Nach etlichen Besitzerwechseln hat die Waldlust an Schönheit eingebüßt. Das Haus müsste grundlegend saniert werden. Foto: Dombrow

Einst war die Waldlust im Schwarzwald eines der vornehmsten Etablissements Europas – doch seit gut zehn Jahren steht die Jugendstilimmobilie leer. Ein Freudenstädter Denkmalverein hat sich vorgenommen, einen Investor zu finden.

Freudenstadt - Als die chinesische Milliardärin Wenhong Yu durch den Festsaal der Waldlust flanierte und die Aussicht in den oberen Stockwerken bewunderte, glaubte sich Siegfried Schmidt schon fast am Ziel. „Ich habe gehofft, dass sie anbeißt“, sagt der Denkmalschützer und erzählt, dass die Unternehmerin sich schon einmal in eine Schwarzwaldimmobilie verliebt und zugegriffen habe. 2015 kaufte die Chefin eines Schönheitsimperiums ein Sanatorium in Baiersbronn, um es als Obertaler Privatklinik wieder zu eröffnen.

Doch die Chinesin sagte ab und Schmidt wartet seither vergeblich auf den „finanzstarken Glücksritter“, wie er sagt. Auf einen Investor, der wiederbeleben könnte, was seit Jahren zerfällt: das Jugendstilhotel Waldlust in Freudenstadt, einst Nobelherberge für die Reichen, Industriellen und Adligen, die das Kurklima schätzten und den Luxus liebten. Dank Buchungsagenturen in New York und London war das Haus mit seiner weißen Schindelfassade und den Privatbädern voll mit Besuchern aus aller Welt. Ob Filmschauspieler Douglas Fairbanks, der indische Maharadscha von Baroda oder der König von Württemberg, der sich bei der Auerhahnjagd amüsierte – das Grandhotel der Familie Luz gehörte zu den vornehmsten Etablissements in Europa, die Gästeliste konnte sich sehen lassen.

Der Kronleuchter wurden vor Kunstdieben in Sicherheit gebracht

Vom Glanz und Prunk des Hauses ist nur noch wenig übrig. Siegfried Schmidt zieht im Festsaal die Vorhänge zur Seite, das Licht fällt in dicken Bündeln in den Raum und zeigt unerbittlich, wo überall saniert werden müsste. An den Wänden bröckelt der Putz, die raumhohen Spiegel sind halb blind, an der Musikmuschel, über der früher ein Himmel aus dunkelblauem Samt spannte, fällt bald das Geländer ab. „Den Kronleuchter haben wir abgeschraubt und im Rathaus vor Kunstdieben in Sicherheit gebracht“, erzählt Siegfried Schmidt vom Freudenstädter Verein für Kulturdenkmale.

Der 59-Jährige hat sich zusammen mit einer Handvoll engagierter Mitglieder vorgenommen, dem zur Jahrhundertwende erbauten und 1922 erweiterten Hotel wieder eine Zukunft zu schenken. Etliche Betreiberwechsel nach der anfänglichen Blütezeit und zuletzt zehn Jahre Leerstand hätten zerstörerischen Spuren hinterlassen. „Der schlimmste Feind ist Wasser“, sagt Schmid, der als Zeitungsredakteur bei der „Neckar Chronik“ in Horb arbeitet und in seiner Freizeit als Hotelretter im Einsatz ist. Er klettert aufs marode Dach, um nasse Stellen abzudichten, wenn einer der Biberschwanzziegel gebrochen ist. Er führt Touristen, aber auch mögliche Investoren durch die fünf Etagen mit ihren 140 Zimmern. Und er archiviert Fotografien, die die Geschichte des Denkmals dokumentieren.

Ein alter Kamin muss abgetragen werden

Die Statik sei in Ordnung, versichert Schmid bei einem Rundgang durchs Haus. Auf der Terrasse zupft er einen Birkenschössling zwischen den Bodenplatten heraus und wirft einen sorgenvollen Blick auf die morschen Holzbalken an der Fassade. Wo immer es nötig ist, packen die Denkmalschützer an. Sie haben Scheiben ausgetauscht, die von Randalierern eingeworfen wurden. Sie wollen demnächst mit Hilfe der Freudenstädter Feuerwehr einen alten Kamin abtragen, der einzustürzen droht. „Uns geht es um die Erhaltung der Substanz“, erklärt Schmidt. Er hat die Rückendeckung des Eigentümers Wolfgang Thust, ein Wiesbadener Unternehmer und Bruder des ehemaligen Box-Promoters Ebby Thust. Der Verein liebäugelt sogar damit, sich ein Vorkaufsrecht für die zuletzt auf 1,5 Millionen Euro geschätzte Immobilie zu sichern – mit dem Ziel, einen Käufer zu finden, der aus der Waldlust ein Fünf-Sterne-Hotel macht. Die Pläne dazu liegen parat, ein Architekt aus ihrer Runde hat eine Präsentationstafel entworfen, die Schmidt aus einem Nebenzimmer zieht.

Elegant ist die Zukunft, mit viel Glas und teils moderner Architektur. Für 35 Millionen Euro ließe sich das Haus sanieren, haben sie ausgerechnet. Am Waldhang auf dem großzügigen Grundstück sind Lofts eingezeichnet. Wo heute das Wirtschaftsgebäude in sich zusammenfällt, ist ein Spa-Komplex eingezeichnet. Noch zwei Jahre wollen sich die Denkmalschützer geben, um die Anlage zu vermarkten, dann sei Schluss, sagt Schmidt, denn eigentlich hätten sie als Verein ganz andere Ziele.

Im Flur lässt sich ein Aktmodel fotografieren

Auf dem Weg in die oberen Etagen geht es vorbei an einem stillgelegten Aufzug und einem Foto-Shooting. Eine junge Frau, die nackten Brüste teils bedeckt von einem schwarzen Cape, schaut in eine Kamera. Die Polaroidaufnahmen, die entstehen, haben einen morbiden Charme, Kunstfotografie mit Gruseleffekt. Bis zum Jahresende sei das Hotel an den Wochenenden ausgebucht, erzählt Schmidt, die Spenden für die Nutzung gingen in die Vereinskasse. Neben Hochzeitspaaren, die sich auf den stilechten Polstermöbeln ablichten lassen, kommen Urban Explorer, wie die Erkundungswilligen im Szenejargon heißen. In Fotografien fangen sie die Ästhetik des Verfalls an verlassenen Orten ein.

Selbst Geisterjäger meldeten sich immer wieder an, sagt Schmidt. Mit Kamerafallen und Magnetfeldmessungen dokumentieren sie, was in ihren Kreisen längst die Runde gemacht hat: In der Waldlust spukt es. Und das nicht ohne Grund – in Zimmer 437 sei eine der Direktorinnen eines unnatürlichen Todes gestorben, geht das Gerücht. Anfang Oktober würden Spukforscher aus dem Saarland nach Beweisen suchen, sagt Schmidt mit einem nachsichtigen Lächeln. Die Spendeneinnahme ist willkommen, die Gruselklientel ein wenig suspekt. Das könnte auf Dauer dem Image schaden: „Wir wollen auf keinen Fall Deutschlands bekanntestes Spukhotel werden.“