Andrea Sawatzki mangelt es nicht an Engagements. Dennoch unterstützt sie das Projekt. Foto: dpa/Henning Kaiser

Eine Initiative will Frauen ab Ende 40 aus den filmischen Rollenbildern des letzten Jahrhunderts befreien. Sie hat viele prominente Unterstützerinnen.

Es klingt wie die Geschichte eines Science-Fiction-Films: Plötzlich verschwindet ein Viertel der Bevölkerung, als habe es nie existiert. Das Phänomen bezieht sich auf das Bild, das sich die Gesellschaft von Frauen ab Ende 40 macht. In der Bühnensprache würde man sagen: Sie wechseln das Fach – allerdings nicht freiwillig. Im Alter um die 50 stellen viele Frauen fest, dass sie öffentlich nicht mehr wahrgenommen werden.

In Filmen und Serien gilt das buchstäblich, wie eine Untersuchung des Instituts für Medienforschung an der Universität Rostock belegt hat. Auf sieben Männer ab 50, sagt die Journalistin Silke Burmester, „kommen nur drei Frauen, und die kümmern sich: um Männer, Enkel, Blumen. Sie sind betrogen, verlassen, asexuell. Sie haben keine Wünsche, außer nach Harmonie.“ Das Bild der reifen Frau im Film sei in der Zeitkapsel der 90er Jahre irgendwo „zwischen ‚Derrick‘ und ‚Die Camper‘ hängengeblieben“, so Burmester.

Altersgruppe wohl „uninteressant“

Für die Filmschaffenden sei diese Altersgruppe offenbar schlicht uninteressant. „Wir werden nicht einmal ermordet“, stellt die Journalistin sarkastisch fest. „Wie oft war der Fund der Leiche einer ermordeten älteren Frau Ausgangspunkt für einen ‚Tatort‘ oder ‚Polizeiruf‘?“

Burmester (57) hat daher gemeinsam mit der Schauspielerin Gesine Cukrowski (54) eine Initiative ins Leben gerufen, die sich für ein neues Altersbild von Frauen in Film und Fernsehen starkmacht. Es sei überfällig, die Geschichten der 21 Millionen deutschen Frauen über 47 zu erzählen – und sie so zu zeigen, wie sie sind: „unabhängig, eigenwillig, im Aufbruch, verwirrt, wild und schön“. Das Motto der Kampagne lautet „Let’s Change the Picture!“ (Lasst uns das Bild ändern).

Mehr Diversität im Film

Initiativen für mehr Diversität in Film und Fernsehen gibt es einige, und sie haben in den letzten Jahren eine Menge bewirkt. Menschen mit Migrationsgeschichte, früher auf typische Klischeefiguren reduziert, sind in unterschiedlichsten Rollen zu sehen. Auch Menschen mit Behinderung oder sexuellen Orientierungen, die von der Norm abweichen, werden vor der Kamera nicht länger ausgegrenzt.

Burmester, Betreiberin des Online-Magazins „Palais F*luxx“ (Motto: „Für Rausch, Revolte, Wechseljahre“), beklagt jedoch, dass das Thema Alter und insbesondere die geringe Präsenz älterer Frauen bei den Diskussionen über Diversität regelmäßig ignoriert werde.

Zu den Unterstützerinnen der Initiative zählen unter anderem die Schauspielerinnen Andrea Sawatzki (59), Jasmin Tabatabai (55) und Sophie von Kessel (54). Gerade Sawatzki hat nicht zuletzt dank der Verfilmungen ihrer Romane über die Abenteuer der Familie Bundschuh vermutlich keinen Grund, über mangelnde Engagements zu klagen. In der ARD-Komödie „Sterben ist auch keine Lösung“ hat sie kürzlich eine lebenslustige Witwe verkörpert. Trotzdem stellt Sawatzki fest: „Eine Mediengesellschaft, die gezielt Altersdiskriminierung betreibt, verspielt ihre Glaubwürdigkeit.“

Mehr realistische Frauenfiguren

Burmester betont, es gehe nicht um die einzelne Schauspielerin, „die statt der heißen Geliebten heute die sanfte Oma spielt. Es geht darum, auf den Missstand aufmerksam zu machen, dass Frauen ab 47 nicht adäquat abgebildet werden.“

So ist auch die Aussage von Birge Schade (58) zu verstehen: Sie habe die Nase voll und wolle endlich „mehr komplexe und realistische Frauenfiguren über 50 sehen und spielen“. Tabatabai ergänzt, einige der interessantesten Frauen aus ihrem Bekanntenkreis seien 47 und älter: „Sie stehen mitten im Leben, sind auf der Höhe ihres Schaffens und haben der Welt viel mitzuteilen. Es wird höchste Zeit, dass diese Lebensrealität in unseren Filmen widergespiegelt wird.“

Auch junge Leute vernachlässigt

Ausgerechnet ARD und ZDF, deren Publikum im Schnitt um die 60 ist, investieren derzeit nicht zuletzt aus Gründen der eigenen Existenzsicherung mehr Geld in Produktionen für eine jüngere Zielgruppe. Diese Serien erzählen naturgemäß keine Geschichten über Ältere. Burmester kann das nachvollziehen, schließlich hätten die öffentlich-rechtlichen Sender die Jungen viel zu lange sträflich vernachlässigt.

Die unvermeidliche Umschichtung von Produktionsmitteln eröffne jedoch „einen Kampf zwischen Jung und Alt, den wir uns als Gesellschaft nicht leisten können. Es muss um das Miteinander gehen, nicht um die Frage ‚Die oder wir?‘.“ In diesem Sinn fordert auch die Schauspielerin Eleonore Weisgerber (75), dass sich das Bild, das Film und Fernsehen von älteren Frauen vermittelten, an der Realität orientiere: „weil sie der nächsten Generation als Vorbild dienen können“.

Prominente Unterstützung

Unterstützerinnen
Die Liste der Schauspielerinnen, die die Initiative unterstützen, ist gespickt mit Prominenz. Zu den ersten Unterzeichnerinnen des Aufrufs gehören unter anderem Barbara Auer (64), Maria Furtwängler (56), Nina Kunzendorf (51), Jutta Speidel (68), Gisela Schneeberger (74), Esther Schweins (52), Valerie Niehaus (48) und Stefanie Stappenbeck (48).

Diskriminierung
Die Website der Initiatorin Silke Burmester, palais-fluxx.de, weist bereits seit 2021 unter dem Motto #Sichtbarkeit47+ auf die weibliche Altersdiskriminierung hin. „Fröhlich vor sich hin alternde Schauspieler“ wie August Zirner (67), Axel Milberg (66) und Heino Ferch (59), heißt es dort, dürften rüstige Ehemänner spielen, aber die Frauen an ihrer Seite seien regelmäßig 20 Jahre jünger. tpg