Die Teilnehmer des Flüchtlingsgipfels am Montag im Neuen Schloss in Stuttgart Foto: dpa

Nach dem Flüchtlingsgipfel verkündet Ministerpräsident Kretschmann konkrete Schritte: mehr Geld für die Kommunen, zusätzliches Personal und ein Sonderkontingent für sexuell missbrauchte Frauen.

Stuttgart - Es wurde später als geplant. Doch dann sah man am Montagabend nach dreieinhalb Stunden im Neuen Schloss in Stuttgart viele zufriedene Gesichter. Als Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ans Rednerpult trat, um Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels zu verkünden, war ihm die Erleichterung anzumerken. Denn die heikle Frage, wie die Stadt- und Landkreise die vielen Flüchtlinge beherbergen sollen und wer das alles bezahlt, hatte zuletzt speziell die Landrats-Gemüter erregt.

„Es war eine sehr gute und konstruktive Runde. Ich bin beeindruckt von den vielen Vorschlägen und Anregungen“, sagte Kretschmann. Alle seien sich einig, dass es sich zwar um eine große Herausforderung, aber auch um eine humanitäre Pflicht handle, Asylsuchende anständig unterzubringen. Die rund 30 Beteiligten aus Landespolitik, Kommunalverbänden, Kirche und Flüchtlingsarbeit wollten aus dem Gipfel „ein Bündnis für Flüchtlinge machen“.

Es gab auch konkrete Beschlüsse – und mit denen macht das Land einige Zugeständnisse. Bei der Frage der Finanzierung prüfe das Integrationsministerium gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden die bisherigen Pauschalen. Derzeit gibt es pro Flüchtling vom Land einmalig 12 566 Euro (in 18 Monaten). Bis 2016 soll die Pauschale auf 13 972 Euro steigen. Die Landkreise und Gemeinden kritisieren das als zu wenig. Kretschmann stellte weitere Verbesserungen in Aussicht: „Wir werden unseren Verpflichtungen nachkommen.“

Dabei bleibt es nicht. Das Land will in den nächsten Monaten 3000 zusätzliche Plätze für die Erstaufnahme von Flüchtlingen schaffen. 30 Millionen Euro sollen in ein Sonderbauprogramm für die Anschlussunterbringung fließen. Außerdem verhandelt Baden-Württemberg mit dem Bund über ein Sonderkontingent. In dessen Rahmen sollen bis zu 1000 sexuell missbrauchte Frauen und Mädchen aus dem Irak und Syrien in den Südwesten kommen dürfen.

Ferner kündigte der Ministerpräsident an, das Personal in den Regierungspräsidien und Aufnahmeeinrichtungen aufstocken zu wollen. In den Städten mit Erstaufnahmeeinrichtungen soll die Polizei personell verstärkt werden. Details sollen am heutigen Dienstag bekannt gegeben werden. „Es gibt keinen Grund für Alarmismus, wir können diese Aufgabe stemmen“, sagte er.

Kretschmann erneuerte auch seine Forderungen in Richtung Berlin. Ein nationaler Flüchtlingsgipfel solle einberufen werden, drängte er. Dabei müsse man über „eine angemessene Verteilung“ der Flüchtlinge bundes-, aber auch europaweit reden. So sei es sinnvoll, die Asylsuchenden in Deutschland nicht nur nach Bevölkerungszahl und Wirtschaftsstärke zu verteilen, sondern sich auch daran zu orientieren, wo denn überhaupt geeignete Unterkünfte vorhanden sind. Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) forderte die Bundesregierung auf, die Ursachen für Flucht zu bekämpfen und die Mittel für Integrationskurse aufzustocken.

Vertreter der Kommunen zeigten sich positiv überrascht vom Verlauf des Spitzengesprächs im Neuen Schloss. „Das war ein sehr beeindruckender Arbeitsgipfel ohne Hysterie“, sagte der Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne). Zufrieden sei er mit der Zusage Kretschmanns, das Land wolle Verbesserungen bei den Unterkunftskosten und der Sprachförderung übernehmen. „Die Kernbotschaft des Treffens lautet: Wir werden die Probleme lösen“, so Kuhn. Auch der Oberbürgermeister von Schwäbisch Gmünd, Richard Arnold (CDU), einer der gedanklichen Vorbereiter des Flüchtlingsgipfels, äußerte sich lobend: „Es hat genützt, dass der Ministerpräsident das Thema zur Chefsache gemacht hat.“ Ein solches Treffen sei überfällig gewesen. Jetzt komme es darauf an, das Besprochene eins zu eins umzusetzen. Arnold regte darüber hinaus an, das Thema Integration und Flüchtlingsschutz zu einer Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern zu machen.

Der Präsident des Landkreistages, Joachim Walter (CDU), äußerte sich ebenfalls positiv zum Verlauf des Treffens. Entscheidend sei, was man jetzt daraus mache. Der Flüchtlingsrat schlug vor, dass das Land mit Kirchen und Verbänden eine Kampagne mit dem Titel „Willkommen in Baden-Württemberg“ ins Leben ruft. Kritik kam von der FDP. Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sagte, Kretschmann habe auf dem Gipfel enttäuschend agiert: „Ich hätte mir mehr konkrete Vorschläge gewünscht.“