Nico Rosberg ist der erste deutsche Mercedes-Weltmeister – und der dritte deutsche Champion überhaupt.
Stuttgart - Na bitte! Nico Rosberg reiht sich nicht in die traurige Liste derer ein, die auf zahlreiche Rennsiege kommen, aber nie Weltmeister werden. Er wird irgendwann die Formel 1 nicht mit dem Stigma verlassen, die ewige Nummer zwei zu sein wie etwa Rubens Barrichello oder Felipe Massa, die über den Status der braven Schumacher-Adjutanten nicht hinausgekommen waren. Dabei bestand im Sommer, als Lewis Hamilton einen ordentlichen Rückstand wieder wettmachte, durchaus die Gefahr zu glauben, Rosberg sei tatsächlich nur einer dieser typischen Niemals-Weltmeister.
Das hätte ihn gefuchst, nie losgelassen, es wäre fürchterlich gewesen. Insofern hat dieser für sein Selbstvertrauen so dringend benötigte WM-Titel eine enorme Bedeutung. „Ich widme den Titel meiner Frau und meiner Tochter“, sagte Rosberg den Tränen nahe. Familienintern ist sein Erfolg ohnehin eine wunderbare Geschichte: Zum zweiten Mal schafften es Vater und Sohn, Weltmeister zu werden: Graham (1962 und 1968) und Damon Hill (1996) machten den Anfang, jetzt folgen Keke (1982) und Nico Rosberg. Den Kampf um die meisten Rennsiege aber hat der 31 Jahre alte Pilot im Familienranking längst gewonnen. Keke, der Minimalisten-Champion, holte den Titel mit nur einem Sieg.
Den Daimler-Traum erfüllt
Sein Sohn Nico Rosberg dagegen hat die Träume des Stuttgarter Daimler-Konzerns erfüllt: deutsches Fabrikat, deutscher Weltmeister – dieser Zweiklang ist immer Gegenstand eines Traums gewesen. Juan Manuel Fangio wurde in den 50er Jahren in einem Silberpfeil Champion – als Argentinier. Als reines Mercedes-Team gingen die Schwaben mit ihren beiden britischen Rennfabriken nach jahrzehntelanger Pause erstmals wieder an den Start – mit Michael Schumacher und Nico Rosberg. Dort erfüllten sich die Wünsche eines deutschen Mercedes-Weltmeisters im Hinblick auf den technischen Rückstand noch nicht. Erst Lewis Hamilton brachte die Marke mit dem Stern wieder zu weltmeisterlichen Ehren – gleich zweimal, aber als Brite.
Daran hat sich keiner gestört: Champion ist Champion. Doch dass in diesem Jahr auch mal Rosberg dran ist, wird in der Stuttgarter Vorstandsetage wohlwollend registriert. Insofern ist sein Erfolg historisch. Die in den Werken von Brackley und Brixworth überwiegend britischen Beschäftigten haben sich zuletzt für ihren etwas skurrilen Superstar und Landsmann Hamilton ins Zeug gelegt. Doch auch diese subtilen Hürden hat Rosberg genommen.
Der Blonde hat geliefert. Das Deutsche an ihm rührt von der Mutterseite. „Ich bin durch sie deutsch aufgewachsen“, sagt Rosberg, der im Prinzip eher als Kosmopolit gilt. In Monaco ist er mehrsprachig groß geworden, hat die internationale Schule in Nizza besucht, lebt heute überwiegend auf Ibiza – geboren wurde er in Wiesbaden. Er besitzt auch die finnische Staatsbürgerschaft wie sein Vater, aber Finnisch spricht er nicht. Er war sehr gut in der Schule, wollte Luft- und Raumfahrttechnik studieren – doch das von Keke geerbte Rennfahrer-Gen überwog. Mit Erfolg – dieser WM-Titel vollendet jetzt seine Karriere.
Emanzipiert von Vater
Wie Hamilton hat jedoch auch Rosberg einen langen Weg der Emanzipation hinter sich. Hamilton war das Ziehkind des McLaren-Chefs Ron Dennis und wurde auch von seinem ehrgeizigen Vater Anthony an die kurze Leine genommen – bis er sich aus den Fängen der Überväter befreite. Die verspätete Pubertät des Dennis-Musterschülers („Wir wollten ausprobieren, ob wir einen Weltmeister kreieren können, und das haben wir geschafft“) ist wohl auch erkennbar an Hamiltons Ausflüchten ins Nacht- und Jetset-Leben. Auch Rosberg distanzierte sich nach und nach von seinem Vater. In den mühsamen ersten Jahren bei Williams war er froh, dass sich Keke nicht mehr so oft an der Rennstrecke blicken ließ und einmischte. Er und Hamilton haben sich abgenabelt – jeder auf seine Weise.
Nico Rosberg ist keine Partykanone. Er hat eine kleine Familie gegründet und geht mit Kumpels Pizza aus dem Karton essen. Wenn er dann die Mercedes-Uniform trägt, macht er seinen Job als Markenbotschafter so gewissenhaft, dass man vom Lieblingsschüler der Vorstandsetage sprechen darf. Sportlich hat er gekämpft, nie lockergelassen gegen den möglicherweise etwas talentierteren Instinktfahrer Hamilton. Schon bei Williams waren der Ehrgeiz und das ausgeprägte Selbstbewusstsein Rosbergs erkennbar, als er sich über das schwachbrüstige Auto mokierte. Der Formel-1-Patron Bernie Ecclestone, Brite wie Hamilton, lästerte jüngst zwar: „Wenn Nico den Titel gewinnt, würde es dem Sport nichts bringen, weil man über ihn nichts schreiben kann.“ Aber das ist dem Champion 2016 aus guten Gründen „wurscht“. Dritter deutscher Formel-1-Weltmeister, der erste in einem Mercedes – und es gäbe noch sehr viel mehr zu berichten über Nico Rosberg.