Emirates ist weltweit eine der größten Luftlinien, mit fast 240 Flugzeugen: Dass die Bruchlandung am 3. August 2016 so glimpflich abgelaufen ist, zeugt von gutem Sicherheitstraining Foto: AFP

Rund 300 Passagiere sowie die Besatzung überlebten die Bruchlandung des Emirates-Fluges EK 521 in Dubai. Das ist auch dem Sicherheitstraining der Crew zu danken, meint der Experte Andreas Spaeth. Er gibt Tipps, wie sich Passagiere in solchen Situationen verhalten sollten.

Hamburg - Herr Spaeth, wer die Bilder der ausgebrannten Boeing 777-300 in Dubai sieht, mag kaum glauben, dass es bis auf einen Feuermann keine Opfer gegeben hat. Offensichtlich war die Emirates-Besatzung bestens geschult…
Es ist tatsächlich erstaunlich, dass das gelungen ist. Da hat die Besatzung sehr gute Arbeit geleistet. Es ist allerdings nicht das erste Mal. Es gibt in der jüngeren Luftfahrtgeschichte mehrere Fälle. Etwa vor drei Jahren den Absturz eines Asiana-Flugs in San Francisco, ebenfalls eine Boeing 777-300. Vor allem zeigt das, das ist ein wichtiger Aspekt, wie stabil heutzutage Flugzeuge konstruiert sind. Selbst bei starkem Aufprall, oder wie bei Asiana dem Überschlagen des Flugzeugs, also dem Wirken extremer Kräfte, bleibt der Rumpf nahezu intakt. Eine wichtige Voraussetzung, dass Insassen unversehrt bleiben. So etwas kann man ja nicht wie bei der Entwicklung von Autos testen.
Wie lange braucht man, um 300 Passagiere zu evakuieren?
Es gibt international sehr strenge Vorgaben. Vor Zulassung eines neuen Flugzeugtyps muss nachgewiesen werden, dass die Maschine, egal wie groß sie ist, innerhalb von 90 Sekunden evakuiert werden kann. In der Praxis und unter günstigen Bedingungen schaffen es Besatzungen oft weit unter dieser Zeit.
Emirates gilt als sehr sichere Fluglinie. Was unterscheidet die Linie von anderen in der Ausbildung und Schulung des Bodenpersonals?
Emirates ist weltweit eine der größten Luftlinien, mit fast 240 Flugzeugen, sie besteht seit 31 Jahren und hat bis jetzt keinen Totalverlust erlitten. Die meisten Airlines haben ein sehr hohes Niveau bei der Sicherheitsschulung. Ich habe mir viele Crew-Trainings angesehen und bin selbst auch in Dubai im Trainingszentrum von Emirates gewesen, einem der größten und modernsten dieser Art. Die Kabinensimulatoren dort sind äußerst realistisch, man kann sogar Feuer an Bord simulieren – es ist wirklich beängstigend, wie echt das wirkt.
Im Netz gibt es Handyvideos aus der von Brandrauch gefüllten Kabine während der Evakuierung. Was treibt Menschen, in dieser schwierigen Situation noch zu filmen?
Es gibt heute kaum noch einen Zwischenfall oder einen Unfall, von dem keine Videos existieren. Es etwas bizarr, aber für die Flugunfallforschung ist das im Grunde hervorragend. Ich gebe zu, dass ich überrascht bin, wie lang dieses Video aus der Kabine in Dubai ist. Es ist wohl dem Zeitgeist geschuldet, dass immer wenn etwas passiert, es jemand dokumentiert, wie erschreckend es auch sein mag. Besonders für jüngere Menschen scheint das eine normale Verhaltensweise zu sein.
Verblüffend auch, dass in Lebensgefahr die Passagiere ihr Handgepäck aus den Fächern ziehen, damit halten sie doch die Evakuierung auf, verstellen eventuell Fluchtwege. Was kann man dagegen in solcher Situation tun?
Das ist seit vielen Jahren ein riesiges Problem für die Fluggesellschaften. Kürzlich sind bei der Evakuierung einer brennenden British-Airways-777 in Las Vegas Passagiere mit Ihrem Rollkoffer im Arm auf Notrutschen zu sehen gewesen. Das ist hochgefährlich und kann eine Evakuierung massiv verzögern. Rutschen werden dadurch blockiert oder unbenutzbar gemacht, man kann sich verletzen. Es scheint da eine Art Instinkt zu wirken, dass die Menschen zu ihrem Handgepäck greifen.
Was kann die Besatzung dagegen tun?
Da muss und darf sie auch rabiat werden, um begreiflich zu machen, dass es um Sekunden geht, und nur um eines: raus, raus, raus. Es gab einen Fall, in dem ein Flugbegleiter einem Mann an der Rutsche den Rollkoffer entrissen und in die leere Kabine zurückgeworfen hat. Und den Passagier dann zu seinem eigenen Nutzen auf die Rutsche geschubst.
Was raten Sie einem Passagier generell in so einer Situation?
Generell rate ich, und dazu gibt es auch einige Hinweise in meinem Buch: bei jedem Flug, den man antritt, sollte man sich mental darauf einstellen, was wäre wenn. Wo sitze ich, etwa ganz praktisch die Sitzlehnen abzählen, wie viele Reihen vor mir und hinter mir sind es bis zum nächsten Notausgang, kann ja sein, dass die Sicht durch Rauch sehr schlecht ist. So ein Bewusstsein zu entwickeln, ist relativ simpel, aber unter Umständen rettet man so sein Leben.
Halten Sie international gesehen die Sicherheitsvorkehrungen der Luftlinien für solche Ereignisse wie in Dubai für ausreichend?
Die jüngsten Beispiele zeigen, dass die Branche in die richtige Richtung denkt und die Maßnahmen ausreichend sind: stabilere Flugzeuge und ein sehr gutes Crewtraining haben dazu geführt, dass einige potenzielle Katastrophen zuletzt relativ glimpflich ausgegangen sind.

Zur Person: Der freie Journalist Andreas Spaeth mit Sitz in Hamburg hat sich auf die Themen Luftfahrt und Reisen spezialisiert. Dabei hat er selbst immer wieder zu Recherchezwecken an Sicherheitstrainings großer Fluggesellschaften wie British Airways und Emirates teilgenommen.

Veröffentlichung In seinem jüngsten Veröffentlichung befasst sich Andreas Spaeth mit der Frage „Wie sicher ist das Fliegen?“ - so lautete der Untertitel des im März erschienenen Buchs „Crashtest“ (Heyne Verlag, 288 Seiten. 12,99 Euro) göt