Thomas Müller (li.) mit seiner Frau Lisa Foto: Getty

Thomas Müller. Mal wieder. Der Münchner war auch im Spiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen die USA der entscheidende Mann. Der 24-Jährige begeistert die Nation bei der WM mit seinen Toren – aber beileibe nicht nur damit.

Recife - Thomas Müller schrie sich die Seele aus dem Leib, doch Toni Kroos stand zu weit weg und hörte ihn nicht. „Ich wollte, dass Toni den Eckball direkt auf mich zirkelt“, sagte Müller. Kroos tat ihm den Gefallen nicht. Stattdessen köpfte Per Mertesacker den Ball aufs US-Tor, wo ihn Torhüter Tim Howard ablenkte – auf Thomas Müller. Der nahm Maß und platzierte den Ball zum 1:0-Siegtreffer ins lange Eck. „Genau so wollte ich den Ball treffen. Endlich ist mir auch einmal ein schönes Tor gelungen“, sagte der Münchner und scherzte: „Ab und zu fällt mir auch mal einer vor den Fuß. Aber ich mache ja auch nichts anderes als trainieren wie ein Wahnsinniger.“

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Das zahlt sich immer mehr aus. 21 Tore in 52 Länderspielen hat er erzielt, vier bei dieser WM, neun in neun WM-Spielen insgesamt. „Bei Weltmeisterschaften läuft es bisher nicht schlecht für mich“, sagte er in aller Bescheidenheit. Jetzt winkt ihm sogar wieder die Torjägerkrone – wie 2010, als er fünf Treffer im ganzen Turnier erzielt hatte. Von den direkten Konkurrenten haben sich 2014 schon Mario Balotelli mit Italien, Wayne Rooney mit England, Cristiano Ronaldo mit Portugal und Uruguays Angreifer Luis Suárez mit seiner Sperre aus der WM gekegelt. Bleiben noch der Brasilianer Neymar und Argentiniens Lionel Messi – beide liegen mit vier Toren gleichauf. „Wir sind nicht hier, um Rekorde zu schlagen“, sagte Müller, „wir sind hier, um Weltmeister zu werden.“ Wobei das eine das andere nicht ausschließt: „Persönliche Dinge kommen dann, oder halt auch nicht.“

Mit seinen 24 Jahren ist Thomas Müller noch jung genug, um sogar die höchste Auszeichnung abzugreifen. Nach dem Schlusspfiff nahm Jürgen Klinsmann Müllers Kopf in beide Hände und redete lange mit ihm, von Ex-Stürmer zu Stürmer gewissermaßen. Was er gesagt hat, ist nicht überliefert. Womöglich aber sagte er: „Du bist auf dem besten Weg, der erfolgreichste WM-Torschütze der Geschichte zu werden.“ Allzu viel fehlt ja nicht mehr. Miroslav Klose und der Brasilianer Ronaldo führen die Rangliste mit 15 Treffern an, Müller nähert sich ein ums andere Tor. Rudi Völler (acht) hat er schon hinter sich gelassen, mit Karl-Heinz Rummenigge und Uwe Seeler hat er gleichgezogen. Und nichts, so scheint es, kann ihn stoppen. „Thomas ist körperlich und mental unheimlich gut drauf und für den Gegner schwer auszurechnen, weil er immer schlaue Wege geht“, erklärte Bundestrainer Joachim Löw. Wege, die kein Mensch voraussehen kann, weil seine Steckerlhaxn imstande sind, Haken zu schlagen, die nur er im Repertoire hat. „Wenn man ihm zuschaut, hat man das Gefühl, es fällt ihm alles leicht“, sagte Löw.

Wie seine US-Boys diesen Müller hätten stoppen können, wurde Klinsmann gefragt. „Wir hätten ihn nicht schießen lassen dürfen“, antwortete er, „denn wenn du ihm eine Torchance lässt, dann trifft er.“ Als ehemaliger Trainer des FC Bayern hatte Klinsmann Müller zu seinem Bundesligadebüt verholfen. Was dabei herauskam, lässt Klinsmann nur staunen: „Einen wie ihn würde jede Mannschaft der Welt gern haben.“ Deutschland hat ihn – und liebt ihn. Nicht nur wegen seiner WM-Treffer. Da ist auch noch . . .

 . . . der Schelm
Sein Zwinkern bei der Nationalhymne ist Müllers Markenzeichnen. Wen er damit grüßt? „Das sage ich nicht, das ist privat“, sagt er. Dabei weiß eh jeder: Er meint damit seine Frau Lisa. Nach seinen drei Treffern beim 4:0-Sieg im Auftaktspiel gegen Portugal schrieb er auf Facebook: „Ein ganz besonderer Dank gilt meiner Frau Lisa. Danke, dass Du immer für mich da bist. Die drei Tore gestern waren für Dich!“

. . . sein Spielstil
Müller kam unter Ex-Bayern-Trainer Louis van Gaal erstmals groß heraus. Der Niederländer liebt den Systemfußball, will am liebsten jeden Zufall ausschließen. Bei Müller gelang ihm das nicht. Dessen größte Stärke ist seine Unberechenbarkeit, was schließlich auch van Gaal einsehen musste. „Bei mir spielt Müller immer“, sagte er. Nationaltorhüter Manuel Neuer nennt seinen unorthodoxen Stil „eklig“. Diego Maradona hat ihn wegen seiner dünnen Beine als „El Flaco“, der Dünne, geadelt.

. . . sein Tordrang
Müller wuchs im 2350-Einwohner-Dorf Pähl auf, das liegt 45 Autominuten von München entfernt. Schon als Bub hatte er den Traum, Fußballprofi zu werden. Mit vier Jahren begann er beim TSV Pähl mit dem Kicken. Für seinen Heimatverein schoss er in der Saison 1998/99 mal 120 Tore. . . . der Fan-Liebling

Müller führt die Beliebtheitsskala der Nationalspieler mit 13,2 Prozent der Stimmen an. 3,7 Millionen Fans gefällt seine Facebook-Seite, beim Kurznachrichtendienst Twitter hat er 206 000 Follower.. . . seine Liebe

Ende 2009, mit 19 Jahren, gab er seiner Freundin Lisa (heute 24) das Jawort. Durch ihre Leidenschaft zum Dressurreiten fand auch Thomas zu Pferden und zur Pferdezucht. Im Reitstall hilft er Lisa beim Füttern und Waschen der Tiere. Wenn es seine Zeit zulässt, fiebert er bei ihren Turnieren mit.

. . . der Bayern-Star
Müller spielt seit der D-Jugend für den deutschen Rekordmeister. Unter Trainer Pep Guardiola saß er zuletzt häufiger auf der Bank. Um mehr Wertschätzung zu erlangen, kokettierte er zuletzt mit dem Interesse von Manchester United. Im Grunde seines Herzens wollte er die Bayern aber nie verlassen – und verlängerte schließlich seinen Vertrag bis 2019. „Es ging mir darum zu wissen, ob der Verein langfristig mit mir plant“, sagt Müller, „das hat er mir signalisiert.“

. . . der Werbe-Riese
Thomas Müller (24,9 Millionen Euro) ist die wertvollste Marke des deutschen Fußballs, die sich aus den Leistungen auf dem Platz und dem Auftreten neben dem Platz ergibt. Bayern-Kollege Bastian Schweinsteiger folgt als Zweiter (elf Millionen) vor Philipp Lahm (drei Millionen). Müller wirbt für einen Molkereigiganten, einen großen Lebensmittelkonzern, eine Sportschuhfirma und einen großen Autokonzern. Sein Berater Wiggerl Kögl, Ex-Profi des VfB Stuttgart, muss mehr Anfragen ablehnen, als er annehmen kann.