Starke Technikerin: Dzsenifer Marozsan hat auch bei der WM in Kanada stets den Ball im Blick Foto: dpa

Dzsenifer Marozsan ist die technisch beste Fußballerin im deutschen Nationalteam. Das will sie auch bei der WM in Kanada zeigen – und zudem endlich eine Führungsrolle übernehmen.

Ottawa - Dzsenifer Marozsan drückte Simone Laudehr spontan einen Kuss auf die Wange. Als Dank für die Komplimente. „Wenn sich Maro weiter so entwickelt“, hatte ihre Teamkollegin vom 1. FFC Frankfurt bei der Pressekonferenz in Ottawa geschwärmt, „kann sie eine der besten Spielerinnen der Welt werden.“ Dann versicherte Laudehr noch schnell, sie habe von der jungen Frau neben ihr kein Geld zugesteckt bekommen. Das sei tatsächlich ihre Meinung.

Allzu weit hergeholt ist das Kompliment nicht. Marozsan ist derzeit Deutschlands beste Fußballerin. Das Programmheft zur WM in Kanada widmet der 23 Jahre alten Spielmacherin eine ganze Seite in der Rubrik: „One to watch“ – eine, die man beobachten sollte. „In Ungarn geboren, aber der Herzschlag eines aufregenden und lebhaften deutschen Mittelfelds“, heißt es über die 48-fache Nationalspielerin (25 Tore). Sie sei eine der „herausragenden Spielerinnen“ der WM-Qualifikation gewesen, eine „geniale Torbedrohung aus der Tiefe“.

„Ich freue mich wahnsinnig. Ich bin bereit.“

Gefühlt zählt Marozsan, die im Alter von 14 Jahren für den 1. FC Saarbrücken als jüngste Spielerin der Bundesliga-Geschichte auflief, schon eine Ewigkeit zur Nationalelf. Tatsächlich steht sie aber an diesem Donnerstag (22 Uhr/ARD) gegen Norwegen erst vor ihrem Weltmeisterschaftsdebüt. Die Heim-WM 2011 verpasste sie, weil sie sich kurz zuvor einen Innenbandriss zugezogen hatte, später wurde noch ein Meniskusschaden diagnostiziert. Und vor dem ersten Gruppenspiel in Kanada gegen die Elfenbeinküste (10:0) war sie im Training bei einem Torschuss umgeknickt. Nun geht es ihrem linken Sprunggelenk wieder gut: „Ich freue mich wahnsinnig. Ich bin bereit.“

Dabei ist es Marozsan egal, ob sie in dem Duell um den Gruppensieg in ihrer Lieblingsrolle als klassische Spielmacherin aufläuft oder auf der Sechser-Position als Vertretung für Melanie Leupolz vom FC Bayern München (Schambeinprellung) – sie will einfach nur spielen: „Auf der Position, auf der ich der Mannschaft helfen kann.“

Marozsan kennt die Norwegerinnen aus den zwei EM-Partien 2013 in Schweden, als Deutschland in der Vorrunde 0:1 verlor und im Finale 1:0 triumphierte. Damals scheiterten die Norwegerinnen denkwürdig mit zwei Elfmetern an Nadine Angerer. Beim 4:0 zum WM-Vorrundenauftakt gegen Neuling Thailand überzeugten die Skandinavierinnen nicht so wie die Deutschen – und das Team um Jungstar Ada Hegerberg (19) verschoss schon wieder einen Elfmeter, was Angerer in den Katakomben des Lansdowne Park zum Lachen brachte.

Cristiano Ronaldo ist ihr großes Vorbild

Marozsan als Edeltechnikerin könnte besonders auf dem umstrittenen, staubtrockenen Kunstrasen ein wichtiger Faktor werden. „Der Kunstrasen ist schneller, man muss noch präziser und konzentrierter spielen“, meint sie. Gefürchtet auch an der Playstation, verfügt Maro wie ihr Vorbild Cristiano Ronaldo über eine brillante Schusstechnik. Ihr Talent stellte sie jüngst nach ihrer Einwechslung zur Halbzeit bei der WM-Generalprobe in der Schweiz (3:1) unter Beweis. Die personifizierte Spielfreude schoss zwei Tore und hätte fast noch ein drittes erzielt. Allerdings: Die Tochter des früheren ungarischen Nationalspielers Janos Marozsan ruft zu selten in den großen Spielen ihr enormes Potenzial ab, sie ist keine Leaderin – zumindest bisher.

Laudehr charakterisiert Marozsan als „ruhigen, gelassenen, relaxten Typ“, mit dem man „aber auch Witze reißen kann“. Vielleicht ist sie (noch) zu ruhig für eine Führungsrolle. Weiter gereift sein dürfte sie am Champions-League-Sieg mit dem 1. FFC Frankfurt. Vor der Saison hatte sie vorschnell auf Facebook ihren Wechsel zum französischen Topclub Olympique Lyon verkündet. Das ist nun kein Thema mehr. „Ich habe in Frankfurt noch einen Vertrag bis 2016“, sagt sie. Ihr Thema ist derzeit die WM.