Hooligans sind im Blick der Polizei: Auch bei Kundgebungen mit politischen Zielen treten sie – wie hier am 15. November in Hannover – immer wieder auf Foto: dpa

Vor ein paar Jahren schien es, als seien die Hooligans kurz vor dem Aussterben. Doch nun sind sie zurück. In den Stadien, aber auch Seite an Seite mit Rechtsextremen bei fremdenfeindlichen Veranstaltungen.

Berlin - Wie viele Hooligans gibt es in Deutschland?
Die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) der Polizei in Duisburg schätzt die Zahl der Fans in den Kategorien B (gewaltbereit) und C (gewaltsuchend) von der Bundes- bis zu den fünf Regionalligen auf 17 564. Traditionsvereine aus den Oberligen wie der SV Waldhof Mannheim, der SSV Ulm 1846, der Wuppertaler SV und der 1. FC Lokomotive Leipzig fehlen in dieser Statistik. Da sie ebenfalls zahlreiche Problemfans in ihren Reihen haben, gehen Experten davon aus, dass die Gesamtzahl der Hools über der 20 000-Personen-Marke liegt. Im Südwesten gibt es nach Angaben des Innenministeriums derzeit 1835 Problemfans, davon gehören 1265 der Kategorie B und 570 der Kategorie C an.
Sind Hooligans unpolitisch?
Nach Einschätzung des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) sind die meisten Hooligans „politisch indifferent“. Auch die Bremer Hooligan-Rockband Kategorie C propagiert in einem Lied, Fußball sei Fußball, Politik bleibe Politik. Doch Kenner der Szene widersprechen dem vehement. „Es ist die Lebenslüge der Hooligans, unpolitisch zu sein“, sagt der Politologe Richard Gebhardt im Gespräch mit unserer Zeitung. Schon in den späten 1970er Jahren im englischen Millwall, als der Hooliganismus in seiner heutigen Form entstanden ist, unterhielt die Fußball-Subkultur Beziehungen zur rechtsextremen Partei National Front. „Auch die deutsche Hooligan-Szene hatte immer schon eine rechtsoffene Flanke“, sagt Gebhardt. Das sei lange übersehen worden, weil die Öffentlichkeit der Selbstinszenierung der Hools gefolgt sei. Der Experte aus Aachen betont jedoch auch: „Nicht jeder Hooligan ist gleich ein Neonazi.“
Wie viele Hooligans sind in Deutschland dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen?
Unter den Anhängern der 36 Bundesligavereine geht die ZIS von 400 rechtsextremen Hools aus. Eine Zahl, die Gebhardt für deutlich zu gering veranschlagt hält: „Das ist nur die Spitze des Eisbergs.“ Das Problem ist: Nachdem deutsche Hooligans den französischen Gendarmen Daniel Nivel am Rande eines WM-Vorrundenspiels 1998 in Lens ins Koma geprügelt hatten, wurden hierzulande die Sicherheitsmaßnahmen bei Spielen erheblich erhöht. „Die Hooligans waren nie komplett verschwunden, aber in den Stadien führten sie eine Art Schattenexistenz“, erklärt Gebhardt. In den Kurven und bei der Polizei rückten die Ultras, eine häufig eher linksorientierte Subkultur, in den Fokus. Hool-Gruppen trafen sich stattdessen außerhalb der Fußballarenen zu sogenannten Drittort-Begegnungen, „Prügeleien auf Wald und Wiese“, wie Gebhardt es nennt.
Wann kehrten die Hooligans hierzulande auf die öffentliche Bühne zurück?
In den vier, fünf vergangenen Jahren meldeten sich die Hooligans mit Übergriffen auf Ultra-Gruppierungen erst in den Stadien zurück. Zuletzt traten sie auch vermehrt bei politischen Veranstaltungen auf. Vor allem in Nordrhein-Westfalen und in Sachsen. „Die Hooligans haben ihre Kampfzone erweitert“, sagt Gebhardt. Die Bewegung „Hooligans gegen Salafisten“ (Hogesa) hat mit ihrer Demonstration Ende Oktober am Kölner Hauptbahnhof gezeigt, dass die Dunkelziffer der rechtsextremen Hools sehr wahrscheinlich deutlich höher ist als von den Behörden bisher angenommen. Damals protestierten 4800 Hooligans an der Seite von Neonazis gegen radikale Islamisten. Es kam zu schweren Krawallen. Die zweite Hogesa-Kundgebung in Hannover durfte nur unter strengen Auflagen stattfinden. Auffällig: Besonders unter den Hogesa-Teilnehmern in Köln waren viele ältere Hooligans, die schon in den 1990er Jahren öffentlichkeitswirksam aufgetreten waren, wie etwa der rechte Aktivist und Dortmunder Ex-Stadtrat Siegfried Borchert von der sogenannten Borussenfront.
Was ist aus der Hogesa-Bewegung geworden?
Der Fanforscher Gunter Pilz sah in Hogesa schon früh nur eine „temporäre Kampfgemeinschaft“ – diese Einschätzung hat sich bewahrheitet. Zwar gibt es Hogesa weiterhin, sie ist aber nur noch eine von mehreren kleinen fremdenfeindlichen Bewegungen. Viele Hools werfen den Hogesa-Machern vor, nur an einem finanziellen Profit durch Merchandising interessiert zu sein. Sie haben sich deshalb auf Pegida, Legida sowie deren Ableger im Westen konzentriert. In Dresden und Leipzig traten Hooligans von Dynamo Dresden sogar als Ordner auf. Unter den 4000 Menschen, die nach dem Führungschaos und der Rückkehr des umstrittenen Lutz Bachmann zuletzt noch zu Pegida gingen, sind überwiegend Hooligans gewesen. Auch die Ableger in Bonn und Düsseldorf werden von vielen Fußball-Krawallmachern unterstützt. Die Organisatorin von Bogida und Dügida, Melanie Dittmer, hat exzellente Kontakte zur Hooligan-Szene.
Was ist zu erwarten von den Hools?
Aus der Hogesa-Bewegung ist in „Gemeinsam–Stark Deutschland“ (GSD) ein Verein hervorgegangen, der Potenzial besitzt. Bei einer ersten Demonstration in Ludwigshafen kamen vor drei Wochen zwar nur 400 Teilnehmer. Der Verein mit Sitz in Fulda erhofft sich allerdings schon bei seiner nächsten Kundgebung im März in Erfurt deutlich mehr Zuspruch, insbesondere auch aus der bürgerlichen Mitte der Gesellschaft. „Hooligans reklamieren für sich, ein Querschnitt der Mitte der Gesellschaft zu sein, und greifen angeblich tabuisierte politische Debatten auf“, sagt Politologe Gebhardt, „sie verstehen sich als Avantgarde.“ Das sei ein neues Level. Vor allem für Jugendliche und junge Erwachsene, die sich sozial benachteiligt fühlen, könnte die Hooligan-Szene so attraktiv und salonfähig werden. Gebhardt warnt daher: „Es ist alles andere als ausgeschlossen, dass die Hooligan-Szene eine Renaissance erlebt.“ -