Mehr Rechte für saudische Frauen? Foto: Getty Images Europe

Bei einer Abstimmung sind in im erzkonservativen Königreich Saudi-Arabien erstmals auch Kandidatinnen und Wählerinnen zugelassen. Aber was bedeutet das?

Kairo - Am kommenden Samstag findet in Saudi-Arabien eine Premiere statt. Erstmals dürfen Frauen im erzkonservativen Königreich als Kandidatinnen und Wählerinnen an einer demokratischen Abstimmung teilnehmen. Zu verdanken haben sie dies dem verstorbenen König Abdallah, der vor zwei Jahren ein Dekret erlassen hatte, das Frauen das Recht einräumte, an Bezirkswahlen teilnehmen zu dürfen.

Unter den 7000 Kandidaten sind nun 900 Frauen, die für die 284 Bezirksräte antreten. Ein Drittel der Abgeordneten in den Bezirksräten werden allerdings von oben bestimmt. De facto haben diese Räte nur sehr begrenzte Kompetenzen. Sie dürfen Prioritäten für den Straßenbau oder kleinere lokale Infrastrukturprojekte benennen.

Demokratisches Mini-Experiment

Es ist also ein demokratisches Mini-Experiment, das den saudischen Autokraten kein Risiko abverlangt. Selbst im Wahlkampf werden die Grenzen, die den Frauen gesetzt sind, schnell deutlich. Bei diesen Bezirkswahlen gibt es erstmals den Erlass, dass keiner der Kandidaten auf Fotos auf Straßenplakaten erscheinen darf. Wenn die Frauen zu einem Wahlkampftermin fahren, dann nur mit einem männlichen Fahrer, denn bis heute ist es ihnen verboten, in Saudi-Arabien am Steuer zu sitzen. Und sollte die Kandidatin auf einer Wahlkampfveranstaltung ein männliches Publikum ansprechen wollen, darf sie das nur mit Hilfe eines männlichen Vertreters.

Das ist Frauenwahlkampf auf saudisch. „Einige Frauenaktivisten sehen diese Wahlen nur als eine kosmetische Verbesserung, andere glauben, dass dies ein wichtiger Schritt ist“, beschreibt die Frauenrechtlerin Hala Aldosari die Lage. Noura Al Souwayan  sieht die Wahlen als ein Eingangstor für den Beginn der politischen Teilnahme von Frauen. Sie koordiniert „Baladi“ – zu deutsch „Mein Land“ –, eine Kampagne, für die sich ein großer Teil der Kandidatinnen im Vorfeld der Wahlen organisiert hat. Doch bei anderen saudischen Frauenrechtlerinnen sind nach ursprünglichem Enthusiasmus die Erwartungen kurz vor den Wahlen eher gedämpft. „Was passiert, wenn keine Frau gewinnt? Dann bleibt alles so, wie es ist“, fürchtet Fatin Bundagji, die im Aufsichtsrat der Handelskammer von Dschidah sitzt und Sprecherin für  „Baladi“ ist.

Eine Kandidatin saß 73 Tage im Gefängnis

Eine der Kandidatinnen ist Loujain Hathloul. Sie erlangte Berühmtheit, als sie letztes Jahr mit ihrem Auto – ausgestattet mit einem Führerschein aus den Arabischen Emiraten und einer Videokamera – über die saudische Landgrenze zwischen den Emiraten und Saudi-Arabien fahren wollte. Für diese Aktion wurde sie mit 73 Tagen Gefängnis bestraft. Nachdem die saudischen Behörden zunächst ihre Kandidatur nicht zugelassen hatte, wurde dieser Beschluss vor wenigen Tagen aufgehoben. Ursprünglich wollte sie nur antreten, um die Zahl der Kandidatinnen zu erhöhen. Nun hofft sie auf eine Chance, doch einen Sitz in einem Bezirksrat zu erobern.

Mehr Rechte für saudische Frauen? In Saudi-Arabien sind Reformen mit diesem Ziel ein mühsamer, mit Rückschlägen verbundener Weg. Die Kampagne der Frauen, sich endlich ans Steuer setzen zu dürfen, ist bisher gescheitert.

Auf dem Arbeitsmarkt setzen sich saudische Frauen bereits durch

Vor zwei Jahren bestellte der damalige König Abdallah erstmals Frauen in den Schura-Rat, einem nationalem Gremium, deren Mitglieder ausschließlich vom Königshaus bestimmt werden. Das letzte Wort hat aber immer der König. Auf dem Arbeitsmarkt haben sich die Frauen in den letzten Jahren freilich immer mehr durchgesetzt – so dürfen sie eigene Firmen gründen.

Doch selbst die Teilnahme von Frauen an relativ unbedeutenden Wahlen stößt bei den Konservativen im Wüstenstaat auf Widerstand. Als Abgeordnete in einem Bezirksrat könne sie nicht in einem Raum zusammen mit den Männern die lokalen Probleme lösen, damit sei ihre Teilnahme wertlos, argumentiert Scheich Fahid Bin Meteb Al-Sabei. Ein anderer Scheich, Abdel Rahman Bin Nasser El-Barak, hat gar eine Fatwa gegen die Kandidatur von Frauen erlassen. Die Vermischung der Geschlechter korrumpiere die saudische Gesellschaft, heißt es in dem islamischen Rechtsgutachten. Auch andere konservative Scheichs laufen Sturm gegen „das Unheil des Frauenwahlrechts“.

Aber in der öffentlichen Debatte, vor allem in den im Land sehr intensiv genutzten sozialen Medien, befürworten die meisten saudischen Frauen und Männer das Frauenwahlrecht. „Statt über die Gefahren des Kriegs im Jemen und unsere Toten debattieren wir über die vermeintliche Gefahr, sollte in unserem Land eine Frau gewählt werden“, heißt es anklagend im Internet.