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Exakt 60 Jahre nach dem „Wunder von Bern“ hat die deutsche Nationalmannschaft zum 13. Mal das WM-Halbfinale erreicht und damit einen großen Schritt zum vierten WM-Triumph nach 1954, 1974 und 1990 gemacht.

Rio de Janeiro - Es gab schon Momente bei dieser WM, da sah es nicht gut aus für Bastian Schweinsteiger. Zum Beispiel, als er sich, von Krämpfen gepeinigt, im Achtelfinale gegen Algerien über den Platz schleppte. Doch nun, dreieinhalb Tage später, war ein anderer Moment.

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Das Viertelfinale der deutschen Mannschaft gegen Frankreich war gerade zu Ende gegangen. Dank eines Kopfballtreffers von Mats Hummels (12.) hatte die DFB-Auswahl den Einzug ins Halbfinale perfekt gemacht – und für Schweinsteiger war es erneut ein Kraftakt gewesen. Doch nun stand er vor den deutschen Fans, hatte Manuel Neuer im Arm und hüpfte tatsächlich noch auf und ab.

Es wäre wohl nicht das Schlechteste, der Erfolg im WM-Viertelfinale hätte auf den Rest der Truppe eine ähnlich vitalisierende Wirkung. Denn einerseits war der Jubel über den vierten WM-Halbfinaleinzug in Folge riesengroß, und der Traum vom vierten Titel darf weiter geträumt werden. Andererseits meinte man in jeder Sekunde des Spiels auch zu spüren, welche Anstrengungen dieses Turnier bislang verlangt. „Ich war relativ früh platt“, gab Mats Hummels zu. Joachim Löw meinte entschuldigend: „Es war wahnsinnig heiß.“ Und nicht nur das.

Es war wenig spektakulär – aber erfolgreich

Reisestrapazen, Temperaturunterschiede, Grippewelle, kurze Regenerationszeit – das alles wog sichtlich schwer. Doch die deutsche Mannschaft setzte auch einiges dagegen. Allen voran der Bundestrainer.

Der wich von seiner bislang sturen Meinung in taktischen Fragen ab, setzte Philipp Lahm wieder nach rechts hinten und baute auf das einst bewährte 4-2-3-1-System. Dazu kam mannschaftliche Geschlossenheit, gepaart mit Willen und taktischer Disziplin. Das alles zusammen war zwar wenig spektakulär – aber erfolgreich. Entsprechend groß war am Ende der Jubel. Aber: Ausgelassen war er nicht. Aus allerlei Gründen.

Erstens war die Müdigkeit groß, zweitens werden die Gegner nicht einfacher. Und drittens darf man sich bei aller Freude auch die Frage stellen: Wie oft ist ein solcher Kraftakt zu wiederholen? „Die Spieler sind an ihre Grenzen gegangen“, sagte Löw am Freitag, exakt 60 Jahre nach dem Wunder von Bern, als Deutschland erstmals Weltmeister wurde. Bereits am Dienstag (22 Uhr) geht es in Belo Horizonte um den Einzug ins Finale (der Gegner stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest), und zumindest Anstoßzeit und Spielort sollten die Leiden lindern. Die Grippewelle ist auch passé, und in drei Tagen kann ein Fußballprofi durchaus regenerieren. Zwar ist eine Rückkehr zum Hurra-Stil auch im Halbfinale nicht zu erwarten, gewappnet wird das Team dennoch sein. Bleibt die Frage nach der Taktik.

Löw wird in drei Tagen wohl nicht erneut alles ändern

Für viele Experten war Lahms Positionswechsel am Freitag der Schlüssel zum Erfolg – und überfällig. Nun könnte man aber auch meinen, der Bundestrainer hätte sich damit selbst widerlegt. Doch Löw erklärte: „Wenn ich das Gefühl habe, einen anderen Reiz setzen zu müssen, dann mache ich das.“ Der Frage, ob der Wunsch gar von der Mannschaft geäußert wurde, wich er aus und sagte nur: „Das Team war nicht überrascht.“ Aber noch mal: Geht’s nun so weiter?

„Das werden wir sehen“, sagte Kapitän Lahm, Löw wollte sich nicht festlegen, wird aber in drei Tagen wohl nicht erneut alles verändern. Mit einer Einschränkung: „Wir brauchen Spieler, die erholt sind.“ Zwar wertet DFB-Präsident Wolfgang Niersbach die WM schon jetzt als Erfolg („Ich bin total happy“), zufriedengeben will sich nun aber auch keiner. „Wir versuchen jetzt, den nächsten Schritt zu machen“, sagte Joachim Löw. Nur gut, dass spielerisch nach wie vor Luft nach oben da ist. „Wir können stolz auf uns sein“, sagte Jérôme Boateng, „aber es gibt auch noch Dinge zu verbessern.“