Vom SC Paderborn freigestellt: Nick Proschwitz. Foto: dpa

Zweitligist trennt sich nach Entgleisung im Trainingslager vom Stürmer. Trainer Stefan Effenberg darf bleiben. Sportpsychologin sagt: „Einigen Profis fehlt die Bodenhaftung.“

Stuttgart/Paderborn - Die Geschichte, die vom Boulevard längst schlagzeilenträchtig als „Penis-Affäre“ ausgeschlachtet wird, hat Konsequenzen nach sich gezogen. Fußball-Zweitligist SC Paderborn stellte seinen Angreifer Nick Proschwitz mit sofortiger Wirkung frei. SCP-Präsident Wilfried Finke sagte, dass „der Spieler Nick Proschwitz das Trikot des SC Paderborn nicht wieder überstreifen wird“.

Dies sei, so Finke weiter, das Ergebnis seiner intensiven Recherche zu den Vorfällen im Trainingslager des SCP. Der 29 Jahre alte Proschwitz hatte beim feuchtfröhlichen Abschlussabend des Trainingslagers in der Sportsbar eines Fünf-Sterne-Hotels offenbar jegliche Kontrolle verloren, entblößte dabei in Anwesenheit einer Frau sowohl sein Geschlechts- als auch sein Hinterteil.

„Mir ist völlig egal, wie tief die Hose hing. Als Spieler des SC Paderborn, als Gast in einem muslimisch geprägten Land, ist dafür einfach kein Platz. Ich verurteile und verabscheue dieses Verhalten“, sagte Finke. Man werde nun prüfen, ob „Schadensersatzforderungen zu stellen sind“, sagte Finke. Dafür habe man einen „Arbeitsrechtler hoher Qualität beauftragt“, der sich mit dieser Thematik auseinandersetzen werde.

Effenberg bleibt Trainer

Trainer Stefan Effenberg dagegen bleibt trotz des Eklats um Proschwitz im Trainingslager im türkischen Belek Trainer des SCP. Dies bestätigte Präsident Wilfried Finke auf der kurzfristig anberaumten Pressekonferenz am Montagabend. Auch Manager Michael Born bleibt im Amt. Wilfried Finke sprach von „sehr vertrauensvollen“ Gesprächen mit Stefan Effenberg und Michael Born, die er am Montag geführt hatte, und sagte, er sehe „keine Ursache, an deren Aussagen zu zweifeln“.

Finke ergänzte: „Tatsache ist, dass die Herrschaften nicht dabei waren und keine Kenntnis davon hatten. Die Bettruhe war um 1 Uhr, der Trainer, die Co-Trainer und auch Michael Born haben diese Bettruhe eingehalten. Wir konnten bei der Befragung nicht den Ansatz einer Unregelmäßigkeit feststellen“, sagte Finke.

Wie auch immer – der Fall Proschwitz passt ins Bild von einigen Entgleisungen im Profifußball in der jüngeren Vergangenheit. Drei Spieler des englischen Erstligisten Leicester City etwa beleidigten auf der Abschlussfahrt im vergangenen Sommer eine Afrikanerin rassistisch und hatten Geschlechtsverkehr mit ihr – angeblich in gegenseitigem Einvernehmen. Englands Superstar Wayne Rooney hatte vor sieben Jahren wiederholt Sex mit einer Prostituierten, während seine Frau Coleen schwanger war. Und jüngst filmte sich der französische Nationalspieler Mathieu Valbuena (31) hat mit seiner Freundin per Smartphone. Angeblich fanden Freunde von Teamkollege Karim Benzema das Telefon und drohten Valbuena, das intime Filmchen zu veröffentlichen. Benzema soll dem Kollegen angeblich geraten haben, die geforderten 150 000 Euro zu bezahlen, was Benzema (27) später über seinen Anwalt bestritt.

Psychologin: Bodenhaftung fehlt

Warum also gibt es im Profifußball offenbar vermehrt diese Entgleisungen mit sexuellem Hintergrund? Dorothee Alfermann, Professorin für Sportpsychologie an der Uni Leipzig und studierte Sportsoziologin, hat sich mit dem Thema befasst – und Erklärungen gefunden. „Fußball ist nach wie vor eine sehr männliche Sportart, jeder will und muss in diesem Denken immer der stärkere sein“, sagt Alfermann. „Und einige Spieler sehen sich in diesem Gefühl von Stärke und Dominanz schon mal von vornerein als etwas besseres an als eine Frau.“

Alfermann ergänzt, dass die Gruppensituation unter Männern wie in einem Trainingslager das Dominanz-Denken noch weiter fördere – wie etwa im Fall Nick Proschwitz. „Da war es offenbar so, dass jemand den anderen zeigen oder beweisen musste, dass er ein ganz toller Hecht ist. Und wenn dazu Alkohol im Spiel ist, kommt das eine zum anderen“ , sagt Alfermann, die in den Ausfällen auch einen gruppendynamischen Prozess sieht: „Wenn Sie die betroffenen Profis alleine auf der Straße treffen, sind sie womöglich oftmals die schüchternen Jungs von nebenan. In der Gruppe werden sie dann aber vielleicht ausfällig und aggressiv – bei Hooligans ist diese Problematik ja auch oft zu erkennen“, meint Alfermann, „da geht es wieder ums Stärke zeigen im Kollektiv.“

Clubs in der Pflicht

Warum aber scheinen Fußballer tendenziell ein bisschen anfälliger zu sein für solche Aussetzer? Die Professorin der Uni Leipzig betont, dass einigen Profis die Bodenhaftung fehle – und das aus gutem Grund: „Fußballer werden oft zu früh verehrt und kommen sich dann oft vor wie Halbgötter, die sich alles erlauben können.“

Wie aber kann man als Verein gegen die möglichen Entgleisungen ankämpfen? Dorothee Alfermann nimmt vor allem die Trainer in die Pflicht. „Sie haben auf allen Ebenen eine absolute Vorbildfunktion. Zudem müssen die Führungskräfte des Clubs die Profis an der Ehre packen,wenn es sein muss vor jedem Trainingslager“, sagt die Psychologin: „Man muss den Spielern klarmachen, dass es – bei allem was sie auf und außerhalb des Platzes tun – um ihr persönliches Ansehen und um das des Vereins geht.“ Und wenn diese Ansage mit klaren Benimmregeln öfters nötig sei, meint Alfermann, „dann muss man sie als Verein eben lieber einmal zu viel als zu wenig äußern.“