Die Erlösung: Joker Max Kruse (Mi.) trifft zum 2:1 – seine Teamkollegen jubeln mit ihm Foto: Getty

Die deutsche Mannschaft hat ein fußballerisches Feuerwerk angekündigt. Doch beim 2:1 im letzten EM-Qualifikationsspiel gegen Georgien löst sie das Versprechen nicht ein. In die Freude über die EM-Qualifikation mischen sich deshalb auch Sorgen, denn der Motor der DFB-Elf ist ins Stottern geraten.

Leipzig - Den Blick ins polnische Warschau wollten sich die deutschen Fußball-Nationalspieler eigentlich ersparen. Man wollte in Leipzig aus eigener Kraft das Ticket für die Europameisterschaft in Frankreich (10. Juni bis 10. Juli 2016) erspielen. Doch irgendwann in der 55. Minute, als die Georgier im letzten EM-Qualifikationsspiel beim Stande von 1:1 gar Chancen zur Führung hatten, kam sich der eine oder andere der 43 630 Zuschauer in der Red-Bull-Arena vor wie im falschen Film. Jedenfalls stellten sich viele die Frage, wie es im Parallelspiel zwischen Polen und Irland steht. Denn eine Pleite der DFB-Elf gegen den 110. der Weltrangliste und ein Remis in Warschau, soviel stand fest, hätte dafür gesorgt, dass das Happy End ausgeblieben und das deutsche Team als Gruppendritter in die Play-offs gerutscht wäre.

Doch soweit kam es nicht. Nicht nur weil die Polen 2:1 gewannen, sondern auch Max Kruse – 170 Sekunden nach seiner Einwechslung – die deutsche Nationalmannschaft mit seinem 2:1 (79. Minute) zum Sieg schoss. Allerdings: Ausgelassen feierte die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw den knappen Erfolg gegen den Fußballzwerg aus dem Kaukasus nicht. Es war eher ein kollektives Durchatmen.

Der Weltmeister ließ unzählige Chancen liegen

„Ich bin geschafft, da war ich nicht drauf eingestellt, dass man noch ein Stück zittern musste“, gestand der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Wolfgang Niersbach. Das Problem: Wie schon beim 0:1 in Irland am vergangenen Donnerstag war der Weltmeister zwar dominant, ließ aber unzählige Chancen liegen. „Wir können das gleiche Lied singen wie in Dublin, weil wir unsere Möglichkeiten nicht gemacht haben“, sagte Löw und fügte an: „Grundsätzlich bin ich aber zufrieden, dass wir die Qualifikation geschafft haben.“ Und Siegtorschütze Max Kruse meinte: „Der Gegner hat es uns schwer gemacht, wir haben einfach nicht die Lücke gefunden.“ Für Nationaltorhüter Manuel Neuer verwunderlich: „Im Training schießen wir 50 Tore, aber gegen solche Teams tun wir uns sehr schwer. Wir brauchen mehr Konzentration vor dem gegnerischen Tor. Die fehlt uns im Moment.“

Tatsächlich, allein die erste Halbzeit kam dem Betrachter vor wie ein Lehrfilm für Einbahnstraßenfußball. Eben mit dem einen Haken: Die deutsche Elf hatte vergessen, die Effizienz ins Drehbuch zu schreiben. Zwar rannte die Mannschaft im Minutentakt auf den Kasten der Georgier zu, doch verpasste sie ein Tor zu erzielen. Klappe, die erste! Thomas Müller scheiterte bereits nach drei Minuten am georgischen Schlussmann Nukri Rewischwili. Zehn Zeigerumdrehungen später – Klappe, die zweite! Marco Reus donnerte den Ball sieben Meter vor dem gegnerischen Tor in den Leipziger Nachthimmel. Und so ging es weiter. Im Fokus der Kameras stand dabei – wie es sich für einen spannenden Film gehört – das Privatduell zweier Protagonisten. In diesem Fall: Reus gegen Rewischwili. Einmal verzog der Dortmunder Offensivmann aus spitzem Winkel (30.), dann parierte der Torwart eine Direktabnahme des 26-Jährigen sensationell.

Für das deutsche Team gab’s Pfiffe

Die Bilanz: Nach nur 16 Minuten hatte die deutsche Mannschaft allerhand Traumkombinationen gezeigt, doch ohne Torerfolg. Und wie es eben bei einer Wiederholung im Fernsehen ist, nicht alle wollen sie sehen. Pfiffe gab’s deswegen für die Weltmeister beim Gang in die Kabine, weil ihnen gegen die Defensive des Underdogs wenig einfiel.

Dann schien der Knoten geplatzt zu sein. Georgiens Kapitän Jaba Kankawa fällte Mesut Özil im Sechzehner. Thomas Müller verwandelte den Foulelfmeter (50.). Doch Kankawa zog nach einer verunglückten Kopfballabwehr von Jonas Hector ab – 1:1 (53.). Das große Zittern begann. Bis Max Kruse kam und traf. Trotz der Zitterpartie ist Manuel Neuer für die EM 2016 nicht bange: „In Frankreich spielen wir ja gegen Gegner, die sich nicht zu Elft hinten reinstellen, sondern mitspielen. Das wird uns helfen.“ Und das macht Hoffnung.