McLaren und Ferrari auf Niveau von Red Bull - Vettel wird deshalb nicht schlecht schlafen.

Stuttgart - Zum ersten Mal in dieser Saison kam Red Bull beim Grand Prix auf dem Nürburgring nur als dritte Kraft hinter McLaren und Ferrari ins Ziel. Das verspricht viel Spannung für die zweite Hälfte der Formel-1-Saison, Sebastian Vettel muss aufpassen, dass das Unternehmen Titelverteidigung erfolgreich zu Ende geht.

So muss ein Autorennen sein - ein brisanter Dreikampf um die Spitze mit sieben Führungswechseln, ein spektakulärer Abflug mit glimpflichem Ende, spannende Boxenstopps mit dem Duell Team gegen Team, alles gewürzt mit zahlreichen Kurvenzweikämpfen. Der Große Preis von Deutschland bot alles, was die Herzen der Motorsport-Freunde auf Touren bringt - lediglich gefehlt hat das Sahnehäubchen für die Deutschen und die Fans von Sebastian Vettel: ein Sieg des Weltmeisters. Doch Lewis Hamilton, Fernando Alonso und Mark Webber rasten vor 70000 Zuschauern eben schneller durch die Eifel als der Champion.

Ein McLaren und ein Ferrari vor beiden Red Bull - eine Reihenfolge, wie sie vor vier Wochen nur ein Formel-1-Laie oder ein Red-Bull-Hasser gewagt hätte, ist eingetreten. Eine Revolution in der Königsklasse? Ist das Bullenauto nur noch dritte Kraft? Jein. Im Rennen waren Vettel und Webber tatsächlich unterlegen, doch diese Erkenntnis reicht nicht aus, um einen Herrschaftswechsel festzustellen. Im Qualifying war Red Bull mit dem Australier (Pole-Position) und dem Heppenheimer (Rang drei) noch dominant, erst im Rennen zogen Hamilton im McLaren und Ferrari-Mann Alonso vorbei. Der Red-Bull-Bolide kam vollgetankt nicht so gut mit den Reifen zurecht, zudem entfaltete sich die Aerodynamik im Windschatten nicht optimal. "In den letzten drei Rennen schoben sich die Topteams zusammen", bemerkte Webber, "man muss kein Einstein sein, um zu merken, dass wir hart arbeiten müssen." Schon mehrfach hatten sich McLaren und Ferrari bemerkbar gemacht - Alonso konnte in der Türkei und in Valencia mithalten, Hamilton war in Barcelona zur Stelle. "Ich glaube wir sind dran, oder fast dran", sagte Hamilton, "ich vermute aber, dass die Gesamtperformance von Red Bull etwas besser ist als unsere."

Vettels Gegner haben kleine Schwächen registriert und sägen am Thron des Heppenheimers. Doch dessen Abdankung ist damit längst nicht eingeleitet, bestenfalls sind McLaren und Ferrari mit dem Weltmeister-Team gleichgezogen - in den Rennen entscheiden Nuancen über den Triumph und die Plätze dahinter. Mal liegt das Quäntchen für den Sieg in den Reifen, mal in der Perfektion der Boxenstopps, mal in der besten Rennstrategie. "Leider brachten wir die Pneus nicht so rasch auf Temperatur wie McLaren und Ferrari", sagte Red-Bull-Teamchef Christian Horner, "wir hatten spezielle Bedingungen auf dem Nürburgring - zum Teil war es kühler als bei den Wintertests." Die Hackordnung an der Spitze der Formel 1 dürfte sich im Rest der Saison immer wieder leicht verschieben - schon am Sonntag beim Großen Preis von Ungarn in Budapest wird es deutlich wärmer sein als in der Eifel. 25 Grad werden vorhergesagt.

Vettel muss sich nach der Revolte am Nürburgring nicht beunruhigen. Der 24 Jahre alte Hesse hat noch immer ein schnelles, vor allem aber zuverlässiges Auto. Nur Red Bull brachte in den zehn Rennen stets beide Fahrzeuge ins Ziel - dank dieser Konstanz sowie des satten Vorsprungs von 77 Punkten in der WM wäre Panik eine überzogene Reaktion. Wir erinnern uns an 2009 - damals gewann Jenson Button von den ersten sieben Großen Preisen sechs und musste den Vorsprung lediglich durch kluges Verhalten in den Rennen ins Ziel retten. Aber Wachsamkeit ist wichtig. "Wir müssen härter arbeiten", sagte Vettel, "man sieht, wie schnell es gehen kann." Das Rennen in Ungarn wird den nächsten Fingerzeig liefern, wo Red Bull im Vergleich zu den Herausforderern steht - 2010 siegte Webber in Budapest.