Lore Richter, Jesper Christensen , Ursula Werner und Felix Knopp (v. li.) im Eröffnungsfilm „Schwestern“ Foto: Wolfgang Ennenbach/Verleih

Auf dem Roten Teppich vor dem Metropol­-Kino winken veritable europäische Filmstars, das Foyer ist gut gefüllt, die Vorstellung ausgebucht: Es herrscht beste Festival-Atmosphäre bei der 19. Filmschau Baden-Württemberg, die am Mittwoch mit dem Familiendrama „Schwestern“ eröffnet worden ist.

Auf dem Roten Teppich vor dem Metropol-Kino winken veritable europäische Filmstars, das Foyer ist gut gefüllt, die Vorstellung ausgebucht: Es herrscht beste Festival-Atmosphäre bei der 19. Filmschau Baden-Württemberg, die am Mittwoch mit dem Familiendrama „Schwestern“ eröffnet worden ist.

Stuttgart- Der dänische Schauspieler Jesper Christensen, in „Casino Royale“ als Gegenspieler des Geheimagenten James Bond zu bewundern, ist eigens aus Kopenhagen angereist – auch, weil er „Schwestern“ noch nicht gesehen hat und der Film so schnell nicht den Weg in dänische Kinos finden könnte. Auch Maria Schrader, die sich mit Hauptrollen in Doris Dörries Film „Bin ich schön“ (1998) und Max Färberböcks „Aimée & Jaguar“ (1999) einen Namen gemacht hat, ist gekommen – und Marie Leuenberger, die im Film die Hauptfigur Kati spielt, die zum Entsetzen ihrer Familie ins Kloster gehen will.

Franziskanerinnen aus dem oberschwäbischen Kloster Sießen, einem der Drehorte, flanieren ebenfalls über den Roten Teppich. Und die politische Prominenz bestätigt durch ihre Anwesenheit, welches Gewicht die Filmschau inzwischen hat: Die Landeshauptstadt sei bis Sonntag „das Mekka für die Filmfreunde im Südwesten“, verkündet Kunststaatssekretär Jürgen Walter in seiner Begrüßungsrede im Metropol 1, Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn lobt den Filmschau-Veranstalter, das Filmbüro Baden-Württemberg, als „exzellenten Vermittler der Filmkunst“ im Land. Tatsächlich ist es dem Filmbüro binnen gut zehn Jahren gelungen, die Filmschau von einer reinen Abspielplattfom für heimische Produktionen in ein Festival mit Format zu verwandeln.

Auf der Leinwand dreht sich dann alles um die Frage, wie durch und durch säkulare Menschen reagieren sollen, wenn eine Tochter, Schwester, Nichte aus heiterem Himmel beschließt, Nonne zu werden. Das treibt die gesamte Familie Kerkhoff um in Anne Wilds wunderbar warmem Sommer-Drama „Schwestern“. Maria Schrader als ältere Schwester, die in Berlin und London an mehreren vermeintlichen kreativen Berufungen gescheitert ist, verkörpert eine ratlos Suchende, die den Anblick ihres eigenen Scherbenhaufens nicht mehr ertragen kann – und es ihrer kleinen Schwester schließlich gönnt, dass sie ihren Weg gefunden zu haben scheint. Ursula Werner („Wolke 9“) ist famos als ungnädiges Muttertier, das mühsam begreifen lernen muss, dass Kinder ihren eigenen Kopf haben.

Kommende Tage versprechen weitere Höhepunkte.

Jesper Christensen nimmt der familiären Aufarbeitung die Schärfe: Sein Onkel Rolle ist ein eleganter Lebemann, der immer einen Scherz oder ein Kompliment auf Lager hat, wenn es darum geht, Mienen aufzuheitern – und gute Weinflaschen im Kofferraum, die beim Warten auf der Wiese vor dem Kloster die Laune heben. Marie Leuenberger als dem Schweigen verpflichtete Novizin Kati schließlich, die erst in der Mitte des Films überhaupt erscheint, transportiert allein in ihrer Mimik und entschlossenen Körpersprache die ganze Schwere und Komplexität der Lebensentscheidung ihrer Figur.

Viel Applaus gibt es für diesen versöhnlichen Eröffnungsfilm und seine Darsteller im ausverkauften Saal, und die kommenden Tage versprechen weitere Höhepunkte. An diesem Donnerstag kommt Steffi Kühnert nach Stuttgart, die zuletzt in Andrea Dresens Film „Halt auf freier Strecke“ bravourös die Frau eines Tumor-Patienten spielte. In „Die Frau, die sich traut“ von Marc Rensing wechselt sie nun die Perspektive: Sie ist als Ex-DDR-Schwimmerin zu sehen, die eine Krebsdiagnose bekommt und beschließt, nun doch noch den Ärmelkanal zu durchkraulen. Ebenfalls an diesem Donnerstag reist zum Dokumentarfilm „Donauschwaben“ aus Los Angeles Albert Mayer an, geboren in Villingen-Schwenningen und für eine Kamera-Entwicklung bei Panavision mit dem Oscar ausgezeichnet. Für Samstag hat sich „Tatort“-Kommissar Richy Müller angekündigt. Er spielt einen Priester in „Die Schwarzen Brüder“, der Verfilmung eines Kinderbuchklassiker von 1941 über Söhne armer Bergbauern, die als Schornsteinfeger nach Mailand verkauft werden.

Knapp 70 Filme sind bis Sonntag in den Metropol-Kinos zu sehen, und die hohe Qualität spricht für die Entwicklung, die der Filmstandort genommen hat – und das Festival selbst, auf das Filmschau-Leiter Oliver Mahn sichtlich ist. Zugleich hat er Sorgen: Während Filmakademie und Filmförderung mit Millionen Euro finanziert werden, muss ihre offizielle Plattform, die Filmschau, mit 100.000 Euro im Jahr auskommen. „Wir stoßen längst an finanzielle Grenzen, mussten Gästen absagen, können kaum Werbung machen“, sagt Mahn. Er ist überzeugt ist: „Wenn die Finanzierung stimmen würde, könnte die Filmschau richtig groß werden und bundesweit ausstrahlen.“

Die Filmschau am Donnerstag

10 Uhr: „Das kalte Eisen“, Dokumentarfilm über Waffenbesitz nach Winnenden

16 Uhr: „Soko Stuttgart“ mit den Machern

18 Uhr: Eröffnung Jugendfilmpreis

18.30 Uhr: Weltpremiere „Raumchoreografien“ mit Kammertänzer Flavio Salamanka und der Ballettdirektorin Birgit Keil

19.30 Uhr: Weltpremiere „Donauschwaben“ mit dem Kamera-Entwickler Albert Mayer aus Los Angeles

20.30 Uhr: „Die Frau, die sich traut“ mit Regisseur Marc Rensing („Parkour“) und Hauptdarstellerin Steffi Kühnert („Halt
auf freier Strecke“).

Alle Vorführungen finden im Kino Metropol in der Bolzstraße in Stuttgart statt.

www.filmschaubw.de