Seit 2007 gibt es jährlich die AOK-Familienstudie, oft mit dem Ergebnis: Eltern wirken als Vorbilder. Doch wie genau prägen sie? Wir haben mit dem Drei-Generationen-Gespann Tanja und Theresa Dauser sowie Ilse Ziegler aus Ingersheim gesprochen.
Nach einem Aufruf über die Landfrauen haben sich Tanja Dauser und ihre Mutter Ilse Ziegler als eine der ersten bei unserer Zeitung für ein Interview zum Thema „Mütter-Töchter – eine lebenslang prägende Beziehung?“ bereit erklärt. Die beiden Frauen gaben uns – gemeinsam mit ihrer sogenannten dritten Generation, Teresa Dauser – einen kleinen, aber sehr offenen Einblick in ihr Familiensystem.
Schon der Lebenslauf lässt aufhorchen, denn es gibt zahlreiche Parallelen zwischen Ilse Ziegler und ihrer Tochter Tanja Dauser. Während die heute 74-Jährige jahrelang auf dem Bauamt des Rathauses in Tamm gearbeitet hat, ist ihre Tochter gelernte Tiefbauzeichnerin. Der Anfang dieses Jahres verstorbene Ehemann von Ilse Ziegler hatte beruflich weniger mit dem Bauen am Hut, er war Elektromechaniker. 56 Jahre waren die beiden verheiratet. Der Schmerz über den Verlust ist für die Familie immer noch groß.
Seit Jahrzehnten bei den Landfrauen aktiv
Nicht nur beruflich, auch privat haben sich die Freizeitaktivitäten von Mutter und Tochter in den letzten Jahren angenähert - bei den Landfrauen Kleingersheim. Die Rentnerin kam vor vielen Jahrzehnten über den Sport zu dem Verein und kümmerte sich unter anderem um die Kasse. In jüngeren Jahren konnte sich Tanja – die ebenso wie ihre eigene Tochter als Einzelkind groß geworden ist – nicht wirklich für den Verein begeistern. Doch das hat sich geändert. Seit einigen Jahren ist sie nicht nur aktives Mitglied, sondern sogar zweite Vorständin.
Wie ihre Mutter ist die 56-Jährige seit Jahrzehnten verheiratet. Auch beim Wohnort sind sie nicht wirklich verschiedene Wege gegangen. Tanja Dauser wohnt in einem Haus, das nur einen Steinwurf von dem ihrer Mutter entfernt ist.
Diese Gabe habe sie definitiv nicht vor der Mutter geerbt
Derweil, die Unterschiede tun sich auf in den Details. Tanja Dauser bekennt sich offen zu ihrem eher schwarzen anstatt grünen Daumen und lobt die Fähigkeiten der Mutter im Garten. Dafür könne ihre Tochter wiederum wunderbar musizieren, gibt Ilse Ziegler das Kompliment postwendend zurück. Dieses Talent habe Tanja von ihrem musikalischen Vater geerbt, erzählt die Witwe stolz.
Auch ihre Enkelin Teresa sei mit dieser Gabe gesegnet. Die 26-Jährige spielt zwar keine Querflöte wie ihre Mutter, sondern Saxofon, und engagiert sich ebenfalls im örtlichen Musikverein. Seit einem Jahr wohnt die Studentin in der Einliegerwohnung in dem Haus ihrer Großeltern. „Im Dezember 2022 wollte sie auf einmal ganz plötzlich zu Oma und Opa ziehen“, erinnert sich Tanja Dauser. Kurz darauf, im Januar, sei der Opa gestorben. „Als ob sie das gespürt hat und noch ein wenig Zeit mit ihm verbringen wollte.“ Der Vorteil nun ist, dass Oma Ilse nicht allein wohnen muss, sondern ihre Enkelin mit in ihrem Haus hat. Auch Tanja Dauser ist das Wohnen unter einem Dach mit den Großeltern nicht unbekannt. Bis sie acht Jahre alt war, lebte sie mit ihren Eltern und Großeltern (den Schwiegereltern von Ilse) unter einem Dach. Dann haben ihre Eltern ein eigenes Haus gebaut. Auf den großen Familienverbund sind sie alle stolz.
Die dritte Generation: „Keine Zeit. Keine Lust.“ Auch das kann sich noch ändern
Wie lange Teresa bei der Oma wohnen werde, das steht noch in den Sternen. Auch beruflich wisse sie noch nicht so genau, wohin die Reise gehen soll – vielleicht „irgendetwas mit Medien“. Derzeit gibt es jedenfalls keine Anzeichen dafür, dass sie in die beruflichen Fußstapfen der Mama und der Oma treten wird. Die Landfrauen interessiert die Mittzwanzigerin – aktuell zumindest – ebenso wenig. „Keine Zeit, keine Lust. Was will ich da?“, lautet ihr deutliches Urteil. Aber auch das kann sich noch ändern, wenn man nur an das anfängliche Desinteresse ihrer Mutter dahingehend zurückdenkt.
Doch selbst wenn Teresa nie eine Landfrau werden sollte und auch beruflich völlig neue Wege geht, sei das selbstverständlich in Ordnung, sagen die Oma und die Mutter im Gespräch mit unserer Zeitung. Was zählt, sei, dass sie glücklich ist. Da sind sich die beiden Frauen einig, dass sie wisse, dass sie immer zu ihnen kommen könne – auch wenn es auch bei ihnen manchmal hitzige Diskussionen gäbe und nicht jeder immer einer Meinung sei.
Doch auch das gehöre dazu. Man müsse sich vertrauen können, seine Meinung sagen und seinen Standpunkt vertreten dürfen, findet die Oma. Mit Druck gehe schon mal gar nichts. Denn „den hat sie noch lang genug im Leben.“ Alle seien sie ein wenig chaotisch, aber dafür entspannt. Sich die nötigen Freiheiten geben, sich als Menschen mit allen Stärken und Schwächen schätzen, aber immer auch ein Nest für den anderen sein, wenn er denn eins brauche. Und die Liebe, die bedingungslose Liebe stehe über allem, betont Ilse Ziegler am Schluss.