Beim Großen Preis der USA kann Lewis Hamilton seinen dritten Titel unter Dach und Fach bringen Foto: dpa

Rennstall Mercedes kommt seinen Gegnern bei der Motoren-Entwicklung entgegen – um die Formel 1 wieder spannender zu machen. Lewis Hamilton steht vor der Titelverteidigung.

Austin - Eigentlich ist die Formel 1 kein Sammelbecken für Wohltäter oder barmherzige Samariter. Jeder Beteiligte kämpft um seinen Vorteil, sportlich wie finanziell – und das Mitleid für diejenigen, die im internationalen Kreisverkehr nicht mithalten können, ist vergleichbar mit der Trauer, die einen überkommt, wenn ein hartherziger Millionär bei einer windigen Pferdewette die Hälfte seines Vermögens verliert.

Toto Wolff hat sich vor dem Großen Preis der USA an diesem Sonntag (20 Uhr MEZ/RTL) jedoch als gutmütiger Karpfen im Haifischbecken Formel 1 geoutet. Beim Motorengipfel hat der Mercedes-Motorsportchef nicht von seinem Veto Gebrauch gemacht und so eine vor vielen Monaten beschlossene Entwicklungsbremse für die nächste Saison verhindert. „Wir können keine Hardliner sein“, sagte der Österreicher, „und das Regelwerk immer nur in unsere Richtung auslegen. Wir müssen den anderen Luft zum Atmen geben.“ Soll heißen: Die ursprünglich gültige Restriktion, dass 2016 weniger als 32 Entwicklungsschritte an der Antriebseinheit vorgenommen werden können, wurde beim Motorengipfel kassiert. Es bleibt bei der Zahl 32, darüber hinaus kommen weitere vorgesehene technische Daumenschrauben für die Ingenieure nicht zum Einsatz.

Der Beschluss musste einstimmig fallen – hätte Mercedes dagegen gestimmt, wäre alles beim Alten geblieben und Ferrari, Renault und Honda hätten mehr Geld in die Hände und mehr Überstunden in Kauf nehmen müssen, um den Rückstand auf den Motorenprimus aufzuholen. „Eine Lockerung ist im Sinne der Formel 1 und im Sinne von Mercedes“, betonte Wolff, „Honda und Renault sind für uns Hersteller, von denen wir uns wünschen, dass sie wie Ferrari mit uns auf Augenhöhe kämpfen.“

2015 ist so gut wie abgehakt

Mercedes hat damit den Ego-Kurs verlassen und die Interessen der Serie über die des Rennstalles gestellt. Denn meist war es dieses Jahr spannender, einer fingerfertigen Frau beim Socken stopfen zuzuschauen, als ein Formel-1-Rennen vom Start bis zur Zieleinfahrt live zu verfolgen. Bei neun von 15 Großen Preisen triumphierte Lewis Hamilton, was der Attraktivität der Rennserie so nützlich war wie Diesel-Kraftsoff in einem Otto-Motor. Durch das Zugeständnis soll die Saison 2016 wieder spannender werden als die aktuelle. Denn 2015 ist im Grunde so gut wie abgehakt – wenn nicht etwas Vergleichbares wie der Untergang der Titanic geschieht, wird Lewis Hamilton den WM-Titel verteidigen. Gewinnt er am Sonntag den Grand Prix und wird Sebastian Vettel maximal Dritter, dann gibt’s für den extrovertierten Engländer nach 2008 und 2014 zum dritten Mal Champion-Schampus. Sportlich fair hält er sich verbal allerdings zurück.

„Ich weiß, dass in unserem Sport nichts erledigt ist, bis es wirklich soweit ist“, sagt Hamilton zahm, „daher werde ich nichts als selbstverständlich ansehen.“ Auch Sebastian Vettel glaubt nicht mehr wirklich daran, Hamilton noch in die Weltmeister-Suppe spucken zu können – wenn der Silberpfeil-Mann den Titel nicht in Austin fix macht, wird er es wahrscheinlich an Allerheiligen in Mexiko tun. „Wir wollen Mercedes herausfordern. Noch sind sie uns voraus, aber wir holen auf“, sagt der Ferrari-Star, „ich hoffe, dass wir nächstes Jahr in einer besseren Position sein werden – mit einem konkurrenzfähigeren Auto.“ Immerhin sind die Voraussetzungen besser als erwartet.