Florian David Fitz in „Oskars Kleid“ Foto: Warner Bros.

In dem komödiantischen Familiendrama „Oskars Kleid“ spielt Florian David Fitz im Kino einen Vater, dessen Sohn kein Junge mehr sein will. Der Schauspieler hat auch das Drehbuch geschrieben und erklärt, wie sich Ernsthaftigkeit und Humor verbinden lassen.

Florian David Fitz war 2022 bereits in Sönke Wortmanns Filmen „Eingeschlossene Gesellschaft“ und „Der Nachname“ zu sehen. Im Interview spricht er über Identitäten, aktuelle Debatten und das Vatersein.

 

Herr Fitz, Sie erzählen von einem Kind, das im Körper eines Jungen geboren wurde, sich aber als Mädchen fühlt. Das Thema ist sehr sensibel. Hatten Sie Angst, etwas falsch zu machen?

Das erste Mal mit dieser Sorge konfrontiert wurde ich bei „Vincent will Meer“. Da hieß es, Betroffene und vor allem Eltern würden protestieren und niemand wolle eine Komödie zu diesem Thema sehen. Am Ende wurde es dann plötzlich der Film überhaupt für die Tourette-Community. Seither habe ich, auch wenn es vielleicht naiv ist, das größte Vertrauen, dass man eigentlich nichts falsch machen kann, wenn man sich einer Geschichte mit offenem Herzen nähert. Und wenn das Thema für Kontroversen sorgt, dann ist es mein Job, diese kontroversen Aspekte im Film auch auf den Tisch zu legen.

Deswegen steht im Zentrum des Films der geschiedene Polizist, der mit der Identitätsfindung seines Kindes erst einmal nicht so viel anfangen kann?

Ich wollte auf jeden Fall aus der Warte von jemandem erzählen, der sich noch nicht mit diesem Thema auseinandergesetzt hat. Jemand, der seinen Alltag in dieser männlich konnotierten Welt verbringt und dann zu Hause mit diesem unglaublich selbstbewussten Kind konfrontiert wird, das nur durch seine Anwesenheit all das hinterfragt. Darin liegt das komödiantische Potenzial. Und trotzdem ist es eben nicht so, dass dieser Typ alles einfach nur noch nicht verstanden hat und bloß Bullshit redet. Im Gegenteil: Seine Argumente sind sehr valide, sie kommen aus dem ehrlichen Wunsch, ein guter Vater zu sein, auch wenn das von außen manchmal schmerzhaft aussieht. Und wenn man mit Betroffenen und Angehörigen spricht, wird klar: Egal, was man macht, es kommt zu Dilemmata. Es gibt nicht die eine richtige Lösung. Außer natürlich: zuhören, offen bleiben und das Kind weder in die eine noch in die andere Richtung pushen! Man muss sein Kind halt lieben. Fertig.

Ist das die Botschaft Ihres Films?

Da muss man immer vorsichtig sein. Sobald man zu didaktisch wird und möchte, dass Zuschauer mit einer Lehre nach Hause gehen, kommt zu viel Schulfernsehen heraus. Mir geht es vielmehr darum, dass die Leute sich 90 Minuten lang in einer anderen Welt befinden, die Tränen einer anderen Person weinen, über sie und mit ihr lachen, sich mit den Problemen anderer Menschen auseinandersetzen. Und sich dadurch vielleicht ein kleines bisschen mehr öffnen. Mehr muss es gar nicht sein.

Schon im Vorfeld wurde Ihnen „Deadnaming“ vorgeworfen: Im Filmtitel wird der alte Name des Kindes genannt statt jenem, in dem es sich in neuer Identität wiederfindet. Verstehen Sie die Kritik?

Sie meinen, neben dem Vorwurf der anderen Seite, dass wir einen Werbefilm für Trans machen? (Lacht) Für mich steckt dahinter ein Denkfehler, der vielleicht auch schon wieder ein Symbol für unsere jetzige Zeit und die gegenwärtige Diskussionskultur ist. Ein Filmtitel nimmt normalerweise nicht das Ende vorweg, sondern beschreibt den Konflikt am Anfang der Geschichte. Nach der Logik müsste „Findet Nemo“ heißen: „Alles gut, wir haben ihn gefunden“.

Setzen Sie sich damit über den Wunsch Ihrer jungen Protagonistin hinweg?

Der Filmtitel soll also nicht mehr die auslösende Frage stellen, sondern den Wunsch einer der fiktiven Figuren in der Geschichte erfüllen? Wir sollen das Ende an den Anfang schreiben? Dem folge ich nicht ganz. Am Anfang des Films weiß der Vater ja noch gar nichts von allem, was kommt. Er hat nach seinem Wissensstand einen Sohn, der Oskar heißt, der plötzlich ein Kleid trägt. Wir haben absichtlich die Perspektive des Vaters eingenommen, da sie noch nicht erzählt wurde und die Chance bietet, auch Leute von der Straße zu locken, die kein Vorwissen zum Thema haben. Einfach die Frage zu stellen: Was würdest du an seiner Stelle machen?

Die wunderbare Georgette Dee spielt eine Nebenrolle und sagt mit Blick auf aktuelle Debatten wie diese, dass ihr heutzutage ein wenig der Humor fehle. Würden Sie das unterschreiben?

Ich glaube schon ein bisschen. Und Georgette selbst würde das auch in echt so sagen. Es ist sehr interessant, sich mit Georgette über diese ganzen Debatten zu unterhalten, vom Gendern bis hin zu Identitätsdefinitionen. Denn sie weist dann immer sehr klar auf diesen großen Widerspruch hin: Einerseits plädieren alle für eine Öffnung, machen aber andererseits nur immer neue Schubladen auf, die teilweise sogar noch didaktischer sind als die alten. Da gähnt sie nur! Sie selbst hat sich noch nie definiert, sondern immer Freude daran gehabt, zwischen den Definitionen zu laufen. Genau das macht sie aus. Jetzt ist natürlich nicht jeder mit dieser Kraft ausgestattet, auch das ist mir klar. Aber für unsere Geschichte war es toll, jemand Älteren in diesem Film zu haben, mit einer wahnsinnigen Würde, Klugheit und Schönheit, bei der man sehen kann: So kann es gehen! Meine Sorge ist, dass wir tendenziell Ernsthaftigkeit und Ernst verwechseln. Nur weil mir ein Anliegen wichtig ist, schließt das doch Humor nicht aus. Im Gegenteil, je existenzieller, desto wichtiger ist Humor.

Die Hauptrolle spielt neben Ihnen allerdings Laurì. Wie schwierig war es, für diese komplexe Kinderrolle die richtige Besetzung zu finden?

Leicht war das nicht, und wir haben lange gesucht. Bei den meisten Kindern, die zum Casting kamen, wirkte dieser Umgang mit den verschiedenen Identitäten ein bisschen wie Verkleiden. Da hatte man das Gefühl, dass die vielleicht diesen Konflikt nicht wirklich verstehen oder nachempfinden können. Womöglich war manchen das Thema sogar irgendwie peinlich. Laurì entdeckten wir dann gar nicht beim klassischen Casting, sondern inmitten einer Schulklasse. Man merkte sofort, dass sie eine echt erstaunliche Person ist, die selbst ganz viel mitbringt, was mit dieser Figur zu tun hatte, diesem störrischen, sehr klugen und eigenständigen, ja fast erwachsenen Kind. Dann sagte sie diese Sätze aus dem Drehbuch – und plötzlich hörten die sich wahr an. Dieser Kern einer gefühlten Wahrheit ist gerade bei einem Film, der auch komödiantisch ist, ganz besonders wichtig.

Im Film treibt Ihre Figur nicht zuletzt die Sorge um, kein guter Vater zu sein. Kennen Sie die selbst?

Ich habe mal ein Pärchen, dessen Kinder ich wahnsinnig cool fand, gefragt, was ihr Geheimrezept ist. Ihr Credo: entspannte Eltern, entspannte Kinder. Genau das nehme ich mir seither auch immer vor. Natürlich kommt man regelmäßig an Punkte, wo man denkt: Verdammt, das war jetzt einfach Mist, das muss irgendwie besser laufen. Das gehört halt auch dazu. Und natürlich gibt es auch beim Elternsein sehr oft erhitzte Gemüter. Aber entspannt bleiben tut uns allen eigentlich immer gut. Denn das heißt ja nicht, dass man nicht trotzdem ernsthaft bei der Sache ist und an sich arbeitet. Da ist er wieder, der Humor (lacht).

Würden Sie sagen, dass man ein anderer Mensch wird, sobald man Kinder hat?

Ich glaube nicht, dass man ein anderer Mensch wird. Aber tatsächlich verändert sich der Alltag komplett. In meinem Film „Der geilste Tag“ sagt eine Frau: die Achse, um die sich dein Leben dreht, ist plötzlich eine andere. Und genau so ist es. Man dreht sich nicht mehr nur um sich selbst, und das erlebe ich als eine sehr gesunde Erfahrung, die sicherlich niemandem schadet.

Florian David Fitz

Leben
 Geboren 1974 in München, absolviert er ab 1994 eine Schauspiel-Ausbildung in Boston und lebt dann ein Jahr in New York.

Werk
 Zurück in Deutschland reüssiert er in Film und Fernsehen. Er ist in Komödien wie „Männerherzen“ (2009), „Willkommen bei den Hartmanns“ (2016) oder „Der Vorname“ (2018) zu sehen. Die Tragikomödie „Vincent will Meer“ (2010) schreibt und inszeniert er erfolgreich selbst und führt danach auch Regie bei Filmen wie „Jesus liebt mich“ (2012), „Der geilste Tag“ (2016) oder „100 Dinge“ (2018).