Nico Rosberg, der König von Österreich: Der Mercedes-Pilot war wie schon im vergangenen Jahr in Spielberg nicht zu schlagen – und rückte in der WM-Wertung näher an Lewis Hamilton heran Foto: Getty

Den Mercedes-Doppelsieg in Österreich von Nico Rosberg und Lewis Hamilton erlebten 55 000 Fans vor Ort, 2014 waren es noch 95 000. Die Diskussion, wie die Formel 1 aufgemotzt werden kann, ist in vollem Gange.

Stuttgart - Irgendwie erinnert Bernie Ecclestone zunehmend an Franz Beckenbauer. Der deutsche Fußball-Kaiser ist ja bekannt dafür, dass er charmant zu allem und jedem eine Meinung hat und diese gern kundtut – und ein, zwei Tage später sieht er die Sache wieder ganz anders. Der britische Formel-1-Diktator soll vor dem Grand Prix in Österreich gegenüber einer Presseagentur gesagt haben, „die Formel 1 ist ein beschissenes Produkt“, weil sich aber Teamchefs über die Nestbeschmutzung empörten, meinte der 84 Jahre alte Rechtehändler nach dem Rennen kopfschüttelnd: „Keine Ahnung, wer das gesagt haben soll. Ein schlechtes Zitat.“

Man muss kein Werbefachmann sein, um zu erkennen, dass ein kriselndes Produkt nicht aufgewertet wird, indem der Kundschaft permanent die negativen Seiten vorgehalten werden. Allmählich haben alle in der Formel 1 begriffen, dass konstruktive Vorschläge gefordert sind und dass sie zügig umgesetzt werden. Teamverantwortliche, Fahrer, führende Funktionäre des Automobil-Weltverbandes (Fia) und Motorsport-Experten haben allerhand Ideen in die Runde geworfen, wir zählen die wichtigsten auf.

Neue Motoren: Dass spätestens 2017 eine neue Motorenformel gelten soll, darüber streitet niemand ernsthaft mehr. Diese Änderung stellt das Herzstück der Reform dar, damit versprechen sich die Formel-1-Sanitäter gleich mehrere positive Auswirkungen. Zunächst soll das Aggregat mehr Leistung bringen, an die 1000 PS. Derzeit liefern V6-Turbo und Hybrid zusammen etwa 800. Damit werden die Autos schneller, der Zielwert liegt bei fünf bis sechs Sekunden pro Runde. „Wir sind alle dafür, dass wir schneller fahren und mehr Power haben“, sagt Red-Bull-Pilot Daniel Ricciardo, „es wäre schön, einige Kurven zu haben, die die ganz guten Jungs mit Vollgas nehmen, während andere den Gasfuß lupfen.“ Gemäß Jacques Villeneuves Ausspruch über die Eau Rouge in Spa: „In dieser Kurve unterscheiden sich die Männer von den Buben.“

Ende der 1990er traf das noch zu, heute fährt jeder Pilot die Kurve mit Vollgas. Zwar würde der Bau neuer Motoren einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag kosten – doch diese Investition sollte sich für Ferrari und Mercedes lohnen. Vor allem würde ein neues Triebwerk die Forderung erfüllen, die seit März 2014 so ziemlich jeder geäußert hat, der die Formel 1 schätzt, ob er nun Bernie Ecclestone, Niki Lauda oder Max Mustermann heißt: einen unverwechselbaren Sound. „Der Lärm muss jedem unter die Haut gehen“, sagt Ricciardo.

Neue Aerodynamik: Um die Boliden einerseits spektakulärer aussehen zu lassen, aber auch um sie andererseits noch eine Spur schneller zu machen, soll das restriktive Aerodynamik-Reglement wieder aufgeweicht werden. Davon verspricht sich vor allem das derzeit arg gebeutelte Team Red Bull einen Schub in der Konkurrenzfähigkeit.

Nachtanken erlauben: Seit 2010 ist Nachtanken verboten, die Formel 1 wollte damit einen Beitrag zum Energiesparen leisten, Kosten sparen und Tankunfälle ausschließen. Weil die Fahrer nun stets den Benzinverbrauch kalkulieren müssen, können sie den Vordermann nicht ständig attackieren. Felipe Massa ist ein Tankfan. „Du bist dann schneller unterwegs, das ist für den Körper anstrengender“, sagt der Williams-Pilot, „dadurch unterscheiden sich die Leistungen der Fahrer wieder stärker.“ Und ziemlich sicher würden die Zuschauer wieder häufiger Überholduelle sehen.

Kiesbetten statt Asphalt: Die asphaltierten Auslaufzonen sind ein unschätzbarer Luxus – sie haben den enormen Vorteil, wenn sich ein Fahrer verbremst oder ihm irgendein anderer Patzer unterläuft, kann er auf dem festen Untergrund das Auto meist unfallfrei abfangen und sein Rennen fortsetzen. Das gefällt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff ganz und gar nicht. „Wenn einer sein Auto verliert“, sagt der Österreicher, „sollte es mehr Konsequenzen haben als nur Zeitverlust – das Auto sollte beschädigt sein.“ Was er damit sagen will: Die Fahrer sollen die Risiken noch besser abschätzen müssen, eine fehlerfreie Fahrt wird stärker belohnt – das führt zu mehr Wettbewerb, das fahrerische Können eines Piloten wird so aufgewertet.

Weniger Strafen: Die vielen Strafen für alle möglichen Vergehen verwirren die Fans. Diesen Kritikpunkt teilen viele Teamchefs und Fahrer. Nur ganz grobe Verstöße sollen nachvollziehbar bestraft werden.

Fan-Nähe: Formel-1-Boss Bernie Ecclestone ziert sich, die Kundschaft über die neuen Medien stärker einzubinden. Die Pilotenvereinigung (GPDA) ist da schon weiter – sie hat die Fans gebeten, Vorschläge zu machen, wie die Königsklasse des Motorsports weiterentwickelt werden könnte. Mehr als 200 000 Menschen aus mehr als 190 Ländern haben sich beteiligt. „Erste Ergebnisse präsentieren wir beim Rennen in Silverstone in knapp zwei Wochen“, sagt der ehemalige Formel-1-Fahrer Alexander Wurz.