Kay Kromeier arbeitet im Lenkungsteam der Galerie Schlichtenmaier Foto: Galerie Schlichtenmaier

Stuttgarts Privatgalerien öffnen wieder. Damit ist auch der Weg in die Schau „Künstlerpaare“ bei Schlichtenmier frei. Kay Kromeier stellt das Projekt vor und ist sicher: „Wir erleben eine neue Galeriekultur“.

Stuttgart - Stuttgarts Privatgalerien öffnen wieder. Von Willi Baumeister und Margarete Oehm bis zu Stefan Rohrer und Gabriela Oberkofler reicht das Spektrum der „Künstlerpaare“, die aktuell in der Galerie Schlichtenmaier präsentiert werden. Kay Kromeier aus dem Galerieteam stellt das Projekt vor und ist sich sicher: „Galeriebesuche werden bewusster erlebt“.

Herr Kromeier, wie hat sich denn das Verhältnis der Künstlerpaare über die Jahrzehnte entwickelt?

Losgelöster von gesellschaftlichen Rollenerwartungen, die in den letzten Jahrzehnten ohnehin aufgelöst wurden, sondern mehr individuell ausgehandelt werden. Was nicht mehr gilt: Sie hält ihm den Rücken frei und arbeitet künstlerisch nur, wenn sich die Gelegenheit ergibt.

Sondern?

Das Spektrum reicht von rigoroser Freiheit für die künstlerische Arbeit beider (Lehnert – van Harren, Platino – Lachieze-Rey, Rohrer-Oberkofler) über echte Symbiosen (Christo&Jeanne Claude, Matschinsky-Dennninghoff) bis hin zu Modellen, die den Kompromiss suchten um beides Kunst und Zusammenleben zu ermöglichen (Akiyama – Haim, Gaul – Gaul). Die Bandbreite des Spektrums ist der bestechende Befund.

Lisbeth Bissier war vor ihrem Mann Julius Bissier bekannt

Gleichwohl, wenn Sie von Paaren sprechen, gilt das eigentlich erst für die Zeit nach 1970?

Sicherlich erhält etwa Rissa, die Frau von Karl Otto Götz, ihre Professur erst 1975. Von daher ist die Tendenz zweifellos da. Aber interessant ist doch, dass Lisbeth Bissier ihre eigenständige Arbeit bereits in den 1930ern begann, was in den 1950er Jahren mit Preisen honoriert wurde (1955 Hessischer Staatspreis, 1956 Staatspreis Baden-Württemberg), während der große Durchbruch für Julius Bissier erst 1958 erfolgte.

Gegensätze gibt es auch bei Willi Baumeister und HAP Grieshaber – oder?

Stimmt. Margarete Oehm war bereits künstlerisch tätig, als sie Willi Baumeister kennenlernte. Und tatsächlich ist es bei ihr so. dass sie die eigene künstlerische Tätigkeit mit der Heirat Baumeisters komplett eingestellt hat. Riccarda Gohr wiederum, als Ralf Gregor künstlerisch aktiv, holte HAP Grieshaber in den 1950ern an die von ihr geleitete Bernsteinschule, bevor sie ein Paar wurden.

Und wie sehen Sie die Situation heute?

Das mittlerweile gesamtgesellschaftliche verfolgte Ziel, Beruf und Familie gut miteinander vereinbaren zu können spiegelt sich auch in der Kunst wieder. An Paarungen wie Oberkofler–Rohrer oder Xianwei Zhu–Yi Sun sieht man das gut. Wobei ich aber nach wie vor höchsten Respekt davor habe, wenn sich beide Partner einer Lebensgemeinschaft auf das Wagnis einlassen, als freie Künstlerinnen und Künstler ihr Zusammen- und Familien und Einzelleben künstlerisch und ökonomisch zu meistern.

Eigenes Kunstkraftwerk: die Kaesdorfs

Gab es für Sie denn bei der Vorbereitung auch Überraschungen? Die Kaesdorfs etwa muten ja in ihrer Arbeitsauffassung/Paarauffasung radikal gegenwärtig an ….

Auf jeden Fall – zumal es hier der Mann war, der neben seinem Brotberuf als Jurist immer an Sonntagen Malsachen und Staffelei aufgebaut hat, um sich der Kunst zu widmen. Sie war die Kunstprofessorin und Hans-Thoma-Preisträgerin, er der Autodidakt, der sicherlich auch das seine beitrug, die Familie finanziell zu sichern. Übrigens – was das angeht, überraschen die Bissiers: Sie sicherte mit der Stoffherstellung zunächst das materielle Überleben der Familie.

A propos gegenwärtig – Sie haben jetzt wieder offen?

Ja, unsere Räume in Stuttgart und in Grafenau im Schloss Dätzingen sind zu den regulären Öffnungszeiten wieder für Besucher geöffnet.

Galeristen mit Alltagsmasken

Und wie ist der Zugang geregelt?

Selbstverständlich sind wir bestens für die Einhaltung von Abstands- und Hygieneregeln präpariert. Desinfektionssprays sind vorhanden, genauso wie ausreichend Möglichkeiten zum Hände waschen und genügend Platz in den Galerien um sich mit 1,5 Meter Abstand zu begegnen. Auch wird man uns mit Alltagsmasken erleben – wir sind gespannt auf die Muster und Dessins der Masken unserer Community.

Was ist zu beachten?

Wir sorgen dafür, dass nur so viele Menschen in der Galerie sind, dass der Mindestabstand immer eingehalten wird. Eine Galerie ist ja ohnehin kein Ort mit der Publikumsfrequenz eines Kaufhauses. Auf Vernissagen oder unsere „Salon“-Veranstaltungen werden wir vorerst und solange verzichten müssen, bis die Lage es wieder zulässt. Damit alle Besucherinnen und Besucher in Ruhe und mit Abstand die Ausstellungen genießen können wird die Laufzeit beider aktuellen Ausstellungen verlängert.

Und wie ist Ihre Einschätzung für den Primärmarkt an sich? Was wird bleiben von der Galerien-Kultur, wie wir sie nun seit fast 120 Jahren kennen?

Eine gute Frage! Immerhin: Diese Galerie-Kultur hat auch zwei Weltkriege und ein der Kunst-Freiheit gegenüber feindseliges Nazi-Regime überstanden. Und auch da, wo es sie in der DDR 40 Jahre lang als Privatgalerien nicht geben durfte, gibt es sie seit 30 Jahren wieder mit einiger Selbstverständlichkeit. Wie sich die neue Vorsicht der Menschen im Aus- und Umgang miteinander auf den Besuch der Galerien auswirken wird, sehen wir in den kommenden Wochen.

Galeriebesuch wird bewusster erlebt

Das klingt vehalten positiv.

Ich rechne damit, dass viele Menschen Kunst-Lust haben werden und sich mit der gebotenen Vorsicht, wieder schöne und anregende Erlebnisse außerhalb der eigenen vier Wände suchen. Und auch damit, dass der mögliche Galeriebesuch bewusster und intensiver erlebt wird.

Und Ihre unternehmerische Sicht?

Wirtschaftliche Folgen werden angesichts der zurückliegenden vierwöchigen Schließung mit zwei ausgefallenen Vernissagen wohl nicht ausbleiben. Zumal auch die wichtige Kunstmesse Art Cologne nicht wie geplant nächste Woche stattfinden wird.

Nimmt all das nicht viel Energie?

Sie müssen ja sehen: Die „Delle“ ist eine gesamtwirtschaftlich-globale! Dennoch schauen wir zuversichtlich nach vorne. Soziologen haben für Italien einen Sommer der Lebensfreude prognostiziert. Wenn das soziale und wirtschaftliche Leben bei uns wieder stattfinden kann, rechne ich damit, dass Kunst als Lebensqualität und Lebensfreude ihren wichtigen Platz behaupten wird.

Digitale Formte bleiben

Wie „zweigleisig“ können Sie dabei sein?

Für die Übergangszeit haben wir ja in den letzten Tagen und Wochen verstärkt digital vorgesorgt und machen die Ausstellungen und Kunstwerke der Galerie Schlichtenmaier in Bild und Film bei Instagram, YouTube und Facebook erlebbar. Der rege Zuspruch dort motiviert uns, diese Formate aufrecht zu erhalten.