Ministerin Altpeter verordnet Kommunen Gleichstellungsbeauftragte. Foto: dpa

Die Ankündigung im Koalitionsvertrag war eindeutig. Man wolle dafür sorgen, dass Frauen im öffentlichen Dienst gleiche Chancen haben wie Männer. Nun macht Grün-Rot ernst. Sie verordnet größeren Kommunen Gleichstellungsbeauftragte.

Stuttgart - Als Grüne und SPD im Frühjahr 2011 ihren Koalitionsvertrag in Stuttgart nach der gewonnenen Landtagswahl besiegelten und das grün-rote Papier mit dem Slogan „Der Wechsel beginnt“ stolz in die Kameras hielten, hatten sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann und sein Stellvertreter Nils Schmid einiges vorgenommen. Man wolle den Haushalt sanieren, die Polizeistruktur reformieren, in Baden-Württemberg den überfälligen Nationalpark installieren, und, und, und. Vor allem den Grünen war noch ein Punkt besonders wichtig: Die Gleichstellung von Männern und Frauen im öffentlichen Dienst. Tenor der Aussagen damals: Es müsse Schluss sein mit der Männerdominanz auf wichtigen Posten, Frauen seien oftmals mindestens genauso talentiert, würden aber zu selten zum Zug kommen.

Nun, ein gutes halbes Jahr vor Ende der Legislaturperiode und damit vor der Landtagswahl, löst Grün-Rot diesen Punkt als eines der letzten Versprechen aus dem Koalitionsvertrag ein. Dass das neue Chancengleichheitsgesetz seit Bekanntwerden der ersten Eckpunkte im März dieses Jahres so lange bis zu seiner Fertigstellung gebraucht hat, kommt nicht von ungefähr. Aus den einzelnen Ministerien, so hieß es am Wochenende, gab es immer wieder Einwände und Korrekturvorschläge. „Da ist jetzt einiges verwässert worden“, so ein Minister, der nicht genannt werden will, weil das Thema einer gewissen Brisanz unterliegt. Wer bei der Frauenförderung sich zu kritisch äußere, komme leicht in den Verdacht, frauenfeindlich zu sein.

Zumindest der noch unveröffentlichte Gesetzentwurf aus dem Haus von Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD), wie er unserer Zeitung vorliegt und wie er am Dienstag vom Kabinett beraten und dann zur Anhörung freigegeben werden soll, hat aber klare Eckpunkte. Man wolle die „tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung“ stärken und vorantreiben. So werden die Landkreise sowie die Städte mit über 50 000 Einwohnern künftig verpflichtet, einen Gleichstellungsbeauftragten zu benennen. Damit wolle man „die Sensibilisierung für die noch immer bestehende Unterrepräsentanz von Frauen insbesondere in Positionen mit Vorgesetzten- und Leitungsaufgaben stärken“.

Mehr Einfluss bei der Besetzung neuer Stellen

In Kommunen mit weniger als 50 000 Einwohnern soll die Chancengleichheit ebenfalls verstärkt ins Visier genommen werden, hier muss diese Aufgabe aber kein Vollzeitjob sein, schlägt Grün-Rot vor.

Grün-Rot schlägt in seinem Gesetzesentwurf zugleich vor, die Rechte des Gleichstellungsbeauftragten auszubauen. Beispiel: die Neubesetzung einer Stelle. „Da bereits bei Stellenausschreibungen und Personalauswahlgesprächen wichtige Weichen gestellt werden, ist eine stärkere Einbindung in den Bewerbungsprozess unerlässlich“, verlangt die Koalition. Zudem sollen die Stellvertreter des Beauftragten künftig in ihrer Funktion gestärkt werden. Sie gelten formal nicht mehr nur als Stellvertreter, sondern dürfen auch selbstständig aktiv werden. Beide, so verlangt Grün-Rot, müssen für ihre Aufgaben „von anderweitigen dienstlichen Verpflichtungen entlastet werden“. Im Klartext: Sie sind freizustellen.

Mit Blick auf die Kosten will das Land den Kreisen und Kommunen entgegenkommen. Für die Installierung der hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten rechnet Grün-Rot in den Landkreisen und Großstädten mit jährlich 4,1 Millionen Euro. Diese Mehrausgaben will das Land anteilig mit 50 Prozent unterstützen. Für die Gemeinden mit weniger als 50 000 Einwohnern werden aus Sicht der Landesregierung keine Mehrausgaben entstehen. Das sei eine „reine Organisationsregelung“.

Appelle haben nicht gefruchtet

So oder so: Für Grün-Rot führt an dem neuen Gesetz kein Weg vorbei. Zum einen hätten alle Appelle, die Chancengleichheit zu beachten, in den vergangenen Jahren nicht wirklich gefruchtet. Zum anderen sei Baden-Württemberg „das einzige Bundesland, das bislang keine verbindlichen Regelungen für Gleichstellungsbeauftragte erlassen hat“.