Spielerisch elegant, technisch stark: Laura Georges und die Französinnen zeigten im WM-Achtelfinale gegen Südkorea, warum viele Experten sie für einen ernsthaften Titelanwärter halten Foto: dpa

Treffen der WM-Giganten: Auf die deutschen Fußballerinnen wartet an diesem Freitag (22 Uhr/MESZ) die bisher schwerste Aufgabe bei der WM in Kanada. „Frankreich“, sagt Spielführerin Nadine Angerer, „ist für mich der Topfavorit.“

Montreal - Bundestrainerin Silvia Neid, ihre Assistentin Ulrike Ballweg und Managerin Doris Fitschen saßen pflichtbewusst unter dem stickigen Zeltdach des Olympiastadions von Montréal. Es galt, ViertelfinalGegner Frankreich vor Ort zu analysieren. Einmal musste Fitschen den Platz wechseln, weil sie so große Kerle vor sich sitzen hatte. Ansonsten sah das Trio beim französischen 3:0-Sieg über Südkorea genau, was „Les Bleues“ so stark macht. „Frankreich ist eine technisch brillante Mannschaft, die auf allen Positionen hervorragend besetzt ist“, sagte Neid, „ich erwarte ein Spiel von zwei gleichwertigen Gegnern, die sich nichts schenken werden.“

Das Duell lautet: Weltranglisten-Erster gegen -Dritter. Oder: zweimaliger Weltmeister gegen Geheimfavorit. „Frankreich ist für mich ganz klar eine der besten Mannschaften der Welt“, sagte Doris Fitschen über den EM-Gastgeber von 2017, der allerdings als bisher größten Erfolg den Gewinn des Zypern Cups 2012 in seiner Medienbroschüre stehen hat, „es ist schade, das zwei so starke Mannschaften schon im Viertelfinale aufeinander treffen. Wir hätten gegen Frankreich gerne das Finale bestritten.“

"1986 haben wir die Deutschen unterschätzt"

Die Französinnen werden ähnlich denken. Ihr Coach Philippe Bergeroo stand bei der Männer-WM 1986 in Mexiko als dritter Torhüter der „Équipe tricolore“ im Kader. Damals verlor Frankreich im Halbfinale gegen Deutschland 0:2. „1986 haben wir die Deutschen unterschätzt, daraus habe ich meine Lehren gezogen“, schlug der 61-Jährige einen historischen, geschlechterübergreifenden Bogen, „aktuell haben die Deutschen das beste Frauen-Team auf der Welt, wir bringen ihnen großen Respekt entgegen.“

Neben dem gegenseitigen Respekt verbindet viele Spielerinnen der beiden Kontrahenten auch eine Freundschaft. „Die Deutschen haben eine große Historie im Frauenfußball“, meinte Élodie Thomis (28), pfeilschnelle Angreiferin von Olympique Lyon. Sie habe als Teenie im Fernsehen Birgit Prinz und Kerstin Garefrekes bewundert. Thomis nannte Celia Sasic, die auch einen französischen Pass besitzt, einen „Kumpel“. Und sie warnte noch vor anderen wie Lena Goeßling, Leonie Maier oder Dzsenifer Marozsan, dem „grand bébe“(„Riesenbaby“), wie Thomis liebevoll sagte.

Es wechseln nicht nur immer mehr deutsche Fußballerinnen in die französische Liga – zur neuen Saison zum Beispiel Anja Mittag (zu Paris Saint-Germain) und Pauline Bremer (zu Olympique Lyon). Die Spielerinnen kennen sich auch deshalb gut, weil sie in der Jugend oft gemeinsame Trainingslager absolvierten, die vom Deutsch-Französischen Jugendwerk initiiert wurden. Thomis empfand das durchaus als Entwicklungshilfe. Die damalige Jugendtrainerin Neid schätzte schon Bergeroos Vorgänger Bruno Bini.

Kraftvolles Spiel gegen Eleganz und Schnelligkeit?

Bleibt die Frage, was Bergeroo nach seiner Amtsübername nach der EM 2013 bei den zuvor schon technisch sehr starken Französinnen verändert hat? „Aus dem Männerfußball brachte er ein wenig mehr Professionalismus rein, er legt viel Wert auf die Defensivarbeit und hat uns physisch weitergebracht“, erklärte Wendie Renard (1,87 m), Abwehrstar der Französinnen.

Bergeroo wurde gefragt, ob das WM-Viertelfinale ein Duell der verschiedenen Stile sei? Das kraftvolle deutsche Spiel gegen die Eleganz und Schnelligkeit der Französinnen? „Nein“, antwortete er, so passe das nicht: „Die Deutschen sind auch stark am Ball, wir haben uns im physischen Stil weiterentwickelt.“

Einen großen Heimvorteil werden „Les Bleues“ um die beiden Toptorschützinnen Eugénie Le Sommer und Marie-Laure Delie (je drei) am Freitag im frankophonen Montréal wohl nicht haben, gegen Südkorea kamen am Sonntag nur 15 518 Zuschauer. Ob es sich anders spiele unter dem Dach? „Es fühlt sich nicht anders an, die Klimaanlage ist gut“, sagte Amandine Henry, die grandiose Mittelfeldstrategin, die zum zweiten Mal im Turnier „Spielerin des Spiels“ wurde.

Wenn man so will, ist das Duell bei der Frauen-WM in Kanada eine gute Chance auf eine Revanche für das WM-Viertelfinale 2014 der Männer in Brasilien, das 1:0 für die DFB-Elf ausging. „Für unsere Jungs lief es schlecht“, sagte Renard, „ich hoffe sehr, dass es für uns besser endet.“