Die Chopper Ladies vereint ein besonderer Spirit: Lebensgefühl, Freiheit, die Flucht aus dem Alltag. Foto: Chopper

Sie lieben den satten Sound, den mächtigen Hubraum und das Gefühl von Freiheit. Die vor fünf Jahren in Ludwigsburg gegründeten Chopper Ladies Baden-Württemberg räumen mit Klischees beim Thema Frauen und Motorrad auf.

Motorradfahren spricht alle Sinne an, und es macht einfach glücklich. Es ist ein Lebensgefühl, das für Außenstehende schwer zu erklären ist. „Es ist eine Form von Freiheit, ein ganz spezieller Spirit“, sagt Conny Vogt. Im Moment kann man sich die zierliche Frau in ihrem luftigen Sommerkleid, die an ihrem Cappuccino nippt, nur schwer in Lederkluft vorstellen. Dabei fährt die 56-Jährige nicht irgendein Motorrad – sie ist Besitzerin einer Harley Davidson Fat Boy – das breitbeinigste Modell des US-Herstellers: hoher Lenker, tiefe Sitzbank, viel Chrom, 93 PS, Gewicht 317 Kilogramm. Kultstatus erfuhr die Maschine im Film „Terminator 2: Tag der Abrechnung“, als Arnold Schwarzenegger an einem Abwassergraben entlang rast, um den jungen John Conner zu schützen. Satter Sound, mächtiger Hubraum, verteilt auf zwei Zylinder in V-Form – dafür kann sich auch Vogt begeistern. Spektakulär ist, dass die Maschine das Maximum ihrer Kraft schon bei 3000 Umdrehungen freisetzt.

25 Bikerinnen zählen zum harten Kern

Vor sechs Jahren hat sich die Besigheimerin den Traum vom eigenen Bike erfüllt. Immer nur alleine zu fahren, das kann zwar auch inspirierend sein, aber noch schöner ist es in der Gruppe. Vielleicht war es eine schicksalhafte Begegnung, vielleicht einfach nur Zufall: An einer Ampel lernte sie beim Warten Figen Sengül aus Ludwigsburg kennen, ebenfalls eine begeisterte Chopper-Fahrerin, die schon lange auf der Suche nach Gleichgesinnten war. Über Facebook kamen noch weitere Bikerinnen dazu. „Dann wollten wir dem Ganzen Struktur geben und gründeten vor fünf Jahren zusammen mit Tanja Hagenath die Chopper Ladies Baden-Württemberg“, sagt Vogt. 25 Motorradfahrerinnen im Alter zwischen 45 und 60 Jahren zählen zum harten Kern. Sie kommen aus dem Raum Ludwigsburg, Stuttgart, Heilbronn, Karlsruhe bis hinauf auf die Alb. Von der Erzieherin bis hin zur Unternehmerin, von der Friseurin bis hin zur Akademikerin reicht das Spektrum motorradfahrender Frauen. Auf dem Bike sind alle gleich.

Große Party mit 2000 Gästen in Asperg

Fünf Jahre Chopper Ladies Baden-Württemberg – Zeit für eine kleine Feier. Der Anlass wurde mit einem Sommerfest im Biergarten Tafelhaus in Asperg mit rund 2000 Gästen, Händlern und der AC/DC-Frauen-Coverband „She’s got balls“ gefeiert. „Wir Frauen werden inzwischen respektiert – vor allem bei den Händlern. Da diskutieren wir auf Augenhöhe“, sagt Vogt.

Frauen und Motorräder – das ist eine Beziehung, die lange von Klischees und Kalendermotiven geprägt war. Frauen wurden belächelt. Der Anteil an Fahrerinnen steigt jedoch seit Jahren und eine Studie belegt: Ihr Fahrverhalten ist anders, besonnener und weniger aggressiv als das der Männer. Aber überall da, wo Frauen in von Männern dominierte Bereiche einbrechen, fallen noch immer sexistische Sprüche. Das kann Frauen schon in Rage bringen. Kein Wunder, dass sie deshalb lieber unter sich sind. „Wir müssen niemanden was beweisen, wollen einfach nur Zusammensein und Spaß haben“, sagt Conny Vogt. Sechs Road-Captains sind für diverse Bereiche zuständig. Vogt kümmert sich bei den Ladies unter anderem um die Öffentlichkeitsarbeit.

Fahren in Formation ist anspruchsvoll

Einmal pro Monat findet ein Stammtisch statt, zweimal im Jahr auch mit männlichen Chaptern. Es werden Touren durch Baden-Württemberg organisiert, auch Wochenend-Trips und größere Ausfahrten wie zur Magic Bike Week in Rüdesheim oder zum Harley Treffen am Faaker See. Das Saison-Opening führte dieses Jahr an den Bodensee.

Fahren in Formation ist anspruchsvoll. Der Abstand darf nicht zu groß und nicht zu klein sein. Im Korso fährt man versetzt und nicht in Reihe. Überhaupt dauert es, bis man den Chopper so richtig beherrscht, in der typischen Sitzhaltung mit weit nach vorne gestreckten Beinen. Deshalb bietet die Vereinigung auch Sicherheitstraining für ihre Mitgliederinnen an. Und damit man bei einem Defekt auch selbst anpacken kann, zählen auch Schrauberkurse zum Repertoire: der nächste findet in zwei Wochen statt. Zum Angebot zählen aber auch Fotoshootings – daraus ist ein eigener Kalender entstanden.

Pendeln zwischen zwei Welten

Für Conny Vogt und die anderen Chopper Ladies ist es auch ein Pendeln zwischen verschiedenen Welten. Auf dem Motorrad kann man sich Zeit lassen, den Moment genießen – ein Ausgleich vom Alltag und vom Arbeitsstress. Nur selten nutzen sie die PS ihrer Bikes aus. Meist ist der Weg das Ziel. Cruisen bedeutet die Leistungsreserve des Gefährts eben gerade nicht abzurufen, weil das Standgas schon beinahe reicht. Die Gelassenheit des Motors überträgt sich dann quasi auf das Gemüt. „Man hat Zeit, den Blick durch die Landschaft schweifen zulassen“, sagt Vogt, die einen typischen, kinnfreien Halbschalenhelm trägt.

Bikerinnen engagieren sich auch sozial

Die Chopper Ladies haben aber nicht nur ihr Bike im Blick, sondern engagieren sich auch sozial, unterstützen Obdachlose oder Frauenhäuser mit Kleider- und Sachspenden und organisieren Oster- und Weihnachtsaktionen mit Geschenken für Kinder in Hospizen und Kinderheimen.

Es ist ein Hobby, das verbindet. Man kommt mit anderen Bikerinnen ins Gespräch. Man duzt sich. Baut Netzwerke auf. Reinschnuppern ist übrigens jederzeit erwünscht – aber der Untersatz muss stimmen.