Mick Schumacher möchte in der kommenden Saison im Mittelfeld mit den gegnerischen Teams um Positionen kämpfen. Foto: imago/Jerry Andre

Für Mick Schumacher beginnt eine Saison, die über seine Zukunft entscheidet. Im zweiten Jahr im Haas-Cockpit muss der 22-Jährige belegen, dass er das Zeug zum Starpiloten hat. Doch der Teamkollege könnte ihm einen Strich durch die Rechnung machen.

Vielleicht muss sich Formel-1-Rennstall Haas mit ein paar Bürotüren eindecken. Sicherheitshalber. 2019 knallte Kevin Magnussen die Tür bei Teamchef Günter Steiner so brachial zu, dass sie beschädigt wurde; zuvor hatte der Südtiroler den dänischen Fahrer in den Senkel gestellt, weil er sich mehrfach mit Teamkollege Romain Grosjean gezofft hatte. Nun ist Magnussen nach einem Jahr Auszeit zurück in der Mannschaft des US-Rennstalls, Mick Schumacher dürfte sich darauf eingestellt haben, dass er einen Teamkollegen in der Garage hat, dem der zurückgetretene Nico Hülkenberg einst jovial auf die Schulter klopfte und sagte: „Mal wieder der unsportlichste Fahrer des Feldes.“ Diese Meinung hatte der Emmericher nicht exklusiv.

Mick Schumacher ist Kummer und Ärger mit dem Kollegen gewöhnt. Vergangene Saison hieß der andere Haas-Pilot Nikita Masepin, der Russe und der Deutsche waren sich selten grün, es herrschte stets eine Angefressenheit zwischen beiden, weil sich vor allem Masepin gern über Absprachen hinwegsetzte. Nun also der nächste Nebenbuhler mit zweifelhaftem Ruf.

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„Ich kenne Kevin aus der Saison 2020“, erzählte Mick Schumacher vor dem Saisonstart in Bahrain an diesem Sonntag (16 Uhr), „als ich Ersatzfahrer bei Haas war.“ Doch damals bestand kein Grund zur Angriffslust, 2022 aber sind die Rollen neu verteilt. Nun begegnen sich beide als Stammpiloten auf Augenhöhe – und jeder im Motorsport kennt das Gebot: Den Ersten, den du schlagen musst, ist der Teamkollege.

Ralf Schumacher, Onkel des 22-Jährigen, ehemaliger Formel-1-Pilot und und TV-Experte in Personalunion, sieht „eine nicht ganz einfache Konstellation“ in der Fahrerpaarung bei Haas, „es wird schwierig werden für Mick“. Denn der Formel-2-Meister von 2020 geht in seine zweite Saison im Oberhaus, die Lehrlingszeit ist beendet, jetzt gilt, wie man es so schön im Sport formuliert: Mick Schumacher muss liefern. Der weiß das natürlich, und sagt sich: Angriff ist die beste Verteidigung.

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Der Sohn von Rekordweltmeister Michael Schumacher will die Autos im Mittelfeld angreifen, er hofft auf Duelle mit Williams, Alfa Romeo und vielleicht auch mit Aston Martin. Im vergangenen Jahr fuhren die Haas-Piloten in jedem Großen Preis nur interne Rennen gegeneinander. Das Fahrzeug war so unterlegen, dass Schumacher und Masepin mehr blaue Flaggen wegen des Überrundet-Werdens sahen als sie Boxenstopps absolvierten. „Zweikämpfe mit anderen Teams zu führen, ist das Ziel“, betonte Schumacher, „ich hoffe, dass es mir gelingt, regelmäßig das zweite Qualifying zu erreichen.“

Dazu benötigt der in der Schweiz geborene Rennfahrer ein deutlich schnelleres Auto als das Vorjahresmodell. Der kleine Rennstall hat ein Jahr fast nur dafür gearbeitet, die Entwicklung für das neue Fahrzeug begann früher als bei allen anderen. Ob sich das auszahlt, ist schwer abzuschätzen. Testfahrten haben im Teamvergleich wenig Aussagekraft. Haas weiter ganz hinten? Oder in der Mitte? Nichts Genaues weiß niemand. „Vielleicht werden sie auch die Überraschung“, sagte Ex-Weltmeister Damon Hill, was er nicht als bissigen britischen Humor gemeint hat. „Alle hatten ein paar Probleme mit den neuen Autos – insgesamt finde ich, dass unseres sich gut anfühlt. Der erste Eindruck ist auf jeden Fall besser als vor der letzten Saison“, sagte Mick Schumacher, „wir sind auf einem guten Weg.“

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Das wäre wichtig für den jungen Mann, der am Dienstag 23 wird. Ferrari als Förderer wird genau hinschauen, ob es sich weiter lohnt, in ihn zu investieren. Seit 2019 unterstützt die Scuderia den Deutschen bei seinem Lauf durch die Nachwuchsklassen. Nun soll er belegen, dass er Gewinn abwerfen kann, dass er das Zeug hat, einmal um den Titel zu fahren. „Je besser dieses Jahr läuft, desto größer sind meine Möglichkeiten“, sagte er, „natürlich wäre es schön, liefern zu können.“ Es gibt genug junge, ambitionierten Piloten, die zügig in der Formel 1 aussortiert wurden – Scott Speed, Sergej Sirotkin, Alex Yoong, Lucas di Grassi, Giorgio Pantano. Manche triumphierten in anderen Serien oder waren dort vorn dabei, manche verschwanden endgültig. Schumacher will sich durchsetzen und denkt dabei sogar an Magnussen. „Ich kann von ihm profitieren. Als ich Testfahrer war, habe ich von ihm gelernt“, sagte er. Große Hoffnungen auf eine harmonische Zusammenarbeit sollte sich Mick Schumacher besser nicht machen.