Toby Kebbell als Messala und Jack Huston als Judah Ben-Hur in der Neuinszenierung des legendären Wagenrennens von „Ben Hur“. Foto:Paramount Pictures Foto:  

Zu Recht wird William Wylers „Ben Hur“ von 1959 als Monumentalschinken noch immer geliebt. Der für Hollywood arbeitende Russe Timur Bekmambetow scheitert an der Neuverfilmung des Breitwandepos völlig.

Stuttgart - Am Ende der Treppe rudern die Verdammten, die kaum je zurückkehren ins Leben. An den Römern vorbei, die den Takt schlagen und die Peitsche schwingen, dirigiert Judah Ben Hur, gefallener jüdischer Prinz, seine Leidensgenossen, um nicht von anderen Galeeren gerammt zu werden – vergeblich.

Hier schleudert Timur Bekmambetow die Zuschauer in eine atemberaubend hyperrealistische Illusion, die William Wyler trotz frischer Blue-Screen-Technik so nicht herstellen konnte in seinem legendären „Ben Hur“ von 1959 – und doch kommt der Russe nicht annähernd an die Magie des Originals heran. Elf Oscars gab es damals, ein Rekord, der bis heute steht, geteilt mit „Titanic“ (1997) und „Der Herr der Ringe 3“ (2003). An einer Neuverfilmung des über dreieinhalbstündigen Epos’ konnte sich nur ein Schmerzfreier versuchen wie Bekmambetow („Wächter der Nacht“), der einmal mehr großen Sinn fürs Visuelle zeigt und wenig fürs Inhaltliche.

Entscheidende Änderungen

So haben die Adaptoren Keith R. Clarke und John Ridley die Geschichte vom jüdischen Prinzen, der als Zeitgenosse Christi Rom die Stirn bietet, entscheidend verändert. Der Römer Messala ist nun kein Jugendfreund Judahs, sondern ein Adoptivsohn der Familie Hur – was es für ihn viel schwerer macht, selbige zu verraten, nachdem Judah sich weigert, Namen von Aufständischen zu nennen. Auch führen nicht lose Dachziegel, die vom Hause Hur fallen beim Einzug des neuen römischen Statthalters, zur ungerechtfertigten Versklavung, sondern ein Attentäter mit Pfeil und Bogen – ein Aufständischer, den Judah versteckt hat, was ihn zum Mittäter macht.

Später rettet Judah keinen römischen Konsul von der sinkenden Galeere, der ihn dafür in Rom adoptiert, sondern wird als Sklave nach Palästina zurückgespült – was seine Position als Rächer deutlich schwächt. Ein Happy End gibt es gar nach dem legendären Wagenrennen-Showdown mit Judah und Messala, bei dem die Schimmel unnatürlich blütenweiß wirken und die Rappen unnatürlich rabenschwarz. Die im Original schon verklärte Jesus-Gestalt wird zum Abziehbild wie aus einem US-Bibelpark, das Mirakel des Gekreuzigten, der Leprakranke spontan heilt, geschieht seltsam beiläufig.

Eindimensional und hasserfüllt

Eine kürzere Laufzeit, die das Studio sicher eingefordert hat, wäre auch anders zu erreichen gewesen; mit Fantasie zum Beispiel, die Martin Scorseses „Letzte Versuchung Christi“ (1988) trägt, oder durch Recherche, denn die Romanvorlage von Lew Wallace strotzt vor Ungenauigkeiten. Der vorliegende Holzschnitt aber überfordert auch die Darsteller. Charlton Hestons Sandalen sind dem Jungdarsteller Jack Huston („Nachtzug nach Lissabon“) viel zu groß, ihm gelingt kein komplexer Charakter, sein Judah ist entweder eindimensional blauäugig oder eindimensional hasserfüllt. Arm an Facetten gerät auch Toby Kebbells Messala, vor allem weil der Figur – wie erwähnt – die Glaubwürdigkeit fehlt.

Selbst Morgan Freeman („Million Dollar Baby“) müht sich als Rennstall-Leiter mit viel zu dick aufgetragenen Lebensweisheiten. Nur eine erhebt sich engelsgleich über das Elend: Die Iranerin Nazanin Boniadi („Homeland“) als Judahs heimliche Liebe Esther, der die Wehmut über den Zustand der Welt ins Gesicht geschrieben steht. Fast alles ist zu viel und deswegen zu wenig in diesem Film, der Zuschauern das Gefühl geben kann, nicht der Held, sondern sie selbst hätten Galeerendienst verrichtet.

Ben Hur. USA 2016. Regie Timur Bekmambetow. Mit Jack Huston, Toby Kebbell, Nazanin Boniadi, Morgan Freeman, Rodrigo Santoro. 124 Minuten. Ab 12 Jahren.