Assistenzarzt Dr. Ashraf ­Noman (links) und Oberarzt Dr. Detlef Roser Foto: Peter Petsch

Der Förderverein der Sana Herzchirurgie Stuttgart will Kindern aus der Dritten Welt schwierige Operationen in Stuttgart ermöglichen. Bei zwei Kindern aus dem Jemen ist das jetzt gescheitert. Der Fall zeigt, dass hehre Absichten für humanitäre Hilfe an bürokratische und finanzielle Grenzen stoßen.

Stuttgart - Was gibt es Schlimmeres für einen Arzt, als den Eltern eines jungen und schwerkranken Patienten jede Hoffnung rauben zu müssen? Assistenzarzt Dr. Ashraf Noman wusste, dass dieser kleine Kerl keine Chance mehr haben würde. Das Herz des zweieinhalbjährigen Jungen aus dem Jemen hatte einen schweren Fehler, würde ohne Operation nicht mehr lange schlagen. Doch die konnte nicht wie geplant in Stuttgart stattfinden. Das musste der Assistenzarzt bei der Sana Herzchirurgie den Eltern in Arabien mitteilen – ein Anruf, der einem Todesurteil für ihren Sohn gleichkam. Ende 2013 hatte Ashraf Noman den Eltern in Aussicht gestellt, den Jungen mit Herzfehlern zu operieren. Inzwischen ist Mohammed tot (Namen v. d. Red. geändert).

Noman kam vor vier Jahren in die Sana Herzchirurgie. Der 30-Jährige ist im Jemen aufgewachsen und wollte den Förderverein neu beleben. Dieser wurde 2004 gegründet und hat sich humanitäres Handeln auf die Fahne geschrieben.Die Ärzte starteten eine Initiative auf dem sozialen Netzwerk Facebook, in der sie ankündigten, zwei Kinder aus dem Jemen mit Herzfehler in Stuttgart behandeln zu können. „Innerhalb von nur wenigen Tagen hatten wir 15 Anfragen von Familien“, erinnert sich Noman. Danach prüften die Ärzte, welche Fälle Erfolg versprechend sind. „Eine ethisch schwierige Auslese“, sagt Dr. Detlef Roser, Oberarzt der Sana Herzchirurgie Stuttgart und Vereinsvorstand.

Doch zehn Tage, bevor die Operationen der beiden Kinder stattfinden sollten, wurde die deutsche Botschaft im Jemen, Sanaa, geschlossen. Aus Sicherheitsgründen, da es in der Region brodelt. „Dadurch hatten die Familien keine Chance mehr, ein Visum für ihre herzkranken Kinder zu bekommen“, sagt Noman. Bis heute öffnet und schließt die Botschaft spontan nach aktueller Sicherheitslage, was die Terminfindung für Visa problematisch macht. In der Folge suchte Mohammeds Familie eine Klinik in Indien auf. Die OP verlief nicht erfolgreich, Mohammed starb.„Wir bedauern das Drama, aber die politische Lage im Jemen hat eine Gefahr für die Mitarbeiter bedeutet“, sagt eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes.

Auch ohne die Visa-Problematik wäre es aber schwierig geworden, die Kinder in Stuttgart behandeln zu lassen. Denn das Klinikum Stuttgart, das die stationäre Nachbehandlung der Kinder übernehmen sollte, konnte das finanzielle Risiko nicht tragen. Pro Kind sei von der für Ausländer zuständigen Unterorganisation namens International Unit ein Kostenvoranschlag von 40 000 Euro für den Krankenhausaufenthalt benannt worden. Ein Betrag, der das Budget des Fördervereins der Sana Herzchirurgie klar überstiegen hätte. Die Unit wurde 2008 vor allem dazu gegründet, den defizitären Haushalt des Klinikums zu sanieren.

„Ich bedaure wirklich, dass wir kein Wohltätigkeitsverein sein können“, sagt Andreas Braun, Geschäftsführer der International Unit. „Eine unserer Aufgaben ist nun mal, Geld mit Patienten aus dem Ausland zu verdienen, das beim Klinikum landet. Allein vom Erlös durch Krankenkassen können wir nicht bestehen.“ Dazu sei man letztlich infolge der Finanzierung des Gesundheitswesens gezwungen. Was aber nicht heiße, dass nur Scheichs und Oligarchen aus dem Ausland auf medizinisches Know-how in Stuttgart zurückgreifen dürften.

„Bei unseren Kostenvoranschlägen setzen wir immer maximale Risikobeträge an“, sagt Braun zur Finanzkalkulation. Bei einem reibungslosen Genesungsprozess sei nur mit einem Sechstel davon zu rechnen. Der Förderverein hatte mit Gesamtkosten von 13 000 Euro pro Patient gerechnet. „Das ist der übliche Betrag, den wir für einen Herzpatienten ansetzen“, sagt Roser. Allerdings muss das Klinikum den deutlich höheren Betrag von 40 000 Euro ansetzen, um auch im Falle von Komplikationen nicht kräftig draufzulegen und so letztlich die Krankenkassen zu belasten.

Auch die Ungenauigkeit von Diagnosen, vor allem bei Patienten aus Dritte-Welt-Ländern, verschärft die Kalkulation für Förderverein und Klinikum. „Oft wissen wir aus den Auslandskrankenakten zu wenig über das Krankheitsbild möglicher Patienten“, sagt Vereinsvorstand Dr. Roser.

Dennoch will der Förderverein sein Engagement zugunsten von schwer erkrankten Kindern im Ausland fortsetzen, denen ohne Unterstützung nicht geholfen werden könnte. Wenn es gelingt, die Rücklagen des Vereins über Spenden zu erhöhen, steht einer Kooperationen mit dem Klinikum nichts im Wege. Damit den Ärzten in der Sana Herzchirurgie Anrufe wie der von Dr. Ashraf Noman künftig möglichst erspart bleiben.