Wer kontrolliert eigentlich die Rauchmelder? Trickdiebe nutzen die Unwissenheit für ihre eigenen Zwecke aus Foto: dpa-tmn

Die Rauchmelderpflicht ist offenbar ein Erfolg: Die Feuerwehr rückt immer öfter aus – und kann meist auch Schlimmeres verhindern. Die Rauchmelderpflicht lockt aber auch Trickdiebe: Sie gehen als falsche Kontrolleure auf Beutezug.

Stuttgart - Der 65-Jährige in einem Mehrfamilienhaus wird auf dem falschen Fuß erwischt, als es an der Wohnungstür klingelt. Vor ihm steht ein etwa 30 bis 40 Jahre alter Mann, 1,65 Meter groß, dunkler Teint, dunkle Winterjacke, ein Notizbuch in der Hand. Der 65-Jährige ist schwerhörig, aber der Fremde ist eher besser in der Zeichensprache als in Deutsch. Er zeigt an die Decke, deutet auf den Rauchmelder. Kontrolle! Der 65-Jährige lässt den Mann ein. Ein Fehler.

Wer überprüft eigentlich die Rauchwarnmelderpflicht, die seit Anfang 2015 in Privatwohnungen gilt? Die Antwort lautet: Keiner. Weder die Feuerwehr noch das Baurechtsamt. Viele Wohnungsinhaber wissen das nicht – und öffnen Trickdieben die Tür, die es in Wirklichkeit aber auf Schmuck und Bargeld abgesehen haben. War es früher die Tarnung als Mann von den Wasserwerken oder vom Stromversorger, so ist nun die Rauchmelder-Masche die moderne Form des Türöffners für Betrügerbanden.

Selbst der Minister warnt

Seit Wochen wird in sozialen Netzwerken vor reisenden Banden gewarnt, die mit angeblichen Rauchmelderkontrollen auf Beutezug gehen. Die Nachricht ging zwar um wie ein Lauffeuer, doch niemand konnte einen konkreten aktuellen Fall benennen – auch die Polizei nicht. Der fürs Baurecht zuständige Landesminister Winfried Hermann appellierte vorsorglich, vermeintliche Kontrolleure „auf keinen Fall in die Wohnung zu lassen“, weil es gar keine amtlichen gebe – selbst von Baurechtsbehörden nicht.

In Waiblingen auf der Korber Höhe wurde am Montag um 11.30 Uhr diese Warnung aber nicht vernommen. Der 65-Jährige, der dem angeblichen Kontrolleur die Tür öffnete, kommt noch glimpflich davon. Denn als der Trickdieb im Schlafzimmer zu einer Schmuckschatulle greifen will, wird er von der 65-jährigen Ehefrau überrascht, mit der er nicht gerechnet hatte. Die stellt den Unbekannten zur Rede, und der muss ohne Beute die Flucht antreten.

„Die Masche mit dem Rauchmelder ist für Kriminelle nur eine von vielen, um unberechtigt in Wohnungen zu gelangen“, sagt Polizeisprecher Holger Bienert. Denn nur wenig später taucht womöglich derselbe Täter im Waiblinger Wohngebiet beim Wasserturm auf – diesmal aber als Lampen-Kontrolleur. „Control Light“, steht in englischer Sprache auf einem Zettel. In diesem Fall geht er gegen die 95-jährige Bewohnerin rigoroser vor. Er bahnt sich rücksichtslos seinen Weg ins Schlafzimmer, greift nach der Schmuckschatulle und schiebt auf der Flucht eine anwesende Haushaltshilfe zur Seite. Er verschwindet spurlos.

Täter mal allein, mal zu zweit

Bisher ist in der Region Stuttgart noch kein Trickdieb erwischt worden, der es mit der Rauchmelder-Masche versucht hatte. Unbekannt blieb etwa der Täter, der am 12. März 2014 ein 81 und 85 Jahre altes Ehepaar in Böblingen hereingelegt hatte. Der schwarzhaarige Mittvierziger mit dunklem Teint und schlechtem Deutsch kam mit einem Notizblock und verschwand mit mehrere Hundert Euro aus einem Geldbeutel.

Zwei Täter waren es am 6. Juni 2014 in Süßen im Kreis Göppingen, die vorgaben, das Haus einer 80-Jährigen wegen der – damals erst noch bevorstehenden – Rauchmelderpflicht inspizieren zu müssen. Dabei entdeckten sie angeblich einen Wurmbefall im Dachboden, für dessen Beseitigung sie das Opfer mehrere Tausend Euro auf der Bank abheben ließen. In Leinfelden-Echterdingen ließ ein 79 und 85 Jahre altes Ehepaar am 11. November 2014 einen angeblichen Rauchmelder-Handwerker in die Wohnung, der mehrere Hundert Euro erbeutete. Im Februar 2015 scheiterten angebliche Kontrolleure in Großbottwar im Kreis Ludwigsburg.

Feuerwehr: Mehr Einsätze durch Rauchmelder

Eine Mär ist übrigens auch, dass die Feuerwehr die Rauchmelderpflicht kontrollieren würde. Es wird tatsächlich nicht einmal nach einem Brand statistisch erfasst, ob es einen Rauchmelder gegeben hat oder nicht. „Wir haben keine bauordnungsrechtliche Aufgabe“, sagt Markus Hauser von der Branddirektion Stuttgart. Man sei allenfalls beratend tätig, mache aber keine Meldung an die Baurechtsbehörden. „Es ist nicht unsere Aufgabe, eine Polizeifunktion auszufüllen“, formuliert es Landesbranddirektor Hermann Schröder.

Die Stuttgarter Feuerwehr kann freilich feststellen, dass die Zahl der Einsätze durch Rauchmelderalarme „erkennbar zugenommen“ hat, wie der Stuttgarter Berufsfeuerwehrmann Hauser feststellt. Über 1200 Kleinbrände sind der Höchstwert der letzten Jahre. Zu seiner eigenen Überraschung halte sich die Zahl der Fehlalarme in Grenzen: „Die Trefferquote ist deutlich höher als bei Brandmelderanlagen“, so Hauser. Offenbar ist die Rauchmelderpflicht ein Erfolg: „Wir haben öfter hilflose Personen retten können, weil Nachbarn auf das Piepen aufmerksam wurden“, sagt Hauser. Etwa am 25. November 2015 in Vaihingen, als die sieben Jahre alte Thalia aufmerksam wurde – und einer 74-jährigen Nachbarin das Leben rettete. Sie wäre im Rauch unweigerlich erstickt.