbeschlusses zum Ausbau der Ganztagsschulen wird es für einen Hort aber keine Zuschüsse von der Stadt geben“, stellt Bruno Pfeifle klar. Der Jugendamtsleiter verweist auch auf einen Bericht der Sozialverwaltung aus dem Jahr 2013, in dem klar die „Absicherung der offenen Arbeit“ als Ziel formuliert ist. Wo die obere Grenze für vertraglich vereinbarte Betreuungsleistungen zuletzt gezogen wird, ist ungeklärt, „auf keinen Fall wollen wir das schleichende Sterben der klassischen Jugendfarm“, sagt Pfeifle.

Hintergrund Offenheit ist Leitgedanke

Hintergrund Offenheit ist Leitgedanke

22 Abenteuerspielplätze und Jugendfarmen gibt es in Stuttgart. Ihre Gründer ließen sich in den 60er und 70er Jahren von folgenden Gedanken leiten: Die Farmen sollten den Kindern aus der zubetonierten Stadt Naturerfahrungen ermöglichen. Sie sollten offen sein für alle und deshalb kostenlos. Und sie sollten Freiräume bieten.

Das Angebot richtet sich an Kinder im Alter von sechs bis 14 Jahre. Die Plätze werden durch pädagogische Fachkräfte betreut.

Auf Jugendfarmen können Kinder Erfahrungen sammeln im Umgang und in der Pflege von Tieren, im Reiten sowie im Gartenbau. Für alle Aktivitäten stehen winterfeste Räume und große Freiflächen zur Verfügung.

Einzelne Einrichtungen bieten inzwischen auch eine Ferienbetreuung in Zusammenarbeit mit Schulen an.

Die Einrichtungen sind in der Regel an fünf Tagen in der Woche von 13 Uhr bis 18 Uhr geöffnet, in Ferienzeiten von 10 Uhr-18 Uhr.

Der Besuch ist gebührenfrei.

Träger der Plätze sind eingetragene Vereine, die durch ehrenamtlich Engagierte geleitet werden. Die Vereine werden durch einen Betriebskostenzuschuss der Landeshauptstadt Stuttgart gefördert.