Alle Werbung hat nichts genutzt: In den Bezirken unterm Fernsehturm wird in den nächsten zwei Jahren nur noch im Doppelbezirk Plieningen-Birkach ein Jugendrat aktiv sein. In Degerloch und Sillenbuch könnte es aber Projektgruppen geben Foto: Stadt Stuttgart

In den Filderbezirken gibt es zu wenige Kandidaten für die Jugendratswahl 2014. Lediglich die Jugendlichen im Doppelbezirk Plieningen-Birkach werden wählen.

Filder - Auf der Facebook-Seite des Stuttgarter Jugendrats ist der Countdown gezählt worden. Fast jeden Tag erschien ein Beitrag, der die jungen Leute in der Stadt noch einmal aufrief, sich zu bewerben. Ein Film des Jugendsenders Stuggi-TV auf der Seite erklärt, was der Jugendrat ist und wie man mitmachen kann. Viele Jugendliche haben ihren „Daumen hoch“ darunter gesetzt, also auf den Knopf „Gefällt mir“ geklickt. Zu Stift und Papier haben aber zu wenige gegriffen. In acht von 19 Wahlbezirken haben sich bis zum 8. November nicht genügend Bewerber für die Jugendratswahl 2014 beworben. Darunter sind auch Degerloch und Sillenbuch.

Besonders auffällig ist, dass vor allem die Filderbezirke betroffen sind. Denn auch in Möhringen und Vaihingen haben sich nicht genügend Jugendliche beworben, die in dem Nachwuchsgremium mitmischen wollen. Roland Kelm, der bei der Stadt für die Jugendbeteiligung zuständig ist, sieht jedoch keinen Zusammenhang. „Das ist auffällig, aber zufällig“, sagt er. Man müsse jeden Stadtbezirk einzeln betrachten.

Nur noch elf von 19 Jugendräten kommen zustande

Eine Antwort auf die Frage, warum es dieses Jahr einen solchen Einbruch gegeben hat, weiß Kelm trotzdem nicht. In der aktuellen Periode gibt es in 16 von 19 Wahlbezirken einen Jugendrat. Von 2014 an wird es nur noch in elf so sein. Und das, obwohl die Stadt im Vorfeld die Zahl der Sitze im Jugendrat und damit auch die Mindestzahl an Bewerbern neu angepasst hat, um die Chancen für die Bildung eines Gremiums zu erhöhen. Ursprünglich hat sich die Zahl der Sitze aus der der Einwohner im Stadtbezirk berechnet. Nun wird sie an der Zahl der Jugendlichen im Bezirk gemessen. „Das hat in einigen Bezirken bereits geholfen“, sagt Kelm. Aber eben nicht in allen.

In den Bezirken unterm Fernsehturm werden nur die Jugendlichen im Doppelbezirk Plieningen-Birkach im Januar an die Wahlurnen treten. Bis kurz vor dem Bewerbungsschluss sah es allerdings ganz und gar nicht nach diesem Ergebnis aus. Bis zum 5. November lag noch keine einzige Bewerbung vor. „Am Ende hat es wirklich pressiert“, sagt die Bezirksvorsteherin Andrea Lindel. Sie sei froh, dass die derzeitigen Jugendräte am Ende sehr fleißig die Werbetrommel in den Schulen gerührt haben. Elf Sitze wird es im neuen Gremium geben, 13 Bewerbungen waren dafür nötig.

In Sillenbuch und Degerloch hätte es genauso viele Bewerber gebraucht. Acht waren es am Ende in Sillenbuch, zehn in Degerloch. An der Werbung könne es in beiden Bezirken nicht liegen, sagen die Verantwortlichen. Die aktuellen Jugendräte seien wie immer durch alle Schulen gegangen. „Wir waren erstmals sogar in der Waldorfschule, weil die inzwischen eine achte Klasse hat“, erzählt Klaus Dieter, der Leiter des örtlichen Jugendhauses und pädagogische Begleiter des Jugendrats. Klaus Dieter sagt, er sei zwar etwas enttäuscht, trotzdem glaube er nicht an eine Politikverdrossenheit der Jugendlichen. Seiner Meinung nach liege es eher daran, dass gerade die Gymnasiasten durch G8 stark eingespannt seien und weniger Zeit für Aktivitäten neben der Schule haben.

Viele müssen alters- oder ausbildungsbedingt aufhören

Auch Mykola Heinrich kann kein mangelndes Interesse bei den Jugendlichen erkennen. Der stellvertretende Bezirksvorsteher von Degerloch sagt, dass immer wieder Schulklassen zu Besuch in den Sitzungen des Jugendrats gewesen seien. In Degerloch sei eher das Problem, dass sich von den aktuellen Jugendräten keiner wieder zur Wahl gestellt hat. Viele müssten alters- oder ausbildungsbedingt aufhören. In der Vergangenheit hätten die amtierenden Räte oft wieder kandidiert und damit schon die Hälfte der Bewerber gestellt.

Sowohl in Sillenbuch als auch in Degerloch blickt man aber optimistisch in die Zukunft. Klaus Dieter nimmt an, dass die Bewerber sich wie schon 2010 und 2011 zu einer Projektgruppe zusammenfinden. Diese ist eine ebenso mögliche Form der Jugendbeteiligung bei der Stadt, nur sind die Mitglieder eben nicht gewählt. Auch Mykola Heinrich will sehen, ob die Degerlocher Bewerber Lust haben, als solche Gruppe weiterzumachen.

Roland Kelm von der Koordinierungsstelle der Stadt teilt die Hoffnung, dass in den acht Bezirken ohne Jugendrat jene Projektgruppen zustande kommen. Für die Jugendlichen sei das kein Nachteil. Denn als Projektgruppe hätten sie lediglich einen anderen Status. Die Möglichkeiten sind jedoch die gleichen, sagt Kelm. „Die Projektgruppe ist definitiv nicht weniger wert.“