Die Murr bietet bei Murr wenig Abwechslung für Flora und Fauna. Foto: Werner Kuhnle

Das Land will den Abschnitt zwischen Murr und Steinheim naturnaher gestalten und so die Artenvielfalt stärken. Damit werden Eingriffe der Vergangenheit quasi repariert.

Es wurde in der Vergangenheit viel herumgedoktert an der Murr. Der Fluss wurde ausgebaut, begradigt, tiefer gelegt und durch Stauwehre reguliert. Eingriffe, die vor allem für einen raschen Abfluss sorgen und damit die Hochwassergefahr reduzieren sollten, erklärt Joachim Lösing vom BUND Marbach-Bottwartal. Leidtragende seien Flora und Fauna gewesen. Sand- und Kiesbiotope seien hinweggeschwemmt worden, Auwälder und Feuchtgebiete verschwunden und damit Lebensräume für Tiere und Pflanzen weggefallen. In Sachen Gewässerstruktur schneidet der Fluss im Bereich bei der Gemeinde Murr sogar so mau ab, dass das Regierungspräsidium (RP) Stuttgart Handlungsbedarf sieht. Auf einer Skala von 1 bis 7 reiche es lediglich für eine 5 und eine 6. Die Note 1 wäre die bestmögliche.

Lebensräume für Lebewesen

Um sich den Topwerten anzunähern, möchte das Land die Uhr nun quasi wieder etwas zurückdrehen und den Fluss in einen natürlicheren Zustand versetzen. Das Ziel sei, dadurch Lebensräume für Fische und Makrozoobenthos zu schaffen, erklärt RP-Sprecherin Stefanie Paprotka. Unter dem Begriff Makrozoobenthos versteht man wirbellose Tiere, die mit dem bloßen Auge zu erkennen sind wie Schnecken oder Muscheln.

Fluss soll mehr Eigendynamik entwickeln können

Die Planungen umfassen einen mehr als zwei Kilometer langen Abschnitt, der sich zwischen den beiden Brücken über die fast parallel verlaufende Landesstraße zwischen Murr und Steinheim befindet. In dieser Zone soll der bislang eher monotone Wasserlauf aufgebrochen werden und der Fluss eine stärkere Eigendynamik entwickeln können. Angestrebt werde, dadurch natürliche Umlagerungsprozesse beim Sediment in Gang zu setzen, die neue Habitate kreieren oder bestehende erhalten, erläutert Paprotka.

Was vielleicht ein wenig abstrakt klingt, bedeutet in der Praxis, dass in dem Fluss flachere und tiefere Bereiche geschaffen werden sollen, es einen Wechsel von Stillwasserzonen und Punkten geben soll, an denen der Fluss schneller fließt. Mit Kolken, also Vertiefungen, will man zudem eine Art Unterstand für Fische bereitstellen. „Durch Vorlandabsenkung in einzelnen Bereichen sowie dem Einbringen von Totholz-Elementen wie Stämmen und Wurzelstöcken soll die Strömung gelenkt und eine Eigenentwicklung initiiert werden“, erläutert die RP-Pressesprecherin. In den beruhigten Bereichen könnten sich Kiesinseln bilden, „die einen wichtigen Lebensraum in der Murr geben“.

Rückzugsraum für Vögel fehlt

Den hohen ökologischen Nutzen solcher Sedimentbänke streicht auch Joachim Lösing heraus. Dort wachse Flussröhricht. Die schilfartigen Gewächse dienten als Rückzugsraum für verschiedene Vogelarten, sagt der Fachmann vom BUND. Was unterstreicht, wie verzahnt die einzelnen Teil des Ökosystems sind. So hebt auch Stefanie Paprotka hervor, dass sich die unterschiedlichen Biotoptypen und Kleinstrukturen, die man an der Murr anlegen lassen will, sich gegenseitig ergänzten und im Wert steigerten.

Orientierung an Barbe und Nase

Die Lage aktuell scheint auch alles andere als rosig zu sein. Die eigentlich typischen Bewohner des Flusses „sind aufgrund der veränderten Randbedingungen nur wenig oder gar nicht mehr vorhanden“, konstatiert Paprotka. Besondere groß sei das Defizit an Schnecken, Würmern, Krebsen und Co. sowie bei den Fischen. Wobei man sich bei der Umgestaltung der Gewässer speziell an den dort von Haus aus vorkommenden Leitfischarten orientiere. Für die Murr seien das die Barbe und die Nase. „Durch die Schaffung entsprechender Lebensräume erhofft man sich, das natürliche Vorkommen dieser Tiere wieder zu erhöhen“, erläutert die RP-Sprecherin.

Die Arbeiten sollen 2025 über die Bühne gehen

Die Bagger werden allerdings nicht schon morgen anrücken. Derzeit werden die Genehmigungsunterlagen erarbeitet, die dann beim Landratsamt Ludwigsburg eingereicht werden müssten. Anschließend werden die Arbeiten ausgeschrieben. „Bau wäre Stand heute etwa Mitte 2025 bis Ende 2025“, kündigt Stefanie Paprotka an.

Joachim Lösing freut sich, dass die Flusslandschaft wieder bunter werden soll. „Ich begrüße jede Maßnahme, die der Renaturierung dient“, sagt der Mann vom BUND Marbach-Bottwartal.