Kampf gegen Sexismus: Der Profifußball ist nach wie vor eine absolute Männerdomäne Foto: imago/ osnapix/osnapix / Titgemeyer

Zum Weltfrauentag präsentiert die Initiative „Fußball kann mehr“ eine Studie, die belegt, dass der deutsche Profifußball bei Frauen und Diversität noch immensen Nachholbedarf hat.

Nach wie vor ist der deutsche Fußball eine absolute Männerdomäne. Anlässlich des Weltfrauentags präsentiert die Initiative „Fußball kann mehr“, die sich unter tatkräftigem Einsatz der Beiratsvorsitzendenden Katja Kraus im Mai 2021 zusammenfand, eine Studie mit einem wenig schmeichelhaften Zwischenfazit: „Frauen und Diversität sind im Fußballgeschäft weiterhin radikal unterrepräsentiert.“ Speziell auf Managementebene der Bundesliga und 2. Bundesliga scheint weiterhin kaum Platz für Frauen, die nur vier von 150 Führungspositionen besetzen.

Bekanntes Problem, aber noch keine Lösung

Vor drei Jahren war die bei Schalke 04 für die Finanzen zuständige Christina Rühl-Hamers die einzige Frau in einem Führungsgremium. Ihr sind seitdem Anne-Kathrin Laufmann (Geschäftsführerin Nachhaltigkeit bei Werder Bremen), Anja Kasper (Geschäftsführerin Digitalisierung bei Union Berlin) und Petra Saretz (Vorständin Organisation und Lizenzierung beim 1. FC Heidenheim) gefolgt, doch natürlich ist das immer noch viel zu wenig. Axel Hellmann, Vorstandssprecher von Eintracht Frankfurt und interimsweise Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL), verschweigt den Handlungsbedarf erst gar nicht: „Die Ergebnisse der Analyse lassen an der Notwendigkeit zur stärkeren Veränderung keinen Zweifel aufkommen. Aufseiten der Clubs müssen größere Anstrengungen unternommen werden, Frauen in Leitungspositionen zu bringen. Dazu müssen wir unbedingt die Durchlässigkeit erhöhen, dieser Auftrag richtet sich an meinen Club genauso wie an die DFL.“

Das fordert auch Tanja Gönner, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der deutschen Industrie und Aufsichtsrätin des VfB Stuttgart: „Der Anteil an Frauen in Führung in der Wirtschaft ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Es ist verwunderlich, dass sich der Profifußball bis heute dieser Entwicklung entzieht und sich damit vieler Möglichkeiten der Entwicklung beraubt.“ Selbst in den Aufsichtsräten sieht es aktuell mit einem Frauenanteil von rund zehn Prozent (39 Frauen und 367 Männer) nicht gut aus. 21 der 36 Lizenzvereine haben keine einzige Frau im Kontrollgremium.

Die Bundestrainerin kann nur den Kopf schütteln

Darüber kann auch Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg nur den Kopf schütteln. Als der Wahlausschuss von Fortuna Düsseldorf ihr Mandat im Aufsichtsrat bis 2024 verlängerte, freute sie sich darüber, „Kompetenz in der sportlichen Expertise“ einzubringen. Der FC St. Pauli hat gleich vier dieser sieben Positionen mit Frauen besetzt; Sandra Schwedler ist zugleich die einzige Aufsichtsratsvorsitzende.

Christina Reinhardt, Kanzlerin der Ruhr-Uni-Bochum und seit 2022 im Aufsichtsrat des VfL Bochum, findet es erstaunlich, „dass es im Jahr 2023 immer noch eine Branche gibt, die sich von allen anderen gesellschaftlichen Entwicklungen abgekoppelt hat“. Es brauche aber diese Role Models, „um insbesondere jüngere Frauen für eine Karriere im Fußball zu motivieren“.

DAX-Konzerne sind dem Fußball weit voraus

Gegenüber 2016/2017 waren in den Geschäftsführungen und Vorständen der Clubs ein Fünftel mehr Posten zu vergeben, diese wurden allerdings nur zu zehn Prozent mit Frauen besetzt. Im Vergleich dazu werden im DAX neue Positionen aktuell zu 50 Prozent mit Frauen besetzt, heißt es in der Untersuchung des Doktoranden Matthias Dombrowski, der mit dem inmitten der großen DFB-Krise gegründeten Frauennetzwerk zusammenarbeitet.

Mit der inzwischen breit aufgestellten Initiative kooperiert neben den Bundesligisten Eintracht Frankfurt, Werder Bremen, VfB Stuttgart, VfL Bochum und Hertha BSC auch das Medienunternehmen Sky, das seitdem verstärkt Expertinnen bei den Übertragungen einsetzt. Die frühere Nationalspielerin Tabea Kemme ist fast schon so omnipräsent wie Lothar Matthäus – und nicht minder meinungsstark. Am Bildschirm bildet sich bereits eine Vielfalt ab, die es in anderen Bereichen (noch) nicht gibt. Immer noch besetzen ehemalige Männerprofis ein Drittel der entscheidenden Positionen, obwohl sie nicht immer adäquat dafür ausgebildet sind.

Wider besseres Wissen

DFB-Präsident Bernd Neuendorf betont, dass inzwischen fünf Frauen im DFB-Präsidium seien, „es geht in die richtige Richtung“. Das steigende Interesse am Frauen- und Mädchenfußball werde sich „in den Strukturen abbilden“. Doch hat sich Katja Kraus, die zwischen 2003 und 2011 beim HSV als erste Frau im Vorstand arbeitete, gewaltig daran gestört, dass der nach der auf allen Ebenen vermasselten WM in Katar von Neuendorf zusammengeholte Beraterkreis ausschließlich aus Männern mit ähnlicher Vita bestand. Man sei wieder davon ausgegangen, „aus den Erfolgen der Vergangenheit zwangsläufig die richtigen Schlüsse für die Zukunft zu ziehen“. Das aber stimme nicht.

Längst sei doch belegt, dass diverse Teams bessere Ergebnisse liefern, innovativer sind und Risiken besser ausbalancieren. „Die aktuelle Ausstrahlung des Fußballs, fehlende Vorbilder, unzeitgemäße Karrierebilder und jüngste Entscheidungen, die die Geschlossenheit des Systems abbilden“, kritisiert sie, „ermutigen Frauen nicht dazu, Führungspositionen im Fußball anzustreben.“ Kraus fordert in einem männerdominierten System die Bereitschaft, „Macht und Kontrolle im Sinne der Sache abzugeben: Man(n) muss es nur wollen.“