Halbfinale gegen Italien als Etappe auf Weg zum großen Coup: mit Selbstvertrauen und Unberechenbarkeit.

Danzig - Die deutschen Spieler und ihr sportliches Umfeld sind auf Erfolg gepolt. Der Titelgewinn ist fest eingeplant. „Wir sind noch nicht am Ende“, sagt Kapitän Philipp Lahm, „wir haben einen sensationellen Kader und so viel Qualität, dass nur der Finalsieg unser Ziel sein kann.“ Davon geht auch Franz Beckenbauer aus: „Wer seit dem WM-Halbfinal-Aus 2010 alle 15 Pflichtspiele gewonnen hat, muss keinen Gegner fürchten“, sagte der Kaiser. Er könne „kaum Schwachstellen im deutschen Team erkennen“. Deshalb spiele es keine Rolle, dass es nun am Donnerstag (20.45 Uhr/ARD) in Warschau gegen die Squadra Azzurra gehe: „Auch wenn die Italiener als unser Angstgegner bei Turnieren gelten und uns 2006 im Halbfinale rausgeworfen haben – diesmal kann uns der Gegner eigentlich egal sein.“

Bundestrainer Joachim Löw und die Spieler haben den Weg der Italiener durch das Turnier verfolgt, die ganz großen Sorgenfalten haben ihnen die Eindrücke aber nicht auf die Stirn gebrannt. „Es wird schwer für sie, uns zu schlagen“, sagt Sami Khedira. Auch Philipp Lahm schreckt der Gegner nicht über die Maßen: „Der Druck ist immer da, egal gegen wen. Schließlich wollen wir ins Finale“, sagte er am Sonntag, dem ersten komplett freien Turniertag der deutschen Mannschaft. Die Spieler mussten erst um 20 Uhr im Hotel sein. Nach dem Essen saßen sie vor dem Fernseher, um den Halbfinalgegner zu begutachten.

Allen gemeinsam ist die Gelassenheit. Nach vier Siegen in vier Spielen tritt die Mannschaft mit breiter Brust im Halbfinale an, ungeachtet des Gegners. „Italien – was will man mehr? Wir können uns auf einen echten Klassiker freuen“, sagte Lahm. Die Squadra Azzurra sei stark, „aber sie freuen sich nicht, gegen uns zu spielen“. Denn spätestens mit dem 4:2 gegen Griechenland hat die deutsche Mannschaft den Rest Europas beeindruckt, nicht zuletzt wegen der spektakulären Personalrochade von Joachim Löw.

„Wir haben die Griechen mit vielem schlichtweg überfordert“

Der Bundestrainer hatte gegen die Griechen sämtliche bisherigen Torschützen aus der Startelf genommen: Für Mario Gomez (3 EM-Tore), Lukas Podolski und Lars Bender (je 1) kamen Miroslav Klose, André Schürrle und Marco Reus zum Einsatz. Der Plan ging auf, was Löw diebisch freut. „Wir haben die Griechen mit vielem schlichtweg überfordert“, frohlockt er.

Die hohe Flexibilität im Kader macht auch auf die Italiener Eindruck, weil sie die deutsche Elf noch unberechenbarer macht. Löw ist zuzutrauen, dass er an der neuen Formation festhält – aber genauso gut, dass er zur alten Startelf zurückkehrt oder nur einzelne Positionen umbesetzt. Intern ist der Kampf um die Plätze jedenfalls voll entbrannt, auch das war Löws Absicht. „Ich gehe davon aus, dass ich im Halbfinale wieder spielen werde“, sagt Lukas Podolski. Gesetzt sind aber nur Torhüter Manuel Neuer, die Abwehrkette und die Mittelfeld-Asse Mesut Özil, Sami Khedira und Bastian Schweinsteiger – falls dessen Knöchelverletzung einen Einsatz überhaupt zulässt.

Nationalelf wird nach Halbfinale nicht in Stammquartier nach Danzig zurückkehren

Auch wenn der Optimismus groß ist – die Organisatoren des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) halten sich bei der weiteren logistischen Planung alle Optionen offen. Lange Zeit war es eine geheime Kommandosache, die Georg Behlau als Leiter des Büros Nationalmannschaft in den vergangenen Tagen anführte. Nach vielen Gesprächen, Diskussionen und Rückfragen steht nun fest: Die Nationalmannschaft wird nach dem Halbfinale nicht mehr in ihr Stammquartier nach Danzig zurückkehren. Am Mittwoch fliegt sie um 12 Uhr in die polnische Hauptstadt. Sollte sie das Halbfinale gewinnen, fliegt sie am späten Nachmittag nach Kiew, wo am Sonntag das Finale steigt. Im Falle einer Niederlage tritt die Mannschaft am Freitagmittag die Heimreise nach Frankfurt an. Beim Finaleinzug ist der Rückflug von Kiew für Montagmittag geplant. Der Zielort hängt von der Frage ab, ob und wo es einen Empfang gibt.

Die Spieler sind jedenfalls bereit, der EM einen triumphales Ende zu bereiten. Das Halbfinale soll nur eine Etappe auf dem Weg zum großen Coup sein, wie Philipp Lahm bekräftigt. Für den Kapitän bleibt Welt- und Europameister Spanien „das Maß aller Dinge“ im Turnier: „Die Spanier gilt es zu schlagen.“ Das ist die ultimative Herausforderung – bei allem Respekt für die Italiener.