Der Boss und sein Fahrer: Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff (li.) und Lewis Hamilton Foto: Getty

Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff kann zufrieden sein. Sein Rennstall ist in der Formel 1 Branchenführer. Doch Ferrari holt schnell auf. Damit die Silberpfeile weiter vorn fahren, gestattet Wolff Weltmeister Lewis Hamilton sogar Extravaganzen, wie er im Gespräch verriet.

Herr Wolff, in der Fahrerwertung liegen die beiden Silberpfeil-Piloten vorn, in der Konstrukteurs-WM führt Mercedes – alles richtig gemacht, oder?
(Atmet tief durch) Ja, das sieht erfreulich aus. Wir haben über den Winter versucht, unserem Weg treu zu bleiben, und haben Fortschritte sowohl auf der Antriebs- als auch auf der Chassisseite erzielt. Dabei haben wir unsere Organisation weiterentwickelt, so etwas ist nie statisch, man muss sich immer weiterentwickeln. Insofern sind wir gut aus den Blöcken gekommen.
Barcelona ist ein Rennen, zu dem die Teams immer viele neue Teile eingepackt haben.
Bei uns stimmt die Korrelation von Windkanal und Rennstrecke; dieses Verhältnis ist ein kritischer Faktor. Wir haben deshalb kontinuierlich kleinere Verbesserungen zu den Rennen gebracht. Andere Teams sammeln für die Updates und bringen dann große Neuerungen, das hängt von der Philosophie ab. Wir haben in Barcelona etwas Neues dabei, doch das wird die Welt nicht komplett verändern.
Ist die Baustelle geschlossen, dass heißer Asphalt der Feind der Silberpfeile ist?
In der Tendenz liegen uns härtere Reifen und kühlerer Streckenbelag besser. Wenn es sehr heiß ist, rückt das Feld generell stärker zusammen, und das kommt unseren Mitbewerbern entgegen. In Melbourne sah das sehr gut aus, in Malaysia wurden wir auf dem linken Fuß erwischt – und plötzlich war der Ferrari da.
War das eine große Überraschung für Sie?
Sie haben mit dem Motor mit uns gleichgezogen. Aus einem vermeintlichen Defizit von 45 PS ist ein Stand in der Leistung entstanden, der dem unseres Antriebs entspricht. Das ist eine große Überraschung.
Sie haben neulich sogar gesagt, Ferrari habe im Rennen mehr Leistung als der Silberpfeil.
Wir haben im Qualifying auf einer Runde mehr Leistung durch einen zusätzlichen Modus. Aber alles in allem liegt der Verbrennungsmotor von ihnen in etwa auf unserem Niveau.
Der enorme Fortschritt bei Ferrari, ist das der Vettel-Effekt?
Es gibt keine Wunder in der Formel 1. Wenn ein Auto in Barcelona schnell ist, dann nicht, weil es erst im Dezember entwickelt wurde. Es ist die Summe von vielen richtigen Entscheidungen, die schon in der Vergangenheit stattgefunden haben. Tatsächlich glaube ich aber an einen Effekt der Energie. Nennen wir es Trainer-Effekt, oder in der Formel 1 Fahrer-Effekt. Ich verstehe darunter die Veränderung, wenn eine neue Führungsperson in eine Organisation eintritt; sie kann Arbeitsweisen verändern und so neue Energie einhauchen – dabei kann gerade der Fahrer ungemein helfen.
Sind Sie nicht auch verwundert, wie klar Lewis Hamilton in dieser Saison über Nico Rosberg dominiert?
Man muss die Kirche im Dorf lassen. In China haben Nico vier Hundertstel auf die Pole-Position gefehlt – wenn er von Startplatz eins losfährt, kontrolliert er das Rennen.
Aber Hamilton ist obenauf.
Er hat die Weltmeisterschaft gewonnen, er hat einen Lauf. Das hilft psychologisch ungemein. Aber es sind in dieser Saison erst vier Rennen gefahren, da sollte man noch nicht allzu weitreichende Schlüsse ziehen.
Ich hatte in der offiziellen Pressekonferenz aber das Gefühl, Rosberg macht ganz extrem auf gut Wetter, er stellt einen irgendwie gespielten Optimismus zu Schau.
Was du dir als Sportler in dieser Situation nicht leisten kannst, ist zu schmollen oder dich zu verkriechen. Du musst optimistisch nach vorn schauen. Da gibt’s hier noch ganz andere Kandidaten, die vor Optimismus nur so strotzen, obwohl ihre Situation vielmehr zum Weinen wäre. Das ist eine Eigenschaft, die einfach notwendig ist, um sich aus einem vermeintlichen Defizit oder einem vermeintlichen Performance-Loch wieder herauszukämpfen.
Ist diese Situation für Sie als Motorsportchef womöglich besser, weil klare Verhältnisse herrschen und Sie nicht nach jedem Rennen einen Streit schlichten müssen?
(Lange Pause) Ich kann nichts dazu sagen.
Wirklich nicht?
(Lächelt) Es mag für uns als Team tatsächlich leichter sein, mit so einer Situation umzugehen, wenn die beiden nicht ständig Rad an Rad um den Sieg kämpfen. Aber wir sind Racer und wollen genau das – da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Der Kampf unter den Piloten ist uns schon wichtig, und den haben wir deshalb im vergangenen Jahr auch zugelassen.
Lewis Hamilton hat neben seinem Job als Silberpfeil-Pilot auch noch Zeit, um im neuen Film „Zoolander 2“ an der Seite von Ben Stiller eine kleine Rolle zu übernehmen. Kürzlich wurde die Szene gedreht. Stößt Ihnen so etwas nicht ein wenig sauer auf?
Lewis ist ein außergewöhnlich talentierter Rennfahrer, dafür haben wir ihn geholt und dafür bezahlen wir ihn – nicht dafür, dass er singt oder schauspielert oder gut aussieht. Gleichzeitig ist uns aber sein Wohlbefinden wichtig, denn das braucht er, um schnell Auto zu fahren. Lewis ist ein Rastloser, der viele Leidenschaften besitzt und der diesen auch nachgeht. Er ist Single, er kann reisen – wenn ihm das alles dabei hilft, um auf der Rennstrecke besser zu werden, dann wollen wir uns da keinesfalls in den Weg stellen und werden immer wieder mit Interesse zuschauen.
Nach dem alten Fußball-Motto: Wenn du auf dem Platz deine Leistung bringst, ist es mir egal, was du in der Nacht zuvor gemacht hast. Hat er wegen des Filmdrehs gefragt?
Wir stimmen so etwas natürlich immer gemeinsam ab. Aber wir haben uns immer klar gemacht: Wenn es Lewis gut geht, dann zeigt er auch Topleistungen. Wenn er vor dem Rennen zum Boxkampf nach Las Vegas fliegen will, dann bitteschön. Das mag für unsereins ungewöhnlich sein, aber ihn unterhält es – und dann stehen wir da auch absolut dahinter.
Wobei: Müssen die Piloten Mercedes denn überhaupt um Erlaubnis fragen?
Insofern, wenn ein potenzieller Interessenkonflikt mit der Marke auftreten könnte oder einer mit unseren Sponsoren oder Partnern.
Ihre Fahrer kehren immer gesund von ihren Aktivitäten zurück, Sie hingegen haben häufig Pech bei Ihren sportlichen Betätigungen.
Ich mache es mir wirklich selbst nicht leicht, alle paar Monate ziehe ich mir was Neues zu (Im Juli 2014 brach er sich bei einem Radunfall Schulter, Schlüsselbein, Ellbogen und Handgelenk, im Januar folgte im Training eine schwere Knieverletzung, Anm. d. Red.).
Sie müssen nicht fragen, was Sie machen dürfen?
Manchmal hörte ich da aus Stuttgart schon die Frage, ob das wirklich alles auch notwendig war (lächelt).
Aber Ihnen geht es wieder blendend, oder irre ich mich?
Ja, ich habe es überstanden, gelegentlich plagen mich noch die Kollateralschäden, dann zwickt’s mich im Rücken oder am Knie.
Red Bull geht es dagegen ziemlich schlecht. Kommen die noch 2015 in die Gänge? Wagen Sie eine Ferndiagnose!
Offensichtlich haben sie Probleme mit dem Antrieb und mit der Interaktion Antrieb/Fahrzeug. Dann befindet sich das Team im Umbruch, es gab einige personelle Veränderungen, und natürlich ist auch Sebastian Vettel gegangen, die jungen Fahrer sind sicher talentiert, aber noch nicht so erfahren. Aber ich werde mich hüten oberschlau zu erklären, wo die Defizite liegen. Ich kann nicht in das Team hineinschauen.
Red Bull drohte aufgrund der Erfolglosigkeit schon mit dem Ausstieg, und im Fahrerlagerfunk ist zu hören, Audi könnte das Team übernehmen.
Das habe ich auch gehört. Unabhängig davon wäre es eine tolle Geschichte, wenn Audi als VW-Tochter diese Herausforderung annehmen würde. Ein weiterer Hersteller wäre sicher ein Gewinn für die Formel 1.
Zum Volkswagen-Konzern zählt auch Porsche. Wäre ein Stuttgarter Stadtduell Mercedes gegen Porsche in der Formel 1 denn wünschenswert?
Porsche wäre wie auch Audi ein richtig guter Gegner, mit dem es Spaß machen würde, sich auf der Rennstrecke zu messen. Mit Audi machen wir das ja schon in der DTM. Qualität tut der Formel 1 immer gut, aber noch sind das alles Spekulationen.